Jane Eyre. Шарлотта Бронте

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Jane Eyre - Шарлотта Бронте


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mei­nen un­ent­wi­ckel­ten Ver­stand ge­heim­nis­voll, mei­nem un­be­stimm­ten Emp­fin­den un­ver­ständ­lich, – stets aber flö­ßte sie mir das tiefs­te In­ter­es­se ein: das­sel­be In­ter­es­se, mit wel­chem ich den Er­zäh­lun­gen Bes­sie’s horch­te, wenn sie zu­wei­len an Win­ter­aben­den in gu­ter Lau­ne war; dann pfleg­te sie ih­ren Plätt­tisch an das Ka­min­feu­er der Kin­der­stu­be zu brin­gen, er­laub­te uns, un­se­re Stüh­le an den­sel­ben zu rücken, und wäh­rend sie dann Mrs. Reeds Spit­zen­vo­lants bü­gel­te und die Spit­zen ih­rer Nacht­hau­ben kräu­sel­te, er­götz­te sie un­se­re Ohren mit Er­zäh­lun­gen von Lie­bes­gram und Aben­teu­ern aus al­ten Mär­chen und noch äl­te­ren Bal­la­den, oder – wie ich erst viel spä­ter ent­deck­te – aus den Blät­tern von Pa­me­la, und Hen­ry, Graf von Mo­re­land.

      Mit Be­wick auf mei­nen Kni­en war ich da­mals glück­lich: glück­lich we­nigs­tens auf mei­ne Art. Ich fürch­te­te nichts als eine Un­ter­bre­chung, eine Stö­rung – und die­se kam nur zu bald. Die Tür zum Früh­stücks­zim­mer wur­de ge­öff­net.

      »Bah, Frau Träu­me­rin!« er­tön­te John Reeds Stim­me; dann hielt er inne; au­gen­schein­lich war er er­staunt, das Zim­mer leer zu fin­den.

      »Wo zum Teu­fel ist sie denn?« fuhr er fort, »Liz­zy! Ge­or­gy!« rief er sei­nen Schwes­tern zu, »Joan ist nicht hier. Sagt doch Mama, dass sie in den Re­gen hin­aus ge­lau­fen ist – das böse Tier!«

      »Wie gut, dass ich den Vor­hang zu­sam­men­ge­zo­gen habe«, dach­te ich; und dann wünsch­te ich in­brüns­tig, dass er mein Ver­steck nicht ent­de­cken möge; John Reed selbst wür­de es auch nie­mals ent­deckt ha­ben; er war lang­sam, so­wohl von Be­grif­fen wie in sei­nem Wahr­neh­mungs­ver­mö­gen; aber Eli­za steck­te den Kopf zur Tür hin­ein und sag­te so­fort:

      »Sie ist ge­wiss wie­der in die Fens­ter­ver­tie­fung ge­kro­chen, sieh nur nach, Jack.«

      Ich trat so­fort her­aus, denn ich zit­ter­te bei dem Ge­dan­ken, dass der er­wähn­te Jack mich her­vor­zer­ren wür­de.

      »Da bin ich, was wünscht Ihr?« frag­te ich mit schlecht er­heu­chel­ter Gleich­gül­tig­keit.

      »Sag: was wün­schen Sie, Mr. Reed«, lau­te­te sei­ne Ant­wort. »Ich will, dass du hier­her kommst«, und in­dem er in ei­nem Lehn­stuhl Platz nahm, gab er mir durch eine Ges­te zu ver­ste­hen, dass ich nä­her kom­men und vor ihn tre­ten sol­le.

      John Reed war ein Schul­jun­ge von vier­zehn Jah­ren; vier Jah­re äl­ter als ich, denn ich war erst zehn Jahr alt; groß und stark für sein Al­ter, mit ei­ner un­rei­nen, un­ge­sun­den Haut­far­be; große Züge in ei­nem brei­ten Ge­sicht, schwer­fäl­li­ge Glied­ma­ßen und große Hän­de und Füße. Ge­wöhn­lich pfleg­te er sich bei Ti­sche so voll­zupfrop­fen, dass er gal­lig wur­de; das mach­te sei­ne Au­gen trü­be und sei­ne Wan­gen schlaff. Ei­gent­lich hät­te er jetzt in der Schu­le sein müs­sen, aber sei­ne Mama hat­te ihn für ein bis zwei Mo­na­te nach Hau­se ge­holt »sei­ner zar­ten Ge­sund­heit we­gen«. Mr. Mi­les, der Di­rek­tor der Schu­le ver­si­cher­te, dass es ihm au­ßer­or­dent­lich gut ge­hen wür­de, wenn man ihm nur we­ni­ger Ku­chen und Lecker­bis­sen von Hau­se schi­cken woll­te; aber das Herz der Mut­ter em­pör­te sich bei ei­ner so roh aus­ge­spro­che­nen Mei­nung und neig­te mehr zu der fei­ne­ren und zar­te­ren An­sicht, dass Johns blass­gel­be Far­be von Übe­r­an­stren­gung beim Ler­nen und viel­leicht auch von Heim­weh her­rüh­re. –

