Kosmos. Alexander von Humboldt

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Kosmos - Alexander von  Humboldt


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s. Laplace in der Exposition du Syst. du Monde p. 384 und in dem Supplément au Livre X. de la Mécanique cél. p. 3 und 4. (Kant, metaph. Anfangsgründe der Naturwissenschaft, in seinen sämmtl. Werken 1839 Bd. V. S. 309; Péclet, Physique 1838 T. I. p. 59–63.): Kräfte sogenannter chemischer Verwandtschaft, die, durch Electricität, Wärme und eine Contact-Substanz mannigfach bestimmt, in der unorganischen Natur wie in den belebten Organismen unausgesetzt thätig sind. In den Himmelsräumen bieten bisher sich unserer Wahrnehmung nur physische Processe, Wirkungen der Materie dar, die von der Massen-Vertheilung abhangen, und die sich als den dynamischen Gesetzen der reinen Bewegungslehre unterworfen darstellen lassen. Solche Wirkungen werden als unabhängig von qualitativen Unterschieden (von Heterogeneität oder specifischer Verschiedenheit) der Stoffe betrachtet.

      Der Erdbewohner tritt in Verkehr mit der geballten und ungeballt zerstreuten Materie des fernen Weltraumes nur durch die Phänomene des Lichts und den Einfluß der allgemeinen Gravitation (Massen-Anziehung). Die Einwirkungen der Sonne oder des Mondes auf die periodischen Veränderungen des tellurischen Magnetismus sind noch in Dunkel gehüllt. Ueber die qualitative Natur der Stoffe, die in dem Weltall kreisen oder vielleicht denselben erfüllen, haben wir keine unmittelbare Erfahrung, es sei denn durch den Fall der Aërolithen: wenn man nämlich (wie es ihre Richtung und ungeheure Wurfgeschwindigkeit mehr als wahrscheinlich macht) diese erhitzten, sich in Dämpfe einhüllenden Massen für kleine Weltkörper hält, welche, auf ihrem Wege durch die himmlischen Räume, in die Anziehungs-Sphäre unseres Planeten kommen. Das heimische Ansehen ihrer Bestandtheile, ihre mit unseren tellurischen Stoffen ganz gleichartige Natur sind sehr auffallend. Sie können durch Analogie zu Vermuthungen über die Beschaffenheit solcher Planeten führen, die zu Einer Gruppe gehören, unter der Herrschaft Eines Central-Körpers sich durch Niederschläge aus kreisenden Ringen dunstförmiger Materie gebildet haben. Bessel’s Pendel-Versuche, die von einer noch unerreichten Genauigkeit zeugen, haben dem Newtonischen Axiom, daß Körper von der verschiedenartigsten Beschaffenheit (Wasser, Gold, Quarz, körniger Kalkstein, Aërolithen-Massen) durch die Anziehung der Erde eine völlig gleiche Beschleunigung der Bewegung erfahren, eine neue Sicherheit verliehen; ja mannigfaltige rein astronomische Resultate: z. B. die fast gleiche Jupitersmasse aus der Einwirkung des Jupiter auf seine Trabanten, auf Encke’s Cometen, auf die kleinen Planeten (Vesta, Juno, Ceres und Pallas): lehren, daß überall nur die Quantität der Materie die Ziehkraft derselben bestimmt Poisson in der Conn. des tems pour l’an 1836 p. 64–66; Bessel in Poggend. Annalen der Physik Bd. XXV. S. 417; Encke in den Abhandlungen der Berliner Akademie ans dem J. 1826 S. 257; Mitscherlich, Lehrbuch der Chemie 1837 Bd. I. S. 352..

      Diese Ausschließung von allem Wahrnehmbaren der Stoff-Verschiedenheit vereinfacht auf eine merkwürdige Weise die Mechanik des Himmels: sie unterwirft das ungemessene Gebiet des Weltraums der alleinigen Herrschaft der Bewegungslehre; und der astrognostische Theil der physischen Weltbeschreibung schöpft aus der fest begründeten theoretischen Astronomie, wie der tellurische Theil aus der Physik, der Chemie und der organischen Morphologie. Das Gebiet der letztgenannten Disciplinen umfaßt so verwickelte und theilweise den mathematischen Ansichten widerstrebende Erscheinungen, daß der tellurische Theil der Lehre vom Kosmos sich noch nicht derselben Sicherheit und Einfachheit der Behandlung zu erfreuen hat, welche der astronomische möglich macht. In den hier angedeuteten Unterschieden liegt gewissermaßen der Grund, warum in der früheren Zeit griechischer Cultur die pythagoreische Naturphilosophie dem Weltraume mehr als den Erdräumen zugewandt war; warum sie durch Philolaus, und in spätern Nachklängen durch Aristarch von Samos und Seleucus den Erythräer für die wahre Kenntniß unseres Sonnensystems in einem weit höheren Grade fruchtbringend geworden ist, als die ionische Naturphilosophie es der Physik der Erde sein konnte. Gleichgültiger gegen die specifische Natur des Raum-Erfüllenden, gegen die qualitative Verschiedenheit der Stoffe, war der Sinn der italischen Schule mit dorischem Ernste allein auf geregelte Gestaltung, auf Form und Maaß gerichtet Vgl. Otfried Müller, Dorier Bd. I. S. 365.: während die ionischen Physiologen bei dem Stoffartigen, seinen geahndeten Umwandlungen und genetischen Verhältnissen vorzugsweise verweilten. Es war dem mächtigen, ächt philosophischen und dabei so praktischen Geiste des Aristoteles vorbehalten, mit gleicher Liebe sich in die Welt der Abstractionen und in die unermeßlich reiche Fülle des Stoffartig-Verschiedenen der organischen Gebilde zu versenken.

