Leni Behrendt Staffel 2 – Liebesroman. Leni Behrendt
Читать онлайн книгу.So wurden Lenore nicht nur die Bissen sozusagen in den Mund gezählt, ihr wurden so nach und nach auch sämtliche Hausarbeiten zugeschoben, was ihr nur recht war. Sonst hätte sie ja gar nicht gewußt, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollte.
Sie nahm es gelassen hin, als die Frau ausblieb, die zu Anfang jede Woche einmal zu dem üblichen Hausputz erschienen war. Sie kochte auch und kaufte ein, als Frau Rosalia sich plötzlich so leidend fühlte, so schwindlig und schwach, daß sie sich kaum noch auf die Straße wagte.
Nur wenn es ins Kino ging, ins Café und zu sonstigen Vergnügungen, dann hatte die »Leidende« ihren »guten Tag«, wo sie schon wagen durfte auszugehen, zumal in Begleitung des Töchterchens.
Sie schlief nun auch genau wie dieses bis in den Vormittag hinein. Das heißt, sie stand morgens auf, um ihrem »lieben Jungen« das Frühstück zu bereiten, es auch mit ihm einzunehmen, weil er nun einmal daran gewöhnt war. Doch sobald er das Haus verließ, legte sie sich ins Bett zur wohlverdienten Ruhe.
Von dem allen hatte Ralf keine Ahnung. Ihm genügte es, daß alles so reibungslos verlief. Er war ja auch so wenig zu Hause. Ging morgens fort und erschien zum Mittagessen, sofern im Dienst nichts Besonderes vorlag. Dann begnügte er sich mit einem Imbiß. Im Krankenhaus, wo er auch über Nacht blieb, wenn er Dienst hatte.
Kurz vor Weihnachten bekam man ihn zu Hause kaum noch zu sehen, weil eine heftige Grippeepidemie ausbrach und so die Ärzte alle Hände voll zu tun hatten. Außerdem mußte Ralf noch den Chefarzt vertreten, da dieser sich auf einem Ärztekongreß befand.
Und gerade in der Zeit wurde auch noch Anka krank. In heller Aufregung rief Frau Rosalia den Sohn mitten aus der Arbeit herbei, der die Schwester gründlich untersuchte, jedoch nichts Besonderes festellen konnte. Vorsichtshalber verordnete er Bettruhe, die ja nie schaden konnte.
Und nun hatte die bedauernswerte Lenore auch noch die Schwägerin zu pflegen, die bei dem Schnupfenfieber und anderen leichten Beschwerden ein Lamento machte, in das die vernarrte Mutter natürlich einstimmte.
Ihr armes Kind, was mußte es doch leiden. Und dabei konnte man es noch nicht einmal so richtig pflegen, weil das Geld dazu fehlte. Ja, wenn man nicht diese unseligen Schulden abzahlen müßte.
Das bekam Lenore jeden Tag zu hören, sie stellte sich jedoch taub.
Als sie nach getaner Arbeit endlich zu Bett gehen konnte, fieberte sie stark. Und da das bedauernswerte junge Menschenkind seit seiner Heirat wie an einer Pechsträhne zu kleben schien, war es gar nieht verwunderlich, daß Dr. Skörsen heute Nachtdienst hatte.
Und morgen war Weihnachten, das für Frau Rosalia schon morgens eine gute Bescherung brachte. Denn als sie wie eine Fregatte ins Zimmer segelte, um das »faule Ding« aus den Federn zu jagen, fand sie dieses mit fieberheißem Gesicht vor.
Da blieb ihr denn doch das Wort im Hals stecken. Aber nicht etwa vor Besorgnis, sondern vor Ärger.
Das ausgerechnet heute, wo es alle Hände voll zu tun gab! Am liebsten hätte sie ja die Kranke aus dem Bett gezerrt und sie an die Arbeit getrieben, aber die Angst vor dem Sohn war denn doch zu groß.
»Du machst ja nette Geschichten«, bemühte sie sich einen besorgten Ton anzuschlagen, in dem jedoch der Ärger vibrierte. »Ausgerechnet zu Weihnachten wirst du krank. Ist es arg, soll ich Ralf verständigen?«
»Danke, er kommt gegen Abend ja nach Hause.«
»Wie du willst. Wenn du etwas brauchst, wirst du dich schon melden müssen. Ich habe heute gerade genug zu tun und kann dich nicht noch großartig bedienen.«
Das verlangte Lenore auch gar nicht. Sie war ganz zufrieden, hier unbehelligt liegen und schlafen zu dürfen, was sie denn nach einer Schlaftablette auch tat.
