Geschichte von Florenz (Mit Illustrationen). Niccolò Machiavelli

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Geschichte von Florenz (Mit Illustrationen) - Niccolò Machiavelli


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erwähnt haben, daß den Lesenden weder Nutzen noch Genuß daraus erwachsen kann. Die taten sie, meiner Meinung nach, entweder weil jene Vorgänge ihnen so unbedeutend erschienen, daß sie dieselben für unwürdig hielten, durch Geschichtswerke auf die Nachwelt zu kommen, oder aber aus Besorgnis, die Nachkommen derjenigen zu kränken, die in solchen Erzählungen dem Tadel unterliegen müßten. Beide Gründe – möge es ihnen nicht mißfallen – scheinen mir ausgezeichneter Männer unwürdig. Denn wenn irgend etwas in der Historie unterhält oder belehrt, so ist es die ausführliche Beschreibung; wenn irgendeine Lehre den Bürgern, welche Republiken lenken, Vorteil bringt, ist es die Erläuterung des Ursprungs von Haß und Uneinigkeit in den Städten, auf daß sie, klug geworden durch anderer Unglück, einträchtig bleiben mögen. Wirkt jedes Beispiel anderer Staaten, so wirkt zweifach, so ist zweifach nützlich das Beispiel der eignen Heimat. Waren je die Parteikämpfe in einer Republik beachtenswert, so waren es die der Stadt Florenz: denn die meisten andern Freistaaten, von denen Nachrichten auf uns gekommen, hatten an einer Veruneinigung genug, welche je nach den Umständen die Mehrung ihrer Macht oder ihren Untergang verursachte. Florenz aber, damit nicht zufrieden, hat Zwist auf Zwist gehäuft. In Rom entstand, wie jeder weiß, nach der Vertreibung der Könige, der Kampf zwischen Adel und Volk und währte bis zum Ende der Freiheit. So war’s in Athen, so in den andern Freistaaten, welche in jenen Zeiten blühten. In Florenz aber spalteten sich erst die Adeligen unter sich selber, dann veruneinigten sich Adel und Volk, zuletzt Volk und Pöbel, und nicht selten geschah es, daß eine dieser Parteien, wenn sie die Oberhand behielt, wiederum in zweie zerfiel. Diese Kämpfe führten so viele Hinrichtungen, so viele Verbannungen, den Untergang so vieler Familien mit sich, wie nie in einer andern Stadt, von der wir Kunde haben. Und ich bin in Wahrheit der Meinung, daß kein Beispiel die Macht unserer Vaterstadt so sehr erläutert, wie die Geschichte dieser Fehden, welche hingereicht hätten, jede, auch die größte und mächtigste Stadt, zugrunde zu richten. Die unsere hingegen schien jedesmal blühender daraus hervorzugehen. So groß war die Tüchtigkeit jener Bürger, so groß die Kraft ihres Geistes und ihres Mutes in Erhöhung ihrer selbst und ihrer Heimat, daß die, welche von solchen Übeln befreit blieben, durch ihre Tugend eher die Vaterstadt aufrecht zu halten vermochten, als die Ungunst der Verhältnisse durch Schwächung ihrer Zahl imstande war, sie zu Boden zu drücken. Wäre das Glück Florenz so hold gewesen, daß, nachdem es sich der Obergewalt des Kaiserreichs entzogen, es eine Regierungsform angenommen hätte, durch welche Eintracht befördert worden wäre: so weiß ich nicht, welche Republik der alten und neuen Zeiten ihm hätte vorangehen oder mit ihm wetteifern dürfen an Waffenruhm und Gewerbtätigkeit. Denn man sieht, wie nach Vertreibung der Gibellinen, deren Zahl so beträchtlich war, daß sie Toscana und die Lombardei füllten, die Guelfen mit den Daheimgebliebenen im Kriege gegen Arezzo, ein Jahr vor der Schlacht von Campaldino, von eignen Bürgern zwölfhundert schwerbewaffnete Reiter und zwölftausend zu Fuß ins Feld stellten. In dem Kriege hierauf gegen Filippo Visconti, Herzog von Mailand, wo die Stadt ihre eignen Hilfsmittel zu erproben hatte, nicht aber ihre eignen Waffen, indem der kriegerische Geist damals schon untergegangen war: gaben die Florentiner in fünf Jahren drei Millionen fünfmalhunderttausend Goldgulden aus, und nachdem dieser Krieg zu Ende geführt war, begnügten sie sich nicht mit dem Frieden, sondern zogen gegen Lucca, um ihre Macht mehr noch an den Tag zu legen. Ich vermag also nicht zu begreifen, weshalb diese Mißhelligkeiten nicht würdig sein sollten, beschrieben zu werden.

      Wurden aber jene berühmten Schriftsteller durch die Scheu, das Andenken derer, von welchen sie zu reden hatten, anzugreifen, von der Schilderung dieser Vorgänge zurückgehalten, so irrten sie und kannten wenig den Ehrgeiz der Menschen und deren Begierde, den Namen ihrer Vorfahren und ihren eignen zu verewigen. Sie vergaßen, daß viele, denen es nicht gelungen ist, durch irgendeine lobenswerte Handlung sich Ruhm zu verschaffen, durch tadelnswürdige Taten ihn zu erlangen sich bemüht haben. Ebensowenig bedachten sie, daß Handlungen, die etwas Großes in sich haben, wie es bei öffentlichen Angelegenheiten der Fall ist, welcher Art sie auch sein, welchen Zweck sie auch haben mögen, mehr Ehre bringen denn Tadel.

