Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola Maybach

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Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman - Viola Maybach


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seiner Jacke ein kleiner Bauch, den er jedoch mit Eleganz und Würde zu tragen wusste. Er war kein eigentlich gut aussehender Mann, dennoch wirkte er auf Frauen überaus anziehend, weil er charmant und lebhaft war, klug und amüsant erzählen, aber auch geduldig zuhören konnte.

      Trotz dieser Vorzüge war er noch immer allein, was nicht nur er, sondern auch seine Freunde und Bekannten auf seinen Beruf schoben: Keine Frau mochte es, wenn ihr Mann zu den unmöglichsten Zeiten Dienst hatte und oft genug mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt wurde. Ganz abgesehen davon, dass er sich sehr veränderte, wenn ein Fall ihn stark beschäftigte – dann verwandelte er sich unversehens in einen stillen und verschlossenen Menschen. So war es auch zu erklären, dass er in recht jungen Jahren bereits Kriminalrat geworden war – es hatte nicht nur mit seinem scharfen Verstand, sondern auch mit seinem unbedingten Arbeitswillen zu tun.

      »Du weißt genau«, sagte er jetzt, »dass ich einem solchen Angebot unmöglich widerstehen kann. Pferde sind noch immer meine ganze Leidenschaft – nur fehlt mir normalerweise leider die Zeit dafür.«

      Während die beiden Männer ihren langsamen Rundgang durch die Ställe begannen, berichteten sie einander, was sie seit ihrem letzten Treffen erlebt hatten. Dabei machten sie immer wieder vor einzelnen Boxen Halt, weil der Baron sei-

      nem Gast die Gelegenheit geben wollte, die jeweiligen Pferde zu bewundern. Irgendwann fragte der Kriminalrat: »Und Chris? Wie geht es ihm jetzt, nachdem etliche Monate seit dem Unglück vergangen sind?«

      Er spielte damit auf das tragische Ende von Christians Eltern an: Das Fürstenpaar von Sternberg war bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Seitdem war Christian Vollwaise und lebte in der Familie von Kant – Sofia war eine Schwester seiner Mutter gewesen.

      »Wir sind stolz auf ihn«, antwortete der Baron schlicht. »Er ist natürlich stiller geworden, auch reifer.«

      »Wenn man mit fünfzehn Jahren beide Eltern verliert«, murmelte Ulrich, »kann einen das vollkommen aus der Bahn werfen, glaube ich.«

      »Ja, aber das ist zum Glück nicht passiert«, erwiderte Friedrich. »Wir haben Angst genug um ihn gehabt – zum Beispiel, dass er depressiv werden könnte, Uli.«

      »Die Gefahr bestand sicher auch.«

      »Vielleicht. Aber er ist stark, und er hat seine eigene Methode entwickelt, die Erinnerung an seine Eltern zu pflegen.«

      »Methode?«, fragte Ulrich verwundert.

      Der Baron lächelte. »Er besucht seine Eltern jeden Tag auf dem Familienfriedhof und erzählt ihnen, was ihn bewegt.«

      »Er redet mit ihnen? Laut?«

      »Nein, in Gedanken. Togo, sein Boxer, begleitet ihn. Chris bleibt meistens eine Viertelstunde auf dem Hügel, dann kommt er zurück und macht in der Regel einen ruhigen und gefassten Eindruck. Man könnte es vielleicht mit der Wirkung einer Meditation vergleichen.«

      Sie verließen den Pferdestall und sahen unwillkürlich hinüber zu dem kleinen Hügel, der sich am Rande des Schlossparks erhob: Dort wurden seit Generationen alle Familienmitglieder bestattet.

      »Nennen ihn die Leute noch immer ›der kleine Fürst‹?«, erkundigte sich Ulrich.

      »Ja, natürlich. Das wird sicher auch so bleiben, bis er volljährig ist.«

      »Und damit der nächste Fürst von Sternberg«, murmelte Ulrich.

      »Lass uns zurückgehen«, schlug der Baron vor. »Du hast doch Sofia und die Kinder noch gar nicht begrüßt – oder?«

      »Nein, nur Herrn Hagedorn«, erklärte Ulrich. »Danke für den Rundgang, Fritz – es war mir ein großes Vergnügen.«

      In bestem Einvernehmen machten sich die beiden Männer auf den Weg zum Schloss.

      *

      »Bist du allein, Papa?«, fragte Lorenz.

