Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Ðртур Конан Дойл
Читать онлайн книгу.wegen Ihrer Schwielen.«
»Habe mein ganzes Geld in den Goldgruben verdient.«
»Sie sind in Neuseeland gewesen.«
»Wieder richtig.«
»Sie haben Japan besucht.«
»Ganz recht.«
»Und Sie standen in den intimsten Beziehungen zu einem, dessen Anfangsbuchstaben J.A. waren und den Sie später ganz aus Ihrem Gedächtnis zu tilgen suchten.«
Bei diesen Worten richtete sich Herr Trevor langsam auf, heftete seine großen blauen Augen mit einem eigentümlichen wilden und starren Ausdruck auf mich und fiel dann bewußtlos nieder, mit dem Gesicht zwischen die auf dem Tischtuch liegenden Nußschalen.
Du kannst dir denken, Watson, wie erschrocken wir beide, sein Sohn und ich, waren. Doch ging der Anfall bald vorüber, denn als wir seinen Kragen aufknöpften und ihm Wasser übers Gesicht spritzten, seufzte er ein-oder zweimal tief auf und richtete sich in die Höhe.
»Ach,« sagte er mit erzwungenem Lächeln, »hoffentlich hab’ ich euch nicht erschreckt. So stark ich aussehe, das Herz ist ein wunder Punkt bei mir, und es gehört nicht viel dazu, mich umzuwerfen. Ich weiß nicht, wie Sie das fertig bringen, Herr Holmes, aber mir scheint’s, alle Detektivs im Leben wie in Erzählungen sind Waisenknaben gegen Sie. Das ist Ihr eigentlicher Beruf, glauben Sie einem Manne, der etwas von der Welt gesehen hat!«
Und dieser Hinweis zusammen mit der übertriebenen Wertschätzung meiner Geschicklichkeit, brachte mich, du kannst mir’s glauben, Watson, zu allererst auf den Gedanken, es könnte vielleicht mein Lebenslauf werden, was bis dahin eitel Spielerei gewesen war. In jenem Augenblick war ich freilich noch zu sehr über das plötzliche Unwohlsein meines Wirtes betroffen, um irgend welchen anderen Gedanken Raum zu geben.
»Ich hoffe, meine Worte haben Ihnen keinen Schmerz bereitet,« sagte ich.
»Nun, jedenfalls haben Sie einen etwas empfindlichen Punkt berührt. Wollen Sie mir sagen; wie Sie zu der Kenntnis gekommen sind und wie weit Ihre Kenntnis reicht?« Er sprach jetzt in halb scherzhaftem Tone, aber ich sah im Hintergrunde seiner Augen noch einen Ausdruck des Schreckens.
»Es ist das einfachste von der Welt,« sagte ich. »Als Sie damals Ihren Arm entblößten, um den Fisch ins Boot zu holen, sah ich an Ihrem inneren Ellenbogen ›J. A.‹ eintätowiert. Die Buchstaben waren noch lesbar, aber ihr verschwommenes Aussehen und der fleckige Zustand der Haut ringsum ließen klar erkennen, daß man versucht hatte, sie auszutilgen. Daraus ergab sich ohne weiteres der Schluß, daß Ihnen die Buchstaben einmal sehr teuer gewesen waren, und daß Sie sie dann zu vergessen wünschten.«
»Was für ein Auge Sie haben!« rief er mit einem Seufzer der Erleichterung. »Sie haben genau das Richtige getroffen. Aber wir wollen das ruhen lassen! Von allen Erinnerungen ist die an eine tote Liebe am übelsten. Kommt ins Billardzimmer und laßt uns da gemütlich eine Zigarre rauchen!«
Von dem Tage an lag in Herrn Trevors Benehmen gegen mich bei aller Herzlichkeit stets ein gewisser Argwohn. Sogar seinem Sohne konnte das nicht entgehen. »Du hast meinem Vater mitgespielt,« sagte er, »daß er immer in Zweifel sein wird, was du weißt und was du nicht weißt.« Ich glaube sicher, er wollte es nicht zeigen, aber dieses Gefühl war so mächtig in ihm, daß es in allem, was er tat, hervortrat. Schließlich war ich so sehr überzeugt, daß ihm in meiner Nähe unbehaglich zumute war, daß ich beschloß, ihm durch längeres Verweilen in seinem Hause nicht mehr lästig zu fallen. Aber gerade am Tage vor meiner Abreise sollte noch ein Ereignis eintreten, das sich später als folgenschwer erwies.
Wir saßen eben alle drei auf Gartenstühlen auf der Wiese, sonnten uns behaglich und ließen unsere Augen weithin über das Moor schweifen, als das Mädchen kam und sagte, es wäre ein Mann an der Tür und wollte Herrn Trevor sprechen.
»Wie ist sein Name?« fragte mein Wirt.