      Diese Umstände, nachdem ich sie ernstlich erwogen, bewirkten eine Veränderung meines Planes, so daß ich meine Erzählung mit den Anfängen unserer Stadt zu beginnen beschloß. Da es nun nicht in meiner Absicht liegt, mich an anderer Platz zu stellen, so werde ich bis zum Jahre 1434 nur die Vorfälle im Innern ausführlich erwähnen, als es zum Verständnis der ersteren erforderlich sein wird. Nach dem genannten Jahre werde ich den einen wie den andern Teil in ihren Einzelheiten durchführen. Damit endlich diese Geschichte allerorts verständlicher werde, beschreibe ich, bevor ich von Florenz handle, auf welche Weise in Italien die damals bestehenden Regierungen sich gestaltet haben. Alle diese Dinge, italienische wie florentinische, werden in vier Büchern enthalten sein. Das erste derselben gibt eine Übersicht der Geschichte Italiens vom Untergange des Römischen Reiches bis zum Jahre 1434. Das zweite geht von dem Ursprunge der Stadt Florenz bis zu dem nach der Vertreibung des Herzogs von Athen gegen den Papst geführten Kriege. Mit dem im Jahre 1414 erfolgten Tode des Königs Ladislaus von Neapel wird das dritte enden, und das vierte bis zum Jahr 1434 gelangen, von welcher Zeit an die Ereignisse in der Stadt, wie außerhalb bis auf unsere Tage umständlicher beschrieben werden sollen.

      Allgemeine politische Verhältnisse Italiens, von der Völkerwanderung bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts.

      eartnow_img Florenz während der Belagerung durch den Prinzen von Oranien. Fresko von Giorgio Vasari (1511-74). Florenz, Palazzo Vecchio

      Die Völkerschaften, welche in den nördlichen Gegenden jenseits des Rheins und der Donau wohnen, in gesunden, dem Zuwachs der Bevölkerung günstigen Ländern, mehren sich oft in solchem Maße, daß ein Teil von ihnen genötigt ist, die heimatlichen Gebiete zu verlassen und neue Wohnsitze zu suchen. Will eine solche Provinz des Überflusses an Einwohnern sich entledigen, so teilt sie dieselben in drei Teile, derart, daß in jedem Teil Edle und Gemeine, Reiche und Arme, in gleichen Verhältnissen sich finden. Jene Schar sodann, welche das Los trifft, sucht ihr Glück anderswo, und die beiden zurückbleibenden genießen die väterlichen Güter. Diese Völkerschaften waren es, die das Römische Reich zerstörten. Gelegenheit dazu boten ihnen die Kaiser, welche, indem sie Rom, des Reiches alten Sitz, verließen, um in Konstantinopel ihre Wohnung zu nehmen, den westlichen Teil des Reiches schwächten, da sie ihn weniger in Obacht hielten und der Gier ihrer Statthalter wie der Gegner derselben in die Hände gaben. Und, in Wahrheit, ein so gewaltiges Reich zu stürzen, dessen Größe das Blut so vieler tapfern Männer gekostet, war solche Schwäche der Fürsten vonnöten, die so viel Unheil veranlaßte, solche Schlechtigkeit ihrer Beamten, solche Kraft und Ausdauer der Angreifenden. Denn nicht eine Nation war es, sondern viele, die sich zum Untergange des Weltreichs verschworen.

      Die ersten, welche aus jenen nördlichen Gegenden auszogen, nachdem Marius, der römische Bürger, die Cimbern besiegt hatte, waren die Westgoten. Nachdem sie an des Reiches Grenzen einige Streitigkeiten veranlaßt, ließen sie sich, mit Bewilligung der Kaiser, lange Zeit hindurch am Donaustrome nieder, und wenn sie auch aus verschiedenen Gründen und zu verschiedenen Zeiten wiederholt die römischen Provinzen angriffen, wurden sie doch immer durch die Macht der Kaiser gezügelt. Der letzte, der sie glorreich überwand, war Theodosius. Von ihm zum Gehorsam genötigt, wählten sie ferner keinen König, sondern, mit dem von ihm bewilligten Solde sich begnügend, lebten und kämpften sie unter seinen Befehlen und seinen Fahnen.

      Als aber (395 n. Chr.) Theodosius gestorben und seine Söhne Arcadius und Honorius der Herrschaft Erben geblieben, nicht aber Erben seiner Tapferkeit und seines Glückes, wechselten mit dem Fürsten auch die Zeiten. Theodosius hatte den drei Teilen des Reiches drei Statthalter vorgesetzt, Rufin dem Osten, Stilicho dem Westen, Gildo den Besitzungen in Afrika. Nach des Kaisers Tode dachten diese nicht daran, die Provinzen zu verwalten, sondern als Fürsten sie zu besitzen. Rufin und Gildo erlagen bald; Stilicho aber, gewandter im Verheimlichen seiner Absichten, suchte das Vertrauen der neuen Kaiser zu erlangen und andererseits solche Verwirrung im Staate zu veranlassen, daß es ihm ein Leichtes werden mußte, sodann die Macht an sich zu reißen. Den Kaisern die Westgoten zu Feinden zu machen, riet er, sie sollten diesen den gewohnten Sold nicht mehr zahlen; und als hätte es ihm geschienen, daß es an diesen Feinden noch nicht genug sei, die Ordnung zu stören, brachte er es dahin, daß die Burgunder, die Franken, Vandalen und Alanen, gleichfalls


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