Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman. Kathrin Singer

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Heimatkinder Staffel 2 – Heimatroman - Kathrin Singer


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kein Versuch, jedenfalls nicht für mich! Tobias ist ein robuster, unkomplizierter Junge. Er wird mit jeder andern halbwegs annehmbaren Mami einverstanden sein, solange du ihm nur die Stange hältst, als sein großer Held und Freund. So, das wär’s! Damit ist die Diskussion beendet, und zwar ein für alle Mal. Wir werden uns in Zukunft nicht aus dem Weg gehen können, denn dir gehört das Haus und ich möchte meinen Großvater nicht im Stich lassen, aber ich wünsche von dir nicht belästigt zu werden.«

      »Belästigt?«, fragte Ulrich fassungslos.

      »Ja – belästigt!«, wiederholte sie eigensinnig in scharfem Tonfall, und ihre Augen sprühten. Dann wandte sie sich abrupt ab, eilte in den Gemüsegarten und begann Unkraut auszurupfen, als hinge ihr Leben davon ab.

      *

      Vierzehn Tage waren seit dieser Auseinandersetzung vergangen. Vierzehn Tage voller Unsicherheit und seelischer Qualen.

      Ulrichs Verzweiflung wuchs. Fast an jedem Nachmittag war er mit Tobias zum Forsthaus hinausgefahren, hatte sich extra viel Zeit genommen und seine Arbeit in der Firma mehr und mehr vernachlässigt. Olaf Neumann, der Heimleiter, ahnte glücklicherweise noch nicht, dass die Verlobung geplatzt war. Andernfalls hätte er die Ausflüge mit dem Jungen sicher nicht mehr gestattet. Auch Tobias wusste nichts von dem Damoklesschwert, das über ihm schwebte, denn Bettina verhielt sich ihm gegenüber unverändert herzlich.

      Wie sollte es nur weitergehen? Vierzehn Tage lang hatte Ulrich verzweifelt versucht, eine neue Brücke zu dem geliebten Mädchen zu schlagen. Bettina fühlte sich hintergangen und getäuscht, das konnte er verstehen, aber warum vermochte sie nicht endlich einzusehen, dass er sie wirklich liebte?

      All seine Bemühungen waren vergeblich. Wenn Betti den Kopf mit der ihr eigenen trotzigen Bewegung in den Nacken warf und ihn eisig oder spöttisch musterte, erstarrte Ulrichs Herz.

      Gab es kein Zurück mehr?

      Es erschien Ulrich völlig undenkbar, Tobias jemals wieder zu verlieren. Der Junge war ihm ans Herz gewachsen wie ein eigener Sohn. Irgendetwas musste geschehen, um dem Schicksal in die Speichen zu fallen, um jeden Preis!

      Es kam der Tag, an dem Ulrich zum ersten Mal das zweite Los, das er zusammengefaltet in ein Nebenfach seiner Brieftasche gesteckt hätte, in der Hand hielt. Er musterte das kleine Stück Papier, als könne es jeden Moment explodieren.

      Hatte ihm die Glücksgöttin nicht von vornherein eine zweite Chance zugespielt?

      Aber er liebte Bettina! Wie konnte er mit dieser Liebe im Herzen versuchen, eine andere zu erobern?

      Mit einem schweren Seufzer schob Ulrich das Los wieder in die Tasche. Nein.

      Doch eines Tages, als er Tobias aus dem Heim abholen wollte, stellte sich ihm Olaf Neumann in den Weg.

      »Nun, habt ihr inzwischen geheiratet?«, erkundigte sich der bärtige Heimleiter beiläufig.

      Ulrich schluckte aufgeregt und bemühte sich um Gelassenheit. »Noch nicht.«

      »Es wird aber Zeit, würde ich sagen. Wenn ihr die entsprechenden Adoptionspapiere nicht bald unterschreibt, und zwar als Ehepartner, sehe ich schwarz für euren Antrag.«

      »Natürlich«, murmelte Ulrich und senkte betreten den Kopf.

      »Ich werde mich demnächst persönlich mit Bettina in Verbindung setzen, um ihr die Sachlage zu verdeutlichen.«

      »Nein, das brauchst du nicht, ich werde es selbst tun!«, ereiferte sich Ulrich. Es galt, ein Zusammentreffen zu verhindern!

      »Eine Fürsorgerin wird dem Forsthaus sowieso in Kürze einen Besuch abstatten.«

      »Aber warum denn, wieso denn?«, stammelte Ulrich entsetzt.

      »Das ist üblich. – Ich verstehe deine Erregung nicht. Hast du irgendetwas zu verbergen?«

      »Unsinn!« Ulrich hatte es plötzlich sehr eilig, sich von dem ehemaligen Schulkameraden zu verabschieden.

