Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola Maybach
Читать онлайн книгу.dass sie einsteigen konnte.
Als sie den Parkplatz verließ, sah sie ihn noch immer unbeweglich an derselben Stelle stehen und ihr mit seinem Blick folgen. Es war ein Bild, das ihr Unbehagen einflößte.
Später, als sie Lucie davon erzählte, sprach ihre Freundin aus, was sie selbst auch schon gedacht hatte: »Das kann kein Zufall sein, Lara. Zuerst taucht er bei deiner Hochzeit auf – und jetzt fährt er angeblich deinen Wagen an. Der will was von dir.«
»Aber was?«, fragte Lara.
»Vielleicht ist er in dich verliebt«, mutmaßte Lucie.
»Er kennt mich doch überhaupt nicht, Lucie!« Lara schüttelte den Kopf. »Es muss etwas anderes sein, aber ich habe keine Ahnung, was.«
»Dann nimm seine Einladung an, sonst kriegst du es nämlich nie heraus.«
»Meinst du?«
»Ja, sicher meine ich das. Was willst du denn sonst tun? Wenn du ihn nicht an dich heranlässt, kannst du ihm keine Fragen stellen.«
»Er macht nicht den Eindruck, als hätte er die Absicht, meine Fragen zu beantworten, Lucie.«
»Dann musst du eben klüger sein als er und ihn geschickt aushorchen.«
»Wenn es stimmt, was man sich über ihn erzählt …« Lara brach ab.
»Du meinst, wenn es stimmt, dann ist er gefährlich?«
Lara nickte.
»Ich glaube schon, dass er gefährlich ist, wenn man seine Pläne durchkreuzt – seine geschäftlichen Pläne. Aber das hast du ja nicht vor.«
»Ich weiß nicht, was ich vorhabe, Lucie. Ich will eigentlich nur wissen, ob es Zufall war, dass er innerhalb kürzester Zeit plötzlich zwei Mal in meinem Leben auftaucht. Aber wenn ich ihm diese Frage stelle, wird er sie mir sicherlich nicht ehrlich beantworten.«
»Versuch es trotzdem«, riet Lucie. »Und weißt du, warum? Weil wir keine bessere Idee haben.«
Dieser Einschätzung konnte Lara nicht widersprechen, und so nickte sie endlich ergeben. »Also gut, ich treffe mich mit ihm – aber nicht sofort. Ein paar Tage lang soll er ruhig zappeln.«
Lucie schüttelte den Kopf. »Das heißt dann, dass wir ein paar Tage lang nichts Neues erfahren, Lara. Gib deinem Herzen einen Stoß und ruf ihn gleich morgen an, damit wir weiterkommen. Es kann doch sein, dass er sich irgendwie verplappert.«
»Im Leben nicht«, murmelte Lara. »Außerdem stellen wir hier nur Vermutungen an, Lucie. Kann ja sein, dass das alles kein Zufall ist, aber was hat sein Auftauchen mit Lorenz zu tun? Auf diese Frage werden wir keine Antwort bekommen.«
»Abwarten und Tee trinken«, erwiderte Lucie.
Wenig später klingelte das Telefon, es war Lorenz’ Mutter. »Lara, Moritz und ich möchten dir noch einmal sagen, wie leid uns tut, was passiert ist …«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich hoffe sehr, dass unser gutes Einvernehmen dadurch nicht getrübt wird. Du bist noch immer wie eine Tochter für uns, das sollst du wissen.«
»Das weiß ich doch, Maria«, sagte Lara. »Und ich weiß auch, dass Lorenz mich liebt.«
Unterdrücktes Schluchzen antwortete ihr.
»Wein doch nicht«, bat Lara. »Ich bin sicher, dass wir irgendwann erfahren, warum Lorenz sich so verhalten hat. Ich jedenfalls glaube an ihn.«
»Gott segne dich, Kind«, sagte Maria zu Hirtenberg leise. »Moritz und ich, wir werden für eine Weile verreisen. Unter anderem rufe ich an, um mich von dir zu verabschieden.«
»Verreisen?«, fragte Lara überrascht.
»Ja, wir … wir brauchen eine Luftveränderung. Aber sobald wir zurück sind, melden wir uns. Alles Gute, Lara.«
»Danke für deinen Anruf, Maria.« Nachdenklich legte Lara das Telefon auf den Tisch.