      John heg­te we­nig Lie­be für sei­ne Mut­ter und sei­ne Schwes­tern, und eine star­ke An­ti­pa­thie ge­gen mich. Er quäl­te und be­straf­te mich; nicht zwei- oder drei­mal in der Wo­che, nicht ein- oder zwei­mal am Tage, son­dern fort­wäh­rend und un­auf­hör­lich; je­der Nerv in mir fürch­te­te ihn, und je­der Zoll­breit Fleisch auf mei­nen Kno­chen schau­der­te und zuck­te, wenn er in mei­ne Nähe kam. Es gab Au­gen­bli­cke, wo der Schre­cken, den er mir ein­flö­ßte, mich ganz be­sin­nungs­los mach­te; denn ich hat­te nie­man­den, der mich ge­gen sei­ne Dro­hun­gen und sei­ne Tät­lich­kei­ten ver­tei­dig­te; die Die­ner­schaft wag­te es nicht, ih­ren jun­gen Her­ren zu be­lei­di­gen, in­dem sie für mich ge­gen ihn Par­tei er­griff, und Mrs. Reed war in die­sem Punk­te blind und taub: sie sah nie­mals, wenn er mich schlug, sie hör­te nie­mals, wenn er mich be­schimpf­te, ob­gleich er bei­des gar oft in ih­rer Ge­gen­wart tat: häu­fi­ger zwar noch hin­ter ih­rem Rücken.

      Aus Ge­wohn­heit ge­horch­te ich John auch die­ses Mal und nä­her­te mich sei­nem Stuhl: un­ge­fähr zwei bis drei Mi­nu­ten brach­te er da­mit zu, mir sei­ne Zun­ge so weit ent­ge­gen­zu­stre­cken, wie er es ohne Ge­fahr für sei­ne Zun­gen­bän­der be­werk­stel­li­gen konn­te; ich fühl­te, dass er mich jetzt gleich schla­gen wür­de, und ob­gleich ich eine töd­li­che Angst vor dem Schla­ge emp­fand, ver­moch­te ich doch über die ekel­er­re­gen­de und häss­li­che Er­schei­nung des Bur­schen, der den­sel­ben aus­tei­len wür­de, mei­ne Be­trach­tun­gen an­zu­stel­len. Ich weiß nicht, ob er die­se Ge­dan­ken auf mei­nem Ge­sich­te las, denn plötz­lich, ohne ein Wort zu sa­gen, schlug er hef­tig und bru­tal auf mich los. Ich tau­mel­te; dann ge­wann ich das Gleich­ge­wicht wie­der und trat ei­ni­ge Schrit­te von sei­nem Stuhl zu­rück.

      »Das ist für die Frech­heit, dass du vor ei­ner Wei­le ge­wagt hast, Mama eine Ant­wort zu ge­ben«, sag­te er, »und dass du ge­wagt hast, dich hin­ter den Vor­hang zu ver­krie­chen, und für den Blick, den ich vor zwei Mi­nu­ten in dei­nen Au­gen ge­wahr­te, du Rat­ze, du!«

      An Johns Be­schimp­fun­gen ge­wöhnt, fiel es mir nie­mals ein, ir­gend et­was auf die­sel­ben zu er­wi­dern; ich dach­te nur dar­an, wie ich den Schlag er­tra­gen soll­te, der un­fehl­bar auf die Schimpf­wor­te fol­gen wür­de.

      »Was hast du da hin­ter dem Vor­hange ge­macht?« frag­te er wei­ter.

      »Ich habe ge­le­sen.«

      »Zei­ge mir das Buch.«

      Ich ging an das Fens­ter zu­rück und hol­te es von dort.

      »Du hast kein Recht, un­se­re Bü­cher zu neh­men; du bist eine Un­ter­ge­be­ne, hat Mama ge­sagt; du hast kein Geld; dein Va­ter hat dir keins hin­ter­las­sen; ei­gent­lich soll­test du bet­teln und hier nicht mit den Kin­dern ei­nes Gent­le­man, wie wir es sind, zu­sam­men le­ben, und die­sel­ben Mahl­zei­ten es­sen wie wir, und Klei­der tra­gen, die un­se­re Mama dir kau­fen muss. Nun, ich wer­de dich leh­ren, zwi­schen mei­nen Bü­chern um­her­zu­stö­bern, denn sie ge­hö­ren mir, und das gan­ze Haus ge­hört mir, oder wird mir we­nigs­tens in ei­ni­gen Jah­ren ge­hö­ren. Geh und stell dich an die Tür; nicht vor den Spie­gel oder die Fens­ter.«

      Ich tat, wie mir ge­hei­ßen, ohne eine Ah­nung von sei­ner Ab­sicht zu ha­ben; als ich aber ge­wahr­te, dass er das Buch em­por­hob und mit dem­sel­ben ziel­te, sprang ich in­stink­tiv zur Sei­te und stieß einen Schre­ckens­schrei aus; je­doch nicht schnell ge­nug; das Buch wur­de ge­schleu­dert, es traf mich, und ich fiel, in­dem ich mit dem Kopf ge­gen die Tür schlug und mich ver­letz­te. Die Wun­de blu­te­te, der Schmerz war hef­tig; mein Ent­set­zen war über den Hö­he­punkt hin­aus­ge­gan­gen; an­de­re Emp­fin­dun­gen be­mäch­tig­ten sich mei­ner.

      »Du bö­ser, grau­sa­mer Bube!« schrie ich. »Du bist wie ein Mör­der – du bist wie ein Skla­ven­trei­ber – du bist wie die rö­mi­schen Kai­ser!«

      Ich hat­te Golds­mit­hs Ge­schich­te Roms ge­le­sen und mir mei­ne


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