Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
Читать онлайн книгу.ist hier.« Elonie zog das inmitten des Tisches stehende Gedeck zu sich heran.
Während man Platz nahm, sagte die Hausdame entschluldigend:
»Es ist nämlich gar nicht so einfach, sich in einem fremden Haus ohne Einführung zurechtzufinden. Daher fürchte ich, manches verkehrt gemacht zu haben, hauptsächlich in Ihren Zimmern, gnädige Frau, die ja unbedingt gesäubert werden mußten. Dabei kann etwas verkehrt gestellt worden sein.«
»Wenn schon!« Elonie winkte hastig ab. »Die Fehler lassen sich leicht in Ordnung bringen.«
»Das beruhigt mich, gnädige Frau.«
»Und ich möchte Sie bitten, das ›gnädige‹ bei meiner Frau zu verschlucken«, sagte Brendor lachend. »Sie ist noch zu jung, um sich von einer – Pardon – älteren Dame so ansprechen zu lassen. Bist du nicht auch der Ansicht, Elonie?«
»O ja«, erwiderte sie verlegen unter dem Blick der klaren Augen, die so viel Wärme ausstrahlten.
Obwohl die eigenwillige Elonie sich dagegen sträubte, nahm die Art dieser Frau sie mehr und mehr gefangen Sie hatte sich doch fest vorgenommen, der Hausdame von vornherein die Herrin zu zeigen, damit diese gleich wußte, woran sie bei ihr war.
Und nun? Nun hatte sie sogar Hemmungen dieser wirklichen Dame gegenüber. Diese würde sie höchstens um etwas bitten können, aber ihr nie Befehle erteilen – und somit genausowenig Herrin im Hause sein, wie sie es bei der Bose gewesen war.
Allein, darin sollte sie sich täuschen. Frau von Gehldorn respektierte durchaus in ihr die Gebieterin, und für die Dienerschaft war sie höchste Instanz. Wie ein guter Geist waltete die Hausdame still und unauffällig, und doch spürte man überall ihre straffen Zügel. Im Hause wickelte sich alles reibungslos ab. Pünktlichkeit und Ordnung waren für die Dienerschaft höchstes Gesetz.
Man hatte in diesem Haushalt auch längst nicht so viel Arbeit wie in dem vorherigen. Dort gab es außer dem Ehepaar vier Kinder nebst einem Kinderfräulein, den Senior der Familie, die Mutter der Hausherrin und eine alte Tante. Und alle waren sie sehr anspruchsvoll. Da hieß es für die Dienerschaft, sich hurtig regen. Sonst gab es Verweise oder gar Schelte.
Doch sie hatte es geschafft und empfand daher die Arbeit hier als Kinderspiel. Dazu war der Lohn bedeutend höher; der Zuschnitt des Hauses feudaler, die Herrschaft bedeutend vornehmer und humaner. Was Wunder, wenn die Bediensteten ihren vorzüglichen Posten halten wollten und daher alles taten, um ihre Herrschaft zufriedenzustellen.
In den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr wußte Elonie nichts mit sich anzufangen. Wenn sie wenigstens so wie früher bis elf Uhr hätte schlafen können, dann wäre der Tag nicht so lang geworden. Aber da sie im Doktorhause spätestens um acht Uhr aufgestanden war, wurde sie auch jetzt um die Zeit wach und konnte, so große Mühe sie sich auch gab, nicht wieder einschlafen. Und Hunger hatte sie auch.
Also erschien sie um halb neun unten am Frühstückstisch. Frau von Gehldorn, die um halb acht mit dem Hausherrn zusammen frühstückte, ließ jetzt immer noch ein Plätzchen frei, wie sie lachend sagte, um auch mit der Hausherrin zu essen. Denn allein schmeckte es nun einmal nicht so gut.
Und dieses Frühstücksstündchen wurde Elonie bald so lieb und vertraut, daß sie es nicht mehr missen mochte. Das kleine Zimmer war ihr noch nie so heimelig erschienen wie jetzt, überhaupt ihr ganzes Zuhause nicht. Sie war sich darin immer so fremd vorgekommen, so verlassen und verloren. Hatte sich vor der Bose direkt verkrochen wie vor einer schleimigen Viper. Nun, das war jetzt vorbei, das Haus war von der Viper befreit – Gott sei Dank!
*
Das dachte auch Beate Norber, als sie an einem Vormittag das Brendorhaus betrat und von dem Diener in Empfang genommen wurde. Der gefiel ihr schon bedeutend besser als sein Vorgänger, sogar gut gefiel er ihr, und von Frau von Gehldorn war sie direkt entzückt.
