Die Hohkönigsburg. Julius Wolff
Читать онлайн книгу.wäre, die ihm die immerwährende Weinfeuchte ausgetrieben hätten. Sie haben ihn nun mit auf die Hohkönigsburg genommen, wo er einen angesehenen Posten bekleiden soll. Ich war noch nicht oben, habe ihn also noch nicht gesprochen, aber morgen werde ich ihn besuchen und ihm Euer Wolfsfell auf die Seele binden.«
So waren sie in die Stadt gekommen und wußten selber nicht wie. Dort gingen sie zum Kürschner, der das Fell sorglich und sauber zubereitet hatte. Der Wolfskopf, dem funkelnde Glasaugen eingesetzt waren, sperrte den Rachen halb auf und fletschte die Zähne, daß es fast graulich anzusehen war. Egenolf war zufrieden und lohnte den Meister reichlich für seine fleißige Arbeit. Loder hüllte den Balg in das Linnen, und sie verließen damit die Werkstatt des Kürschners.
Draußen auf der Gasse sagte Egenolf: »So, mein alter Hans, nun mache Deine Sache so gut Du kannst; möge Alles nach Wunsch gelingen und glücken!«
»Das walte Gott und unsere liebe Frau!« erwiederte Loder. Dann verabschiedete er sich von dem Grafen und schritt seiner Behausung zu.
Egenolf pfiff sich eine muntere Weise, die er von Loder gelernt hatte, und ging herzensfroh den Weg zur St. Ulrichsburg hinan. –
Seinem Versprechen getreu begab sich Loder am nächsten Morgen mit dem in die Leinwand geschlagenen Wolfsfell zur Hohkönigsburg hinauf und vom Stallhof unterhalb des Löwenthores sogleich in die Schmiede, aus der die Schläge eines Hammers klangen. Es war aber nicht Isinger, sondern ein Knecht, der dort am Amboß schaffte und dem Eintretenden auf seine Frage den Bescheid gab, der Herr Marschalk wäre drüben in den Ställen.
Der Herr Marschalk! also Marschalk läßt er sich titulieren, dachte Loder, und ging in einen der Ställe, dessen Thür grade offen stand.
In dem nur mäßig erhellten Raume fand er den Jugendgenossen damit beschäftigt, mittelst eines mit einer bräunlichen Flüssigkeit durchtränkten Lappens die linke Vorderfessel eines Pferdes zu kühlen. Er rief ihn an: »Ottfried Isinger, kennst Du mich noch? ich bin Loder der Trumpeter.«
Der am Boden Knieende, schnell aufblickend, sagte mit freudigem Tone: »Was? der Pfeiferkönig? vielwillkommen Hans!« und streckte dem Freunde die Hand hin, nachdem er sie am Schweife des Pferdes abgetrocknet hatte. »Hab Dich ja eine Ewigkeit lang nicht gesehen.«
»Ich Dich auch nicht,« erwiederte Loder, »hörte erst kürzlich, daß Du hier oben wärest, und da trieb es mich, Dich einmal aufzusuchen.«
»Recht, recht, Hans!« sprach Isinger. »Wart' einen Augenblick! ich will nur der Stute den Umschlag noch anlegen; sie hat sich gequetscht. Es ist unserer jungen Gräfin ihre, denn die jagt oft ohne Weg und Steg über Stock und Stein.«
Er band den nassen Lappen um den Fuß des Pferdes und erhob sich. »So! nun komm! jetzt bin ich frei und habe Zeit für Dich.«
Er führte den Freund in ein einfaches Gelaß neben der Schmiedewerkstatt, in dem sich nur dürftiger Hausrath, ein Bett, ein grob gezimmerter Tisch und ein paar Schemel befanden. Der Herr Marschalk wohnt recht bescheiden, dachte Loder wieder, als er sich hier umsah. An den Wänden hingen Bündel gedörrter Kräuter, und auf einem Holzgestell reihten sich Töpfe, Flaschen und Büchsen verschiedentlichen, meist nicht sichtbaren Inhalts.
Isinger schickte den Knecht mit der Weisung vom Amboß weg: »Geh, Wighelm, und sieh zu, ob Du uns von der Schaffnerin nicht ein Krüglein Wein besorgen kannst. Sag ihr nur, der Pfeiferkönig wäre bei mir zum Besuch.«
Die Beiden setzten sich und schauten einander prüfend ins Gesicht. »So rabenschwarz wie einst sind Deine Borsten nicht mehr, Ottfried, wenn Du auch noch nicht so ein alter Eisbär bist wie ich,« begann Loder.
»Ja, man wird alt und grau und merkt es nicht, bis es Einem ein guter Freund einmal unter die Nase reibt,« erwiederte Isinger. »Bist aber auch nicht jünger geworden, Hans, seit wir uns zuletzt auf dem Wege nach Sanct Odilien trafen bei dem großen Fest zu Ehren der Herrad von Landsberg, die vor dreