Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt

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Im Hause des Kommerzienrates - Eugenie Marlitt


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sich scharf abhebenden Römergesichts belebte sich unheimlich; mit den flimmernden Augen voll abweisender Verachtung, mit den nervös bebenden Nasenflügeln war sie die personifizierte brennende Ungeduld.

      »Übrigens hat es ja in seiner Hand gelegen, mich zu bekehren – wie hätte ich ihn dann verteidigen wollen mit Mund und Feder!« fuhr sie fort, während sich ihre feinen Finger in das rasselnde Geflecht verdorrter Schlingpflanzen verstrickten. »Aber er hat es vorgezogen, auf meine erste und einzige dahinzielende Frage stolz wie ein Spanier mit einem Eisesblicke zu antworten –«

      »Diese Antwort sollte Dir genug sein –«

      »Ganz und gar nicht, mein lieber Moritz; ich finde sie sehr bequem und wohlfeil, und in Bezug auf sprechende Blicke und Gesten bin ich skeptisch – ich verlange mehr. … Aber ich will Dir zeigen, dass mir der gute Wille nicht fehlt, indem ich Dir hiermit noch einmal wiederhole, was ich gleich zu Anfang verlangt habe: Beweise mir und der Welt, dass er seine Schuldigkeit getan hat, denn Du warst Zeuge!«

      Er trat rasch von der Türschwelle zurück und legte die Hand schützend über die Augen – das Sonnenlicht, das den Balkon grell überströmte, belästigte ihn unerträglich. »Du weißt allzu gut, dass ich das nicht in der Weise kann, wie Du es forderst – ich bin kein Mediziner«, versetzte er mit tief herabgedrückter Stimme; sie verlor sich fast in einer Art von Murmeln.

      »Kein Wort mehr, Moritz!« rief Henriette. An ihrem Körper bebte jede Fiber. »Mit jedem Verteidigungsversuch gibst Du zu, dass diese edle Braut einen Anschein von Berechtigung für sich hat, feig und wankelmütig zu sein.« Ihre großen Augen, in denen das innere Fieber aufglühte, richteten sich hasserfüllt auf das schöne Gesicht der Schwester. »Im Grunde kann man nur wünschen, dass Deine grausamen Manöver möglichst rasch zum Ziele führen möchten, das heißt – sei es endlich einmal in dürren Worten ausgesprochen – dass er in Folge Deiner sichtlichen Entfremdung freiwillig das  Verhältnis lösen hilft; denn er verliert wahrlich nichts an Deiner kalten Seele, die sich nur an äußere Erfolge klammert, aber er liebt Dich und wird weit eher mit vollem Bewusstsein in eine unglückliche Ehe gehen, als sich von Dir trennen – das beweist sein ganzes Verhalten –«

      »Leider«, warf Flora über die Schulter herüber ein.

      »Und aus dem Grunde werde ich zu ihm stehen und Deine Machinationen vereiteln, wo ich kann«, vollendete Henriette mit zuckenden Lippen und gesteigerter Stimme.

      Der mitleidige Seitenblick, mit welchem Flora das tieferregte gebrechliche Mädchen langsam maß, funkelte förmlich in grausamem Spott, aber es war auch, als käme ihr bei dieser Musterung eine überraschende Erkenntnis; sie legte plötzlich den rechten Arm um Henriettens Schultern, zog die Widerstrebende an sich heran und flüsterte ihr mit einem sardonischen Lächeln ins Ohr: »Beglücke Du ihn doch, Kleine! Ich werde ganz gewiss keinen Einspruch erheben – davor bist Du sicher.«

      Bis zu welchem frevelhaften Übermute konnte sich doch solch eine eitle Frauenseele versteigen, die sich gefeiert und heiß begehrt wusste! Käthe stand nahe genug, um das Gezischel zu verstehen, und so passiv sie sich auch bisher verhalten, jetzt sprühte ein ehrlicher Zorn aus ihren Augen.

      Flora fing den Blick auf. »Schau, was das Mädchen für ein Paar Augen machen kann! Verstehst Du denn keinen Spaß, Käthe?« sagte sie halb amüsiert, halb betroffen. »Ich tue Deinem verhätschelten Pflegling nichts, obschon ich das gute Recht hätte, Henriettens kleine Bosheiten endlich einmal derb abzufertigen. … Diese zwei Menschen«, sie zeigte auf den Kommerzienrat und Henriette, »bilden sich ein, über meine Sitten wachen zu müssen, und Du Jüngstes, eben aus dem Pensionsnest geschlüpft, Häkel- und Stricktouren und ein paar französische Brocken im Kopfe, hältst sofort zu ihnen und machst Fronte gegen mich – Närrchen, meinst Du wirklich ein Urteil über Deine Schwester Flora zu haben?« Sie lachte belustigt auf und streckte die Hand gegen einen der Nussbäume aus, von welchem eben eine Taube emporflog; der blendendweiße Vogel stieg hoch in den flimmernden Himmel hinein. »Siehst Du, Kleine, eben noch hockte sie neben den anderen auf dem Aste dort, und die anderen waren Ihresgleichen – und jetzt werfen ihre ausgebreiteten Flügel förmlich Silberfunken, und in der einsamen blauen Höhe wird sie eine selbstständige stolze Erscheinung für die Menschenaugen drunten. Vielleicht lernst Du dermaleinst verstehen, auf welche feurige, dürstende Menschenseele das Bild passt. Apropos, Moritz«, unterbrach sie sich lebhaft und winkte den Kommerzienrat zu sich heraus auf den Söller, »dort hinter dem Gehölze muss ja wohl Brucks Akquisition, das alte Wirtschaftsgebäude, liegen – ich sehe starken Rauch über den Bäumen –«

