Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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die Klinik wieder betrat, und auch vor seinem Krankenzimmer schöpfte sie noch einmal tief Atem.

      Er hob leicht den Kopf, als sie eintrat. »Schön, daß du schon kommst, ich werde nämlich in zehn Minuten zur Untersuchung abgeholt.«

      Sie küßte seine trockenen Lippen. »Vielleicht ist heute ein guter Tag«, sagte sie weich.

      »Dr. Norden hat mich besucht, es war sehr nett. Er nimmt sich wirklich Zeit, das gibt es selten. Du brauchst aber nicht hier zu warten, bis ich von der Untersuchung zurückkomme, mein Liebes.«

      »Ich möchte aber wissen, was dabei herausgekommen ist.«

      »Wir können dann ja noch telefonieren. Du brauchst auch mal Ruhe.«

      »Die habe ich jeden Abend. Ohne dich ist es langweilig zu Hause.«

      »Ist sonst alles in Ordnung?«

      »Alles bestens.«

      »Ist dir nicht bange, wenn du allein in dem Haus bist?«

      »Manchmal ist es schon ein komisches Gefühl, wenn es irgendwo knackt oder der Wind so pfeift, aber Angst habe ich nicht.«

      »Im Büro geht auch alles nach Wunsch?«

      »Nach Wunsch nicht gerade, die zwei Typen, die aus Amerika gekommen sind, sind keine großen Hilfen. Sie fühlen sich hier auch nicht wohl.«

      »Dann schick sie wieder zurück.«

      »Das kann ich doch nicht, Darling.«

      »Sprich mit Mattes, er wird es schon machen.«

      Er kam ihr energischer vor als in den letzten Tagen. Ob das Dr. Nordens Verdienst war? Aber da kam schon Schwester Thilde, um Simon zu holen. Er wurde gleich mit dem Bett zur Untersuchung gefahren, und Mary Ann begleitete ihn noch dorthin, wo sie von Professor Leine mit größter Zuvorkommenheit begrüßt wurde.

      Es war ihr fast peinlich, weil es tatsächlich so aussah, als hätte er ein persönliches Interesse an ihr, und sie war froh, daß Simon ihn nicht sehen konnte.

      Sie gab Simon einen zärtlichen Kuß. »Wir telefonieren nachher«, sagte sie und nickte dem Professor nur zu.

      Schwester Thilde schien leicht irritiert zu sein, aber jetzt entfernte sich Mary Ann sehr schnell. Sie fuhr nach Hause.

      Kaum hatte sie Teewasser aufgesetzt, da läutete es, und siehe da, das Ehepaar Zander stand vor der Tür.

      Hätte ich es heute nur nicht beschrieen, dachte Mary Ann. Aber sie brachte ein höfliches Lächeln zustande.

      »Sie wohnen ja tatsächlich hier«, sagte Charlotte Zander anzüglich.

      »Simon liegt noch immer in der Klinik«, kam die kühle Erwiderung.

      »Wir wollten ihn besuchen, aber er wurde gerade untersucht«, erklärte Alfred Zander. »Wie steht es denn um ihn?«

      »Er macht erfreuliche Fortschritte. Am besten wird es sein, Sie rufen in der Klinik vorher an, wann Sie ihn besuchen können.«

      »Wir dachten, hier mal nach dem Rechten zu sehen, aber da Sie ja hier wohnen, wird schon alles in Ordnung sein.«

      »Worauf sich Simon verlassen kann. Es ist auch alles vorhanden, was ins Haus gehört«, fügte sie spöttisch hinzu.

      »Sie mißverstehen unser Interesse, wir würden Sie gern kennenlernen, da Sie ja anscheinend die Nachfolgerin unserer Tochter sind«, sagte Charlotte betont.

      »Sie sollten sich besser bei Simon erkundigen, welche Rolle ich spiele. Ich möchte betonen, daß ich eine unabhängige, selbständige Frau bin und nicht etwa von Simon ausgehalten werde.«

      Das Ehepaar hatte indessen schon einige Erkundigungen eingezogen und mehr Gutes erfahren, als ihnen lieb war. Deshalb waren sie ja doppelt neugierig.

      Mary Ann dachte jedoch nicht daran, sich auf eine längere Unterhaltung mit ihnen einzulassen.

      »Sie müssen mich bitte entschuldigen, aber ich muß heute abend noch zu einer Besprechung«, erklärte sie.