»Ich bin Elonies Tante«, führte sie sich ein. »Was ist denn mit der Kleinen? Die läßt ja gar nichts von sich hören. Ist sie krank? »
»Gottlob nicht, gnädige Frau.«
»Bitte nicht so offiziell«, lachte Beate. »Ich finde meinen Namen Norber auch schön. Schläft Elonie etwa noch?«
»Nein. Sie befindet sich, wie immer um diese Zeit, im Tattersal. Wenn sie gewußt hätte, daß ihr der Besuch der geliebten Tante bevorstand, hätte sie sich gewiß nicht aus dem Haus gerührt. Sie muß aber bald erscheinen. Indes müssen Sie schon mit mir vorliebnehmen.«
Als sie sich im Wohnzimmer gegenübersaßen, fühlten sie sich mehr und mehr zueinander hingezogen. So zurückhaltend sonst auch beide gegen jeden Fremden waren, kam zwischen ihnen ein Fremdsein gar nicht erst auf. Man spürte sofort, daß man einander vertrauen konnte. Also ging Beate nicht wie die Katze um den heißen Brei, sondern sprach freiweg:
»Ich weiß nicht, wie weit Sie in die Verhältnisse hier eingeweiht sind, Frau von Gehldorn. Aber wie ich meinen Neffen kenne, wird er nicht sehr mitteilsam gewesen sein, stimmt’s?«
»Ja«, wurde lächelnd bestätigt. »Was Herr Doktor Brendor mir sagte, waren nur Stichworte. Trotzdem glaube ich ganz gut im Bilde zu sein. Es gehört kein großer Scharfsinn dazu, mir das Gesagte mit dem Unausgesprochenen zusammenzureimen, da die Ehe ja eine der alltäglichen ist.«
»Wie meinen Sie das, Frau von Gehldorn?«
»Nun, der Mann viel auf Geschäftsreisen, die Frau weiß nichts mit sich anzufangen. Wenn da noch Intrigen um sie gesponnen werden und so weiter – tja, dadurch ist schon manch eine Ehe in die Brüche gegangen. Und diese hier – entschuldigen Sie bitte – hängt wohl auch nur noch an einem seidenen Faden.«
»Leider«, seufzte Beate. »Ist es Ihnen bekannt, daß Elonie ein Vierteljahr in meiner Familie weilte?«
»Ja.«
»Auch – warum das geschah?«
»So mitteilsam war Herr Doktor Brendor nicht.«
»Dann werde ich es Ihnen näher erklären, damit Sie die richtige Einstellung bekommen.«
Kurz erzählte sie, was sich zugetragen hatte, und als sie mit dem Bericht zu Ende war, sagte Frau Irene betroffen:
»So arg habe ich es mir allerdings nicht vorgestellt. Wenn Sie nun nicht wegen der Erbschaftsangelegenheit das Haus Ihres Neffen hätten aufsuchen müssen, wäre da ein junges, verzweifeltes Menschenkind zugrunde gegangen. Also kann man wohl sagen, daß da wieder einmal eine höhere Macht noch gerade so zur Zeit eingegriffen hat. Armes Ding, was mag es ausgehalten haben.«
Weiter kam sie nicht, da Elonie eintrat. Zuerst stand sie da wie erstarrt, doch dann jubelte sie auf:
»Tante Beate, ist das mal eine freudige Überraschung! Du bleibst doch länger, nicht wahr?«
»Zuerst laß mal meinen Hals los«, wehrte sie sich lachend gegen die feste Umschlingung. »Wenn du mich würgst, bleibt mir die Antwort in der Kehle stecken.«
»Entschuldige, Tante Beate – aber ich freue mich doch so sehr. Jetzt bist du frei, nun beantworte meine Fragen, aber enttäusche mich nicht.«
»Über Mittag bleibe ich bestimmt hier. Onkel Fritz mußte nämlich in eurer Stadt zu einem medizinischen Kongreß und nahm mich mit. Die beste Gelegenheit, dir einen Gegenbesuch abzustatten, der eigentlich ein Vierteljahr dauern müßte«, fügte sie lachend hinzu. »Aber rechnen wir für jeden Monat eine Stunde, das genügt auch.«
»Bißchen wenig«, kam es von der Tür her, durch die der Hausherr soeben schritt, distinguiert und selbstbewußt, so der richtige Gebieter. »Guten Tag auch, Tante Beate. Wie nett, daß du dich hierher verirrst.«
»Werde nicht ironisch, mein Sohn.«
»Tante Beatchen, wie dürfte ich das wagen. Wo ist der liebe Onkel Fritz?«
»In diesem Städtchen bei einem Kongreß. Wenn der beendet ist, holt er mich hier ab.«
»Na wunderbar. Aha, da ist ja auch Niklas, um uns zur Futterkrippe zu