Die Hohkönigsburg. Julius Wolff

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Die Hohkönigsburg - Julius  Wolff


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hättest Du nicht gethan, Alter!« hatte ihm Schmasman lächelnd erwiedert.

      »Bei meiner armen Seele, Schmasman, der sich Gott in seiner Gnade dermaleins erbarmen möge! ich hätte es gethan, und ich thue es noch, wenn Du Dir in Deinen Hoheitsrechten jemals das Geringste gegen Den vergiebst,« hatte Burkhard mit drohendem Blicke geschworen. Dann waren sie im Gedränge von einander getrennt worden.

      Jetzt ging er an Müllenheims Seite in leisem Gespräch, das damit schloß, daß Burkhard, die geballte Faust schüttelnd, durch die Zähne knirschte: »Ich ruh und raste nicht, bis ich Den von seinem Berge wieder herunter habe; da gehört ein anderer Mann hin.«

      »Welchen meinst Du?« fragte Müllenheim.

      »Davon ein andermal!« erwiederte Burkhard, »er wird zur Stelle sein, wenn die rechte Zeit dazu gekommen ist.«

      Müllenheim schwieg, glaubte aber den anderen Mann, den Burkhard meinte, nicht weit suchen zu müssen. –

      Mit einem stark begehrten Erfrischungstrunk nach der Wallfahrt, mit dem Mittagsmahl in gesonderten Kreisen und verschiedenen Wirthschaften und etwas später wieder mit einem Vespertrunk zur Vorbereitung und Anregung für die zu leistenden und entgegenzunehmenden Vorführungen verging die Zeit bis zum Beginn des Hauptvergnügens, der zu einer bekannt gemachten Stunde festgesetzt war.

      Auf den Glockenschlag dieser Stunde fing der Trubel an, und das auf die mannichfaltigste Weise. Spielleute, einzeln, zu Paaren und in kleinen Banden, die sich mit einander eingespielt hatten, durchzogen musizirend die Stadt, begegneten sich in den Gassen mit anderen ohne ihr Spiel dabei zu unterbrechen oder blieben vor den Häusern stehen, in deren Thüren sie dankbare Zuhörer fanden. Das Gleiche thaten andere Fahrende, die mit erstaunlichen Kunststücken und Leibesübungen Alt und Jung ergötzten, so daß immerwährend und überall ein geräuschvolles und vielbewegtes Treiben buntgekleideter Gestalten durch einander wogte und wirbelte.

      Mittlerweile füllte sich mehr und mehr die mit Laubgehängen und Gewinden geschmückte große Halle, wo die Geübtesten und Geschicktesten der Bruderschaft sich hören und sehen ließen. Der Zutritt in diesen weiten Festraum stand Jedermann offen, aber alle darin Anwesende mußten sich den Weisungen der zwölf Meister fügen, die für Ordnung sorgten, in der Mitte genügenden Platz für die künstlerischen Darbietungen frei hielten und darauf achteten, daß die auf den Bänken sitzenden Herrschaften nicht durch vor ihnen Stehende am Schauen gehindert wurden.

      In wechselnder Reihenfolge traten Geiger und Bläser, Lautner und Harfner, Sänger und Tänzer auf und zeigten das Beste, was sie konnten. Beim Kommen und Gehen machten sie ihrem Lehnsherrn und seinen Gästen ihre Verbeugung und wandten sich mit ihrem Spiel stets ihnen, zuweilen aber auch ihrem König Hans Loder zu, der nahe bei Schmasman stand und wie ein glücklicher Vater an seinen wohlgerathenen Kindern seine helle Freude an dem von ihm beherrschten Volke hatte.

      Eine Anzahl lobenswerther Vorträge war bereits von Statten gegangen, als ein Spielmann mit einer Laute erschien, auf den Alle, die ihn kannten, besondere Erwartungen setzten. Es war Seppele von Ottrott, jener kunstbewanderte Sänger und durchtriebene Schalksnarr, wie ihn Loder in seinem Gespräch mit Syfritz im Strengbachthale genannt hatte, der sich nun hören lassen wollte. Er war ein Mann von mittler, gelenker Gestalt mit keck dreinschauendem Gesicht, dem Schelmerei und Spottlust um Mund und Augen spielten, als er bei seinem Auftreten den Blick dreist und siegessicher durch die Versammlung schweifen ließ. Dann aber nahmen seine Züge einen ernsten, sinnigen Ausdruck an; der kunstbewanderte Sänger gewann die Oberhand, der nun in die Saiten griff und mit geschultem Wohllaut ein Lied anstimmte.

