Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Артур Конан Дойл

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Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) - Артур Конан Дойл


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hieß es.«

      »Aber man konnte nichts wiederfinden, was?«

      »Nein.«

      »Nun, wo denken Sie, daß das Geld geblieben ist?« fragte er.

      »Ich habe keine Ahnung.«

      »Gerade zwischen meinem Finger und Daumen,« sagte er. »Bei Gott, meines Vaters Sohn hat mehr Dukaten als Sie Haare auf dem Kopfe! Und wenn man Geld hat, mein Lieber, und es zu verwenden und auszugeben versteht, so kann man alles machen. Nun werden Sie es nicht für wahrscheinlich halten, daß ein Mann, der alles machen kann, seine Hosen in dem stinkigen Schiffsraum eines rattenwimmelnden, wurmzerfressenen, muffigen alten Kastens von Chinaküstenfahrer durchscheuern will. Nein, mein Bester, solch ein Mann sieht, wo er selbst bleibt und wo seine Genossen bleiben. Darauf können Sie Gift nehmen! Machen Sie Part mit ihm, und Sie können einen Eid aus die Bibel leisten, die er Ihnen hinlotsen wird!«

      So redete er fort, und zuerst dachte ich, es wäre, nur Geschwätz; aber nach einiger Zeit, als er meiner sicher zu sein glaubte und mich mit aller Feierlichkeit hatte Verschwiegenheit geloben lassen, weihte er mich in der Tat in einen Plan ein, den man schon lange gefaßt hatte, und der auf nichts anderes ausging, als sich des Schiffes zu bemächtigen. Ein Dutzend Sträflinge hatten ihn ausgeheckt, ehe sie an Bord gebracht worden waren; Prendergast war das Haupt des Unternehmens und sein Geld die Triebkraft.

      »Ich hatte einen Partner,« sagte er, »einen ausnahmsweise guten Kerl, so fest und treu wie der Schaft am Lauf. Er hat sich die Ordination verschafft, wahrhaftig; und wo denken Sie, daß er sich in diesem Augenblicke befindet? Na, er ist unser Schiffskaplan – der Kaplan, nichts weniger. Er kam an Bord in schwarzem Rock, mit seinen Papieren in Ordnung und mit Geld genug im Sack, das ganze Ding da vom Kiel bis zum Topmast zu kaufen. Die Mannschaft ist mit Leib und Seele sein. Er konnte sie haben, das Gros zu so und so viel mit Rabatt bei Barzahlung, und er kaufte sie, noch ehe sie sich heuern ließen. Er hat zwei Wärter gewonnen und Mercer, den zweiten Maat, und er hätte den Kapitän selbst gekriegt, wenn sich’s verlohnt hatte.«

      »Was werden wir nun tun?« fragte ich.

      »Was denken Sie?« sagte er. »Wir wollen einigen von den Soldaten die Röcke röter machen, als sie ihnen je der Schneider liefern könnte.«

      »Aber sie sind bewaffnet!«

      »Und das werden wir auch sein, mein Junge! Für jeder Mutter Sohn von uns gibt’s ein Paar Pistolen, und sind wir mit der Mannschaft auf unserer Seite nicht imstande, das Schiff zu nehmen, so wären wir alle reif, in eine Töchterschule geschickt zu werden. Sie reden heute abend mit Ihrem linken Flügelmann und sehen, ob man ihm trauen darf!«

      Ich folgte der Weisung und fand in meinem anderen Nachbar einen jungen Mann, der sich in ähnlicher Lage befand, wie ich selbst, und wegen Fälschung verurteilt worden war. Er hieß Evans, nahm aber später ebenfalls einen anderen Namen an und ist jetzt ein reicher, gutgestellter Mann im südlichen England. Bereitwillig schloß er sich der Verschwörung an, da es keinen anderen Weg zur Rettung für uns gab, und ehe wir noch das nördliche Spanien erreicht hatten, blieben nur zwei Gefangene übrig, die nicht mit uns unter einer Decke steckten. Der eine war ein Schwächling, dem wir nichts anzuvertrauen wagten, und der andere litt an Gelbsucht und konnte für uns von keinem Nutzen sein.

      Von Anfang an stand eigentlich dem Gelingen unseres Planes nichts im Wege. Die Mannschaft war ein für den Zweck besonders ausgelesenes Pack von Schuften. Der vermeintliche Kaplan kam zur Erbauung in unsere Zellen mit einer schwarzen Tasche in der Hand, die scheinbar voll von Traktätchen und geistlichen Büchern war; und das tat er so fleißig, daß wir am dritten Tage jeder am Fuß des Bettes eine Feile, eine Doppelpistole, ein Pfund Pulver und Zwanzig Patronen verstaut hatten. Zwei von den Wärtern standen, wie gesagt, in Prendergasts Sold, und der zweite Maat war sein erster Gehilfe. Der Kapitän, zwei Maate, zwei Wärter, Leutnant Martin mit seinen achtzehn Rotröcken und der Doktor – das war alles, was uns gegenüberstand. Trotz dieser sicheren Aussichten waren wir doch entschlossen, keine Vorsicht aus dem Auge zu lassen und unseren Ueberfall plötzlich zur Nachtzeit auszuführen. Es kam jedoch schneller dazu, als wir gedacht hatten.