      »Ich werde Simon gern ausrichten, daß Sie hier waren.«

      Konsterniert und verärgert entschwand das Ehepaar grußlos, was Mary Ann aber nichts ausmachte. Sie konnte sich aber vorstellen, daß sie draußen auf der Lauer lagen, um sich zu überzeugen, ob sie das Haus tatsächlich verließ, aber sie konnten ruhig merken, daß sie nur eine Ausrede gebraucht hatte, um sie los zu werden. Sie hoffte nur, daß sich Simon nicht auch mit ihnen herumärgern mußte.

      Sie mußte unwillkürlich wieder über seine Beziehung zu Sabine nachdenken. Wahrscheinlich war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, daß er ihre Eltern mitheiratete, als er sich in die hübsche Sabine verliebte. Es war typisch für beruflich sehr engagierte Männer, daß sie in bezug auf Frauen spontane Entscheidungen trafen. Manchmal ging das ja auch gut, und bestimmt dachte keiner daran, daß sie schon nach kurzer Zeit der Tod wieder trennen konnte. Wahrscheinlich hätte diese Ehe sowieso keinen Bestand gehabt, weil sich die Eltern dauernd eingemischt hätten und Sabine sich nie ganz von ihnen gelöst hätte.

      Um sich auf andere Gedanken zu bringen, schaltete Mary Ann den Fernseher an. Es kam ein Rate-Quiz, das ihr Spaß machte. Zweimal hatte sie es auch mit Simon angeschaut, der dafür aber nur ein müdes Lächeln hatte, weil er alles wußte. Jetzt, da sie wußte, daß er noch in einem bescheidenen Milieu aufgewachsen war, wunderte sie sich, woher er soviel Wissen bezogen hatte, während in der Gegenwart immer mehr darüber geredet wurde, wie sehr es den jungen Leuten an Allgemeinbildung mangelte. Man redete immer von der Erbmasse, von der Erziehung, aber so konnte das wohl auch nicht stimmen, denn nicht nur Simon, sondern auch sehr viele Intellektuelle hatten nicht die Voraussetzungen gehabt, die die Reichen ihren Kindern verschaffen konnten auf den teuersten Privatschulen, denen es auch egal war, wie lange ihre Sprößlinge dann studierten, um wenigstens sagen zu können, daß sie studiert hätten. In den meisten Fällen brauchten sie sich im Leben ja nie selbst zu beweisen, sondern konnten ihren Hobbys und Vergnügungen leben, weil genügend Geld dafür vorhanden war.

      Mary Ann war nur halb bei der Sache bei dem Quiz, aber sie mußte lachen, als ein Lehrer an einer ganz einfachen Geographiefrage scheiterte und dann sagte, daß dies nie sein Fach gewesen sei.

      Jetzt konnte Mary Ann aber ganz begreifen, daß sich Simon Sorgen um seine Zukunft machte, da er immer auf sich allein gestellt gewesen war auf seinem Weg nach oben. Sie begriff auch, daß er zuviel Charakter hatte, um mit ihrem Geld Sicherheit zu erhoffen.

      Geld hatte in ihrem Leben keine wichtige Rolle gespielt, aber jetzt konnte sie sich doch an den Gedanken gewöhnen, daß man sich damit Vorteile verschaffen und das Leben leichter machen konnte.

      Davon konnte sie Simon nicht überzeugen, jedenfalls noch nicht. Aber war er jemals zu überzeugen, wenn er von dem Baby erfuhr?

      Sie wollten immer aufrichtig zueinander sein, das hatten sie sich versprochen. Aber sie hatte ihm das Baby verheimlicht, und wenn es auch edle Motive gewesen waren, sie zweifelte, daß er es verstehen würde. Mit jedem Tag, der verging, würde alles schwieriger werden, wenn man es ihr erst ansah.

      Sie befand sich in einer Zwickmühle, aber aus der konnte ihr niemand heraushelfen, nur sie selbst.

      Und was dann? Das war die Frage, die sie sich immer wieder stellte.

      Das Gespräch zwischen Dr. Norden und Simon hatte ihr die Entscheidung auch nicht erleichtert, und dann noch dieses Ehepaar Zander, das sich immer wieder in Erinnerung bringen mußte.

      War es nicht das Beste, sie würde wieder nach Amerika fliegen, weit genug weg von allem, bis sie ihr Baby zur Welt gebracht hatte? Würde ihr Simon nicht verzeihen, wenn es ein gesundes Kind war und sie die Geburt gut überstanden hatte? Aber würde es auch so sein, wie sie es sich vorstellte? Es war noch fünf Monate Zeit, und in diesem fünf Monaten konnte viel geschehen.

      Ein Sturm kam auf, rüttelte an den Fenstern und pfiff ums Haus. Sie zog fröstelnd die Schultern zusammen und ließ die Jalousien herunter, aber die dämpften die Geräusche auch nicht.


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