»Sie verreisen?«, fragte Lucie. »Habe ich das richtig verstanden?«
»Ja, hast du. Wahrscheinlich halten sie die ewigen Fragen nach dem Warum und Wieso nicht aus.«
»Oder sie wissen mehr als du und ich«, erwiderte Lucie nach einer Weile.
»Glaubst du das?«
»Glauben ist zu viel gesagt, aber ich sehe es als eine Möglichkeit an.«
Daraufhin verstummte Lara erst einmal. »Könnte sein«, gab sie endlich zu.
»Du solltest sie danach fragen, sobald sie zurückkommen.«
»Sie hätten es mir doch längst sagen können, wenn sie das gewollt hätten, Lucie.«
»Stimmt auch wieder. Allmählich weiß ich nicht mehr, was ich denken soll.«
Lara nickte nachdenklich, ihr ging es genau so.
*
»Drogen- und illegaler Waffenhandel, Erpressung, Geldwäsche«, zählte Ulrich von Wandels Mitarbeiter Andreas Wolle auf. Er war ein drahtiger Mann von Mitte Zwanzig mit kurz geschorenen braunen Haaren und dem Eifer desjenigen, der noch nicht aufgrund vielfacher Enttäuschungen resigniert hat. »Außerdem noch Betrug und ein paar kleinere Delikte aus früheren Jahren, als er noch kein so großer Boss war. Heutzutage hält er sich ja mit Kleinigkeiten nicht mehr auf, die bringen ihm nicht genug ein.«
»Beachtliche Karriere«, murmelte Ulrich. »Und wir haben noch immer nichts gegen ihn in der Hand.«
»Noch immer ist nicht ganz korrekt ausgedrückt, Herr von Wandel. Der Mann ist ja erst vor einem Jahr ins Visier der Fahnder geraten – bis dahin hatte niemand ihn im Verdacht, dass er an ungesetzlichen Handlungen beteiligt sein könnte. Und ein Jahr ist bei einem Mann seines Kalibers nicht besonders viel.«
Das musste Ulrich zugeben. Nachdenklich murmelte er: »Michael von Angern …«
»Der Adelstitel ist falsch«, erklärte Andreas Wolle. Er strahlte bei dieser Mitteilung über das ganze Gesicht, denn das immerhin war eine neue Erkenntnis, die er erst am vergangenen Abend nach langen Recherchen gewonnen hatte. »Das ›von‹ hat er irgendwann dazu gemogelt. Michael Angern ist sein richtiger Name, aber er hat sich selbst schon früh geadelt, und niemand hat seinen Titel angezweifelt. Macht der Gewohnheit, würde ich sagen. Ganz schön dreist, aber er ist damit bis jetzt durchgekommen.«
»Was haben Sie sonst noch über ihn in Erfahrung gebracht?«, erkundigte sich Ulrich.
»Nicht viel«, bedauerte Andreas Wolle. »Wie gesagt, all die eben aufgezählten Delikte werden ihm zur Last gelegt, für keines haben sich bisher Beweise gefunden, aber das wussten Sie ja schon.«
»Glauben Sie, dass er zufällig bei der geplanten Hochzeit in der Kirche war?«
»Auf keinen Fall! Angern überlässt nichts dem Zufall, er ist ein akribischer Planer, der sich um jede Einzelheit selbst kümmert, dafür ist er geradezu berüchtigt. Die Leute, mit denen er zusammenarbeitet, haben deshalb ja auch alle Angst vor ihm – er kommt der geringsten Nachlässigkeit auf die Spur, heißt es, und er lässt nichts durchgehen. Wer von ihm bei einem Fehler ertappt wird, muss sich warm anziehen.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Wir haben ein paar Informanten in seiner Nähe.«
Ulrich warf seinem jüngeren Mitarbeiter einen scharfen Blick zu. »Sind die zuverlässig?«
»Absolut, ja«, beteuerte Andreas Wolle.
»Dann machen Sie weiter, aber seien Sie vorsichtig. Ich will nicht, dass er misstrauisch wird. Wenn er sich sicher fühlt, wird er vielleicht irgendwann nachlässig.«
»Am besten wäre es, wenn er sich verlieben würde«, flachste Andreas Wolle. »Es heißt doch immer, verliebte Männer sind am ehesten verwundbar.«
»Hat er keine Frau?«
»Immer mal wieder taucht er mit einer auf, aber die halten sich nicht