»Er wollte ihn nicht nennen.«
»Was will er denn?«
»Er sagt, Sie kennten ihn, und er wolle Sie nur einen Augenblick sprechen.«
»So lassen Sie ihn hierher kommen!«
Einen Augenblick später erschien eine kleine, ausgemergelte Gestalt mit kriechender Haltung und schleppendem Gange. Der Mensch trug eine offene Jacke mit teerbefleckten Aermeln, ein rot-und schwarzgewürfeltes Hemd, Drillichhosen und schwere, ganz abgetragene Stiefel. Sein braunes, eingefallenes Gesicht zeugte von Verschmitztheit, ein beständiges Lächeln ließ eine unregelmäßige Reihe gelber Zähne sehen, und seine runzeligen Hände waren halb geschlossen, wie es Matrosen eigen ist. Als er über den Rasen auf uns zuschlenkerte, hörte ich ein sonderbares schluckendes Geräusch in Herrn Trevors Kehle und sah ihn plötzlich aufspringen und ins Haus eilen. Im Augenblick war er wieder zurück, und als er an mir vorüberschritt, ging ein starker Branntweingeruch von ihm aus.
»Nun, mein Bester,« sagte er, »was kann ich für Sie tun?«
Der Matrose stand da und sah ihn mit halb zugekniffenen Augen und zähnefletschendem Lächeln an.
»Sie kennen mich nicht?« fragte er.
»Was? Straf’ mich! Das ist doch Hudson!« sagte Herr Trevor im Tone der Ueberraschung.
»‘s ist Hudson, ja!« sagte der Seemann. »Dreißig Jahre und länger ist’s her, seit ich Sie nicht gesehen habe. Sie haben hier Ihr Haus, und ich muß mir noch mein Salzfleisch aus’m Tranfaß fischen!«
»Still! Sie werden sehen, ich hab’ die alten Zeiten nicht vergessen!« rief Herr Trevor, trat an den Matrosen heran und sprach leise ein paar Worte zu ihm. »Gehen Sie in die Küche!« fuhr er laut fort. »Da wird man Ihnen zu essen und zu trinken geben. Ich werde schon eine Stelle für Sie finden.«
»Danke,« sagte der Seemann und fuhr sich mit der Hand auf die Stirn. »Komm’ gerade von einer zweijährigen Achtknotenlustfahrt, dazu ziemlich knapp dran, und mal ausruhen tut mir auch gut. Da dacht’ ich, versuchst’s mal bei Herrn Beddoes oder bei Ihnen.«
»Was?« rief Herr Trevor, »Sie wissen, wo Herr Beddoes ist?«
»Himmel auch, ich weiß, wo alle meine alten Freunde sind,« erwiderte die Teerjacke mit tückischem Lächeln und schlenkerte hinter dem Mädchen her nach der Küche.
Herr Trevor murmelte einige unverständliche Worte über Kameradschaft zur See und Goldgraben, ließ uns dann auf der Wiese allein und ging ins Haus. Als wir ihm eine Stunde später folgten, fanden wir ihn total betrunken auf dem Sofa im Speisezimmer ausgestreckt liegen. Der ganze Vorfall hatte einen äußerst widerwärtigen Eindruck auf mich gemacht, und ich war am nächsten Tage recht froh, Donnithorpe hinter mir zu lassen; denn ich fühlte, daß meine Gegenwart für meinen Freund eine Quelle der Pein sein mußte.
Dies alles trug sich während des ersten Monats der langen Sommerferien zu. Ich ging dann nach London und arbeitete dort sieben Wochen angestrengt an einigen Experimenten aus der organischen Chemie. Eines Tages aber, als der Herbst schon ziemlich vorgerückt war und die Ferien zur Neige gingen, erhielt ich eine Depesche von meinem Freunde, in der er mich dringend bat, nach Donnithorpe zurückzukommen, da er meines Rates und Beistandes bedürfe. Natürlich ließ ich alles liegen und dampfte wieder dem Norden zu.
Er erwartete mich mit dem Einspänner am Bahnhof, und ein Blick sagte mir, daß die letzten beiden Monate eine schwere Zeit für ihn gewesen waren. Er sah eingefallen und verkümmert aus und hatte nicht mehr das ihm früher eigene muntere und lustige Wesen. »Mein Vater liegt im Sterben,« waren die ersten Worte, die er sprach.
»Unmöglich!« rief ich. »Was ist’s?«
»Schlag! Nervenschlag! Den ganzen Tag schon ringt er mit dem Tode. Wer weiß, ob wir ihn noch am Leben treffen.«
Wie du dir denken kannst, Watson, erschütterte mich die unerwartete Nachricht.
»Was war die Ursache?« fragte ich.
»Ja, das ist’s eben. Springe in den Wagen, und wir