      Baron Moritz zu Hirtenberg schnappte hörbar nach Luft. »Ja!«, rief er. »Wo bist du, Lorenz? Was steckt hinter dieser ganzen Geschichte? Wenn du wüsstest, was wir uns deinetwegen für Sorgen machen …«

      Lorenz unterbrach ihn. »Ich kann nicht lange reden, Papa. Und ich werde, was geschehen ist, auch nur dir erklären, keinem Menschen sonst. Also, hör mir zu!«

      Moritz wollte etwas erwidern, doch die nächsten Worte seines Sohnes ließen ihn verstummen. Je länger er zuhörte, desto blasser wurde er, seine Augen füllten sich mit Tränen, schließlich fing er an zu zittern.

      »Das ist alles«, sagte Lorenz endlich. »Ich dachte mir, du solltest es wissen. Und ich hoffe, du ziehst die Konsequenzen, damit das, was ich getan habe, wenigstens nicht umsonst gewesen ist.« Ohne weiteres Wort beendete er das Gespräch.

      »Lorenz!«, rief Moritz, doch die Leitung war bereits tot. Mit bebenden Fingern legte er das Telefon auf den Tisch, dann schlug er beide Hände vors Gesicht.

      So fand ihn wenig später seine Frau. »Moritz, was ist denn passiert?«, rief Maria zu Hirtenberg und eilte zu ihrem Mann. Sie kniete sich neben seinen Stuhl, umfing ihn mit beiden Armen. »Moritz, bitte, rede doch mit mir.«

      Zunächst sah es so aus, als hätte er ihre Frage nicht einmal gehört, doch endlich ließ er die Hände sinken und sah sie an. Sie erschrak, als sie den Ausdruck in seinen Augen sah. »Was ist passiert?«, wiederholte sie leise und voller Angst. Eine plötzliche Ahnung verriet ihr, dass ihr Leben sich von Grund auf ändern würde, sobald er ihre Frage beantwortete.

      Er fing an zu reden – stockend zunächst. Immer wieder suchte er nach den richtigen Worten, fand sie nur mühsam. Nach einer Weile sprach er flüssiger, schneller, freier.

      Ihr wurde das Herz immer schwerer, je länger sie ihm zuhörte. Vieles, das sie in der Vergangenheit nicht verstanden hatte, wurde ihr jetzt schlagartig klar. Es war, als erhellte ein greller Blitz alles, was bisher im Dunkeln gelegen hatte. Oder war sie einfach nur blind gewesen?

      Als er schwieg, blieb es lange still, bis Moritz zaghaft fragte: »Wirst du mir jemals verzeihen können, Maria?«

      Sie sah ihn an mit einem Blick, der ihn die Augen verlegen niederschlagen ließ. »In guten wie in schlechten Tagen, Moritz«, erwiderte sie leise. »Bis dass der Tod uns scheidet.« Sie umarmte und küsste ihn, dann stand sie auf und setzte sich ihm gegenüber. »Das muss aufhören, Moritz«, sagte sie ruhig. »Und zwar sofort.«

      Er nickte. Seine Augen waren gerötet, das fiel in seinem blassen Gesicht noch stärker auf. Innerhalb weniger Minuten schien er um Jahre gealtert zu sein. »Ja«, bestätigte er, »ich weiß. Eigentlich weiß ich es schon lange, aber bisher hat mir die Kraft gefehlt.«

      »Und jetzt?«

      »Wenn ich es jetzt nicht schaffe, schaffe ich es nie, Maria. Ich weiß auch schon, was ich tun werde.«

      Als er ihr seinen Plan schilderte, nickte sie nur, aber sie wusste: Mehr als ein Plan war es nicht.

      Noch hatten sie nichts erreicht.

      *

      »Marie«, sagte Eberhard Hagedorn, der langjährige Butler auf Schloss Sternberg, »Kriminalrat von Wandel wird heute Abend zum Essen bleiben.«

      »Ausgerechnet heute«, murmelte Marie-Luise Falkner. »Ausgerechnet, Herr Hagedorn!« Sie wirkte geradezu verzweifelt. In den letzten Jahren hatte die junge Köchin die Sternberger Küche weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt gemacht, weil sie einfallsreich kochte und sich erst zufrieden gab, wenn ein Gericht so schmeckte, wie sie es sich vorgestellt hatte.

      Der alte Butler sah sie verwundert an. »Sonst freuen Sie sich doch immer über eine Herausforderung«, stellte er fest. »Und heute beklagen Sie sich? Das habe ich ja bisher noch nie erlebt!«

      »Ich beklage mich, weil mir zwei Hilfen in der Küche ausgefallen sind!«, rief sie. »Wie soll ich denn ein erstklassiges Menü auf die Beine stellen, wenn ich es ganz allein machen muss? Bei genügend Zeit ist das kein Problem, aber wenn das Essen innerhalb von zwei Stunden serviert werden soll …« Sie sah aus,


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