      Als nämlich eines Abends, so in der dritten Woche nach unserer Abfahrt, der Doktor herunterkam, um nach einem kranken Sträfling zu sehen, legte er zufällig seine Hand auf das Fußende des Bettes und fühlte dabei den Umriß der Doppelpistole. Hätte er den Mund gehalten, so wäre vielleicht unser ganzer schöner Plan in die Luft geflogen; aber er war ein aufgeregter kleiner Mann, und so stieß er einen Schrei der Ueberraschung aus und wurde so bleich, daß der vor ihm liegende Sträfling erkannte, was die Glocke geschlagen hatte, sich mit aller Kraftanstrengung aufrichtete und ihn packte. Bevor der Doktor noch Lärm schlagen konnte, war er geknebelt, gefesselt und unter das Bett gerollt. Er hatte die zum Deck führende Tür offen gelassen, und wir waren im Nu durch. Die beiden Schildwachen wurden niedergeschossen und ebenso der Korporal, der herbeigeeilt kam, um zu sehen, was los wäre. Zwei andere Soldaten standen am Eingange des Salons, ihre Musketen aber waren, scheint’s, nicht geladen; denn ohne zu feuern, versuchten sie, ihre Bajonette aufzustecken, und wurden von uns niedergeknallt. Dann stürzten wir zur Kajüte des Kapitäns, aber als wir dabei waren, die Tür aufzustoßen, hörten wir innen einen Knall und sahen dann den Kapitän mit dem Kopfe auf der den Tisch bedeckenden Karte des Atlantischen Ozeans liegen, während der Kaplan mit rauchender Pistole neben ihm stand. Die beiden Maate waren von der Mannschaft gefangen genommen worden, und die ganze Geschichte schien glücklich abgelaufen zu sein.

      Der Salon lag zunächst der Kapitänskabine. Dort wandten wir uns hin und sanken erschöpft auf die Diwans nieder, alle zugleich durcheinander sprechend; denn das Gefühl, wieder freie Menschen zu sein, erfüllte uns mit ganz unbändiger Freude. Ringsherum liefen Wandschränke, und Wilson, der Pseudokaplan, riß einen auf und zog ein Dutzend Flaschen Sherry hervor. Wir schlugen den Flaschen die Köpfe ab, gössen uns Humpen voll und wollten eben anstoßen, als auf einmal ohne jede Warnung Musketengeknatter unser Ohr traf und der Salon sich so mit Rauch füllte, daß wir nicht über den Tisch sehen konnten. Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, glich der Platz einem Schlachtfeld. Wilson und acht andere lagen zuckend am Boden; noch jetzt wird mir übel, wenn ich mir den Anblick ins Gedächtnis zurückrufe. Das Unvermutete und Schreckliche dieses Zwischenfalles machte einen so niederschmetternden Eindruck auf uns, daß ich glaube, wir hätten gar keine Gegenwehr geleistet, wäre nicht Prendergast gewesen. Der aber brüllte wie ein verwundeter Stier und stürzte zur Tür hinaus, wir alle, die noch unverwundet waren, hinter ihm drein. Im Nu waren wir oben, und da, auf dem Hinterdeck, standen der Leutnant und zehn von seiner Truppe. Die Oberlichtfenster über dem Salontisch hatten ein wenig offen gestanden, und durch den Spalt hatten die Soldaten gefeuert. Wir warfen uns auf sie, ehe sie wieder geladen hatten; mannhaft leisteten sie Widerstand, aber wir gewannen die Oberhand, und in fünf Minuten war alles vorüber. Prendergast war wie vom Teufel besessen und warf jeden Soldaten, der ihm in die Hände kam, tot oder lebendig über Bord. Als der Kampf vorüber war, blieb von unseren Gegnern niemand weiter übrig als die Wärter, die Maate und der Doktor.

      Und ihretwegen entbrannte nun der große Streit. Viele von uns waren über alles froh, ihre Freiheit gewonnen zu haben, wollten aber keine weitere Blutschuld auf ihre Seelen laden. Wenn wir auch, um unsere Freiheit wiederzuerlangen, die Soldaten, die eben nach uns geschossen hatten, niederschlagen halfen, so konnten wir es doch nicht mit kaltem Blute mit ansehen, daß man unsere Mitmenschen mordete. Acht von uns, fünf Sträflinge und drei Matrosen, erklärten, wir würden nicht zulassen, daß man die fünf tötete. Aber Prendergast und seine Partei wichen keinen Zollbreit zurück. Sicherheit könnte es für uns nur geben, erklärte er, wenn wir reinen Tisch machten, und er würde keine Zunge übrig lassen, die einmal Zeugnis gegen uns ablegen könnte. Fast hätten wir das den Gefangenen bestimmte Los geteilt, aber schließlich sagte Prendergast, wenn wir nicht anders wollten, so sollten wir ein Boot nehmen und uns davonmachen. Wir waren über diesen Ausweg hoch erfreut, denn wir fühlten uns schon ganz krank von dem Anblick des Gemetzels und sahen, daß es noch schlimmer kommen würde. Man gab jedem von uns einen Matrosenanzug, dazu erhielten wir ein Faß Wasser, zwei Gefäße, eins voll Salzfleisch, das andere voll Biskuit, und einen Kompaß. Prendergast warf uns noch eine Karte ins Boot und rief uns zu, wir wären Seeleute, deren Fahrzeug unter 15 Grad


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