Bis Ralf sie aus diesem Paradies riß. Er sprach erregt. Kein Wunder, da er auf dem Nachttisch die Tabletten entdeckte, die durchaus nicht harmlos waren.
»Lenore, wach auf! Mein Gott, Kind, so wach doch endlich auf!« drang es in ihr noch schlafumnebeltes Hirn. Es waren jedoch nicht die beschwörenden Worte, was sie wach werden ließ, sondern vielmehr das derbe Schütteln.
»Ralf, laß mich doch los, du tust mir weh!«
»Na endlich! Du bereitest mir ja eine schöne Bescherung zum Weihnachtsfest. Wie viele Tabletten hast du geschluckt?«
»Zwei.«
»Du bist wohl nicht recht gescheit! Woher hast du die Dinger überhaupt?«
»Der Arzt verschrieb sie Mutti, die danach immer so wunderbar schlief.
Und das wollte ich auch, ich will es auch noch weiter.«
»Zuerst wirst du dich noch untersuchen lassen.«
»Warum? Mir fehlt doch nichts.«
»Woher denn auch?« versetzte er trocken. »Du fieberst nur und krächzt wie eine Krähe.«
Nachdem er sie untersucht hatte, hellte sich seine besorgte Miene auf.
»Es ist wahrscheinlich nichts weiter als eine Erkältung«, erklärte er auf ihren fragenden Blick, worauf sie sich dann mit tiefem Seufzer auf die Seite legte und erneut dem Schlaf in die Arme sank.
Am liebsten hätte der Gatte es ihr gleichgetan, denn er war zum Umfallen müde. Kein Wunder nach einer aufreibenden Arbeitszeit von sechzehn Stunden.
Aber Mutter und Schwester warteten auf ihn. Außerdem verspürte er Hunger, da er heute kaum etwas gegessen hatte, weil ihm die Zeit dazu fehlte. Also ging er ins Wohnzimmer, wo die Mutter ihn aufgeregt empfing:
»Wo bleibst du nur so lange? Das Essen ist inzwischen wieder kalt geworden.«
»Dann hättest du es erst nach meinem Erscheinen auftragen sollen«, entgegnete er gereizt. Denn er war ja auch nur ein Mensch, dessen Nerven keine Drahtseile waren. Und diese Nerven waren bis zum Reißen gespannt. »Ich mußte doch erst einmal feststellen, was meiner Frau fehlt. Das ging doch wohl vor, oder?«
»Gewiß, gewiß. Was fehlt ihr denn?«
»Sie ist erkältet.«
»Habe ich mir doch gleich gedacht.«
»Trotzdem hättest du mich fernmündlich davon verständigen müssen, daß Lenore erkrankt ist.«
»Sie wollte es nicht haben.«
»Ach was, ein Kranker hat gar nichts zu wollen, das müssen Gesunde für ihn tun.«
»Nun mach mir auch noch Vorwürfe!« weinte die Frau auf. »Wo ich mich heute so abgeschuftet habe.«
»Na ja, ist doch schon gut«, winkte er verlegen ab und würgte dann das Essen hinunter, das nicht nur kalt, sondern auch angebrannt war. Aber wenn der Mensch so richtigen Hunger hat, kommt es ihm mehr auf die Quantität als auf die Qualität an.
Nachdem der knurrende Magen befriedigt war, legte sich auch die Gereiztheit. Die Nerven, die heute ihr Äußerstes hatten hergeben müssen, entspannten sich, und so fand der Mann denn seine gewohnte Gelassenheit wieder.
Inzwischen hatte die Frau Mama ihre »Krokodilstränen« getrocknet und den Baum angezündet, damit »ihr armer Junge doch auch seine Weihnacht haben sollte«, wie sie sich pathetisch ausdrückte. Auch seine Geschenke bekam er, die an denen der Schwester gemessen als etwas karg zu bezeichnen waren.
Allein der bescheidene Mann empfand das gar nicht, er freute sich darüber und überreichte dann seine Geschenke, die auch nicht gerade kostbar waren, weil er ja nicht über viel Geld verfügte.
Es war bezeichnend für Anka, daß sie ihre Enttäuschung nicht unterdrückte, sondern ihr freien Lauf ließ.
»Das ist alles, Ralf? Ich habe mir doch so sehr ein Armband gewünscht – natürlich Gold.«
»Und woher sollte ich wohl das Geld dazu nehmen?« fragte er peinlich berührt. »Du mußt nicht so unbescheiden sein, Anka. Wie ich sehe, hat dir das Christkind sogar einen Pelzmantel beschert.«
»Ach,