      »Aus dem einfachen Grunde, weil Feuer auf dem Herde brennt«, versetzte lächelnd der Kommerzienrat; »die Tante Diakonus zieht seit gestern ein.«

      »In das verwahrloste Nest, wie es ist?«

      »Wie es ist. Übrigens war der Schlossmüller ein viel zu guter Wirt, um seine Gebäulichkeiten verfallen zu lassen; in dem Hause fehlt kein Nagel, kein Ziegel auf dem Dache.«

      »Nun, Glück zu! Im Grunde ist die Sache so übel nicht. Die vorweltlichen Ausstattungsmöbel der Tante und das Bild des seligen Diakonus passen an die Wände. Platz genug für die Einmachbüchsen und das Backobst wird ja auch da sein, und das Scheuerwasser fließt direkt und unerschöpflich am Hause vorbei.« Sie affektierte einen leichten Nervenschauer und nahm wie unwillkürlich den reichgarnierten Kleidersaum auf, als fühle sie sich plötzlich auf einen frischgescheuerten Dielenboden versetzt. »Es wird gut sein, die Türen zu schließen«, sagte sie rasch in das Zimmer zurücktretend; »der Wind trägt den Rauch und Dampf herüber. Puh –« ihre feinen Nasenflügel vibrierten; sie fuhr mit dem Taschentuche durch die Luft – »ich glaube wahrhaftig, die gute Frau bäckt ihre unvermeidlichen Pfannenkuchen, noch ehe sie einen Stuhl zum Niedersitzen im Hause hat – sie kann nun einmal das Schmoren und Backen nicht lassen.« Damit schlug sie die Türflügel zusammen.

      Währenddem hatte Henriette still das Zimmer verlassen. Bei Floras Geflüster war sie in jähem Aufschrecken emporgefahren wie jemand, der sich, plötzlich erwachend, vor einem tiefen Abgrunde findet. Seitdem hatte sie kein Wort mehr gesprochen, und nun war sie hinaufgestiegen in das oberste Gelass des Turmes, wo die Tauben und Dohlen nisteten. Käthe griff nach ihrem Sonnenschirme – sie wusste, dass die Kranke stets allein sein wollte, wenn sie sich stillschweigend aus dem Kreise der anderen entfernte – das Turmzimmer aber mit den dicken Wänden, der erdrückenden Pracht und der gebieterisch auf- und abrauschenden, kapriziösen Schwester erschien ihr beklemmend unheimlich; war es doch, als fliege der Zündstoff zu Streit und Reibereien unausgesetzt durch die Luft, in der Flora atmete. Das junge Mädchen beschloss deshalb, rasch einen Gang zu Suse zu machen.

      »Nun meinetwegen, da gehe in Deine Mühle«, rief der Kommerzienrat ärgerlich, nachdem er vergeblich versucht hatte, sie zurückzuhalten, »aber erst sieh’ hierher!« Er zog seitwärts an einem schweren Gobelinbehange – dahinter, in einer tiefen Mauernische, stand ein neuer Geldschrank. »Der gehört Dir, Du Gebenedeite; das ist Dein ›Bäumlein rüttle Dich, wirf Gold und Silber über mich!‹« sagte er, und seine Hand glitt förmlich liebkosend über das kalte Metall. »Alles, was Dein Großvater an Haus und Hof, an Wald und Feld besessen hat, da drin liegt es, in Papier verwandelt. Diese Papiere arbeiten bienenfleißig Tag und Nacht für Dich. Sie ziehen unglaubliche Geldströme aus der Welt in diesen stillen Winkel. … Der Schlossmüller hat seine Zeit wohl begriffen – das beweist sein Testament; aber wie fabelhaft seine Hinterlassenschaft in der Form anwachsen wird, das hat er schwerlich geahnt.«

      »Sonach bist Du auf dem besten Wege, die erste Partie im Lande zu werden, Käthe – kannst wie im Märchen zu Deinem Hochzeitsmahl den Speisesaal mit harten Talern pflastern lassen«, rief Flora herüber; sie lehnte wieder zwischen den Polstern des Ruhebettes und hatte ein Buch in die Hand genommen. »Schade um das Geld! Schau, Du musst nicht böse sein, Kind, aber ich fürchte, Du bist moralisch allzu viel gedrillt worden, um mit Geist Deinen Goldregen vor der Welt funkeln zu lassen.«

      »Das wollen wir abwarten«, lachte das junge Mädchen. »Einstweilen habe ich noch kein Recht, eigenmächtig auch nur einen Taler da herauszunehmen«, sie zeigte auf den Schrank; »aber in Bezug auf die Schlossmühle möchte ich, wenn auch nur für einen Tag, majorenn sein, Moritz.«

      »Ist sie Dir unbequem, schöne


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