      Im Wasigen, dem alten,

       Geht's allweil lustig her,

       Die Spielleut Einkehr halten

       Und bringen gute Mär.

       Da sammeln sich Verstreute

       Zu Hauf, unzählig viel,

       Wir Fahrenden, wir Leute

       Mit Sang und Saitenspiel.

      Wie mit den schönen Feien

       Nachtwandelt Frau Haband,

       Ziehn Tags wir Vogelfreien

       Dahin, daher im Land.

       Von Norden doch bis Süden,

       Vom Belchen bis zum Rhein

       Gebeut uns Nimmermüden

       Der Graf von Rappoltstein.

      Und wie die Heidenmauer

       Sich um Odilien schlingt

       Und felsenfest von Dauer

       Urväter Grund umringt,

       So hält auch uns umschlungen

       Der Eintracht starkes Band,

       Die Alten und die Jungen,

       Bundstreu mit Herz und Hand.

      Viel Burgen trutzig ragen

       Im Wasgenwald empor,

       Wir singen euch die Sagen,

       Die halbverklungnen, vor.

       Die Riesen und die Zwerge,

       Die lauschen unserm Lied,

       Weingeigerlein im Berge,

       Die Rebleut in dem Ried.

      Und wenn wir oben stünden

       Zu Straßburg auf dem Thurm,

       Da wollten wir's verkünden

       Und blasen wie der Sturm,

       Daß laut es allerwegen

       Erschallte weit und breit:

       Dem Wasgau Heil und Segen

       Heut und in Ewigkeit!

      Als er geendet, fielen sie Alle mit einander singend ein und wiederholten im Chore die zwei letzten Zeilen des Liedes. Dann aber wurde schallender Beifall, den auch Herr Burkhard seinem bei ihm sehr in Gunst stehenden Hörigen nicht versagte, dem Sänger zu Theil, und es schien sich nach Seppele so bald kein Anderer vorwagen zu wollen.

      Die dadurch entstehende Pause benutzte das Alter und die Jugend zu freier Bewegung und traulicher Aussprache. Die jungen Herren und Fräulein wandelten auf und ab oder standen in Gruppen umher, und dabei fanden sich wie zufällig Egenolf und Bruno mit den Gräfinnen Imagina, Isabella und Leontine zusammen.

      Die beiden Jungherren trachteten wieder sehr danach, sich Leontinens Gewogenheit zu erringen, was der Vielumschwärmten nichts weniger als unangenehm zu sein schien. Sie hatte auch gewiß das Bestreben, den Sonnenschein ihrer Gnade auf beide gleichmäßig zu vertheilen, aber die helleren, wärmeren Strahlen fielen doch auf Egenolf. Sie lieh seinen Worten ein geneigteres Ohr, gab ihm eingehendere Antworten, hatte für ihn einen holderen Blick und ein häufigeres Lächeln als für Bruno, was diesem nicht entging und ihm eine sacht aufsteigende Eifersucht auf den glücklicheren Freund einflößte. Isabella bemühte sich, ihn für diese, Leontinen vielleicht gar nicht bewußte Zurücksetzung gegen ihren Bruder durch doppelte Freundlichkeit zu entschädigen, hatte damit aber nicht den gewünschten Erfolg bei ihm, denn Bruno ließ nicht ab, sich mit seinen Höflichkeiten immer wieder Leontinen zuzuwenden, bei der sie doch nicht die verdiente Würdigung und Erwiederung fanden. Da gab Isabella ihre vergeblichen Versuche, ihn zu trösten und zu fesseln, allmählich auf und wurde schweigsam und in sich gekehrt.

      Dieses, für einen feinen Beobachter so unterhaltsame Spiel hatte einen solchen an der Fünften des kleinen Kreises, an Imagina, hier das fünfte Rad am Wagen, wie sie sich selber sagte. Sie hatte sich an den Gesprächen nur mit kurzen, hin und wieder eingestreuten Bemerkungen betheiligt, dafür aber desto schärfer auf das gepaßt, was sich hier vor ihren sehenden Augen immer deutlicher gestaltete und entfaltete, so daß sie in den Herzen der anderen Vier richtig zu lesen glaubte.

      Endlich mahnte der älteste Meister durch Klopfen mit seinem Stabe, für eine neue Aufführung Platz zu machen und Ruhe zu halten.

      Und nun sollte sich den erwartungsvoll Gespannten ein entzückendes Schauspiel darbieten.


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