      Im Forsthaus musste er zutiefst enttäuscht feststellen, dass Bettina nicht daheim war. In letzter Zeit richtete sie es immer häufiger so ein, nicht mit ihm zusammenzutreffen.

      Während Tobias im Garten und auf dem Hof mit dem Kater herumtobte, saßen sich Ulrich und der pensionierte Forstmeister im Wohnzimmer gegenüber. Der Alte setzte seine Pfeife in Brand.

      »Ich gebe die Hoffnung allmählich auf, dass Betti doch noch zur Vernunft kommt«, seufzte Ulrich.

      Der alte Herr nickte betrübt. »Betti verfügt über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, aber andererseits auch über einen schrecklichen Dickschädel. Das war schon als Kind so.«

      Ulrich presste die Faust an die Stirn. »Ich liebe Betti, dass sie das nicht einsehen will!«

      Der alte Forstmeister zuckte die Schultern. »Tja, was soll man machen. Alles könnte so einfach und so schön sein. Einen besseren Mann findet sie nie. Das habe ich ihr auch gesagt. Ihr passt so gut zueinander, ganz fabelhaft. Ihr seid aus dem gleichen guten Holz geschnitzt, nicht zu hart, nicht zu weich.«

      Ulrich spürte, wie es bei diesen Worten des alten Herrn in seiner Kehle würgte. Angestrengt starrte er an die Wand.

      An diesem Abend musste er Tobias ins Heim zurückbringen, ohne Bettina gesehen zu haben, obwohl er seinen Besuch im Forsthaus so lange wie möglich ausgedehnt hatte. Deutlicher konnte sie ihm wohl kaum noch zu verstehen geben, wie sie zu ihm stand. In der Nacht schlief Ulrich wenig. Schweißgebadet wälzte er sich von einer Seite auf die andere.

      Am folgenden Tag wich die tiefe innere Unrast nicht. Im Gegenteil, sie verstärkte sich von Stunde zu Stunde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Behörden Bescheid wussten! Die Sorge um Tobias lag wie eine Zentnerlast auf der Brust des Mannes. Es ging schließlich darum, den Jungen zu retten!

      Er konnte nicht tatenlos abwarten!

      Mehrere Male hielt Ulrich das zweite Los zwischen seinen zitternden Fingern. In seinem Herzen tobte ein heftiger Kampf.

      Endlich gab er sich einen Ruck. Faltete das kleine Papier auseinander.

      Las den Namen: Angelika Thiele.

      Auch dieses Mädchen wohnte nicht in der Stadt, sondern in einem benachbarten Heidedorf.

      Angelika … Während Ulrich reglos an seinem Schreibtisch saß, versuchte er sich diese unbekannte Angelika vorzustellen. Wäre es nicht heller Wahnsinn, dieses Spiel ein zweites Mal zu wiederholen?

      »Nein, ich tue es nicht«, murmelte Ulrich vor sich hin und warf das Los in den Papierkorb.

      Angelika – dieser Name schien ihn wie eine lästige Mücke zu umschwirren. Seine Unruhe steigerte sich mitunter fast zur Panik. Er sprang auf. Irgendetwas musste er unternehmen, um nicht zu ersticken! Er verließ wie gehetzt das Büro und warf sich in seinen Wagen.

      Ehe er es bewusst beschlossen hatte, befand sich Ulrich schon auf dem Weg aus der Stadt. Bald lagen die weiten Heideflächen vor ihm.

      Die Adresse hatte sich wie mit einer Flammenschrift in sein Gedächtnis gegraben.

      Ich will sie wenigstens einmal sehen, diese Angelika, dachte Ulrich immer wieder, vielleicht hat sich das Problem dann von selbst erledigt.

      Er fand eine romantische, aber recht verfallene Kate am Rande des Dorfes. Sonnenblumen überragten die Dachrinne um einen Meter.

      Ulrich klopfte und hielt den Atem an. Eine Frau von etwa fünfzig Jahren, die ein Kopftuch und eine Schürze trug, öffnete.

      »Guten Tag«, grüßte Ulrich und überlegte verzweifelt, wie er beginnen sollte.

      »Guten Tag. Oh, der Herr sind von der Innung? Bitte, kommen Sie doch, treten Sie näher. Angelika, meine Nichte, ist im Moment leider nicht zu Hause.«

      »Von der – Innung?« Ulrich runzelte die Stirn.

      »Ja, Angelika möchte doch so gerne Konditorin werden, und weil sie keine Lehrstelle finden konnte, hat sie neulich an die Innung geschrieben. Ich


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