      Mehrere und sehr vorzügliche Werke über physische Geographie enthalten in der Einleitung einen astronomischen Theil, in dem sie die Erde zuerst in ihrer planetarischen Abhängigkeit, in ihrem Verhältniß zum Sonnensystem betrachten. Dieser Weg ist ganz dem entgegengesetzt, den ich mir vorgezeichnet habe. In einer Weltbeschreibung muß der astrognostische Theil, den Kant die Naturgeschichte des Himmels nannte, nicht dem tellurischen untergeordnet erscheinen. Im Kosmos ist, wie schon der alte Kopernikaner, Aristarch der Samier, sich ausdrückte, die Sonne (mit ihren Gefährten) ein Stern unter den zahllosen Sternen. Eine allgemeine Weltansicht muß also mit den, den Weltraum füllenden, himmlischen Körpern beginnen: gleichsam mit dem Entwurf einer graphischen Darstellung des Universums, einer eigentlichen Weltkarte, wie zuerst mit kühner Hand sie Herschel der Vater gezeichnet hat. Wenn, trotz der Kleinheit unseres Planeten, der tellurische Theil in der Weltbeschreibung den größeren Raum einnimmt und am ausführlichsten behandelt wird, so geschieht dies nur in Beziehung auf die ungleiche Masse des Erkannten, auf die Ungleichheit des empirisch Zugänglichen. Jene Unterordnung des uranologischen Theils finden wir übrigens schon bei dem großen Geographen Bernhard Varenius Geographia generalis in qua affectiones generales telluris explicantur. Die älteste Amsterdamer (Elzevirische) Ausgabe ist von 1650; die zweite (1672) und dritte (1681) wurden zu Cambridge von Newton besorgt. Das überaus wichtige Werk des Varenius ist im eigentlichen Sinne des Worts eine physische Erdbeschreibung. Seit der vortrefflichen Naturbeschreibung des Neuen Continents, die der Jesuit Joseph de Acosta (Historia natural de las Indias 1590) entwarf, waren die tellurischen Phänomene nie in solcher Allgemeinheit aufgefaßt worden. Acosta ist reicher an eigenen Beobachtungen; Varenius umfaßt einen größern Ideenkreis: da ihn sein Aufenthalt in Holland, als dem Mittelpunkt eines großen Welthandels, in Berührung mit vielen wohlunterrichteten Reisenden gesetzt hatte. »Generalis sive universalis Geographia dicitur, quae tellurem in genere considerat atque affectiones explicat, non habita particularium regionum ratione.« Die allgemeine Erdbeschreibung des Varenius (Pars absoluta cap. 1–22) ist in ihrem ganzen Umfange eine vergleichende, wenn gleich der Verfasser das Wort Geographia comparativa (cap. 33–40) in einer viel eingeschränkteren Bedeutung gebraucht. Merkwürdig sind die Aufzählung der Gebirgssysteme und die Betrachtung der Verhältnisse ihrer Richtungen zu der Gestalt der ganzen Continente (p. 66–76 ed. Cantabr. 1681); die Liste der brennenden und ausgebrannten Vulkane; die Zusammenstellung der Resultate über die Vertheilung der Inseln und Inselgruppen (p. 220), über die Tiefe des Oceans in Vergleich mit der Höhe naher Küsten (p. 103), über den gleich hohen Stand der Oberfläche aller offenen Meere (p. 97), über die Strömungen in ihrer Abhängigkeit von den herrschenden Winden, die ungleiche Salzigkeit des Meeres und die Configuration der Küsten (p. 139), die Windrichtungen als Folge der Temperatur-Verschiedenheit u. s. f. Auch die Betrachtungen über die allgemeine Aequinoctial-Strömung von Osten nach Westen als Ursache des, schon am Cap San Augustin anfangenden und zwischen Cuba und Florida ausbrechenden Golfstromes (p. 140) sind vortrefflich. Die Richtungen der Strömung längs der westafrikanischen Küste zwischen dem Grünen Vorgebirge und der Insel Fernando Po im Golf von Guinea werden äußerst genau beschrieben. Die sporadischen Inseln hält Varenius für »gehobenen Meeresgrund«: magna spirituum inclusorum vi, sicut aliquando montes e terra protrusos esse quidam scribunt (p. 215). Die 1681 von Newton veranstaltete Ausgabe (auctior et emendatior) enthält leider keine Zusätze des großen Mannes. Der sphäroidalen Gestalt und Abplattung der Erde geschieht nirgends Erwähnung, obgleich Richer’s Pendel-Versuche um 9 Jahre älter als die Ausgabe von Cambridge sind; aber Newton’s Principia mathematica Philosophiae naturalis wurden erst im April 1686 der königlichen Societät zu London im Manuscripte mitgetheilt. Es schwebt viel Ungewißheit über das Vaterland des Varenius. Nach Jöcher ward er in England, nach der Biographie Universelle (T. 47. p. 495) in Amsterdam geboren; aus der Zueignung der allgemeinen Geographie an die Bürgermeister dieser Stadt ist aber zu ersehen, daß beide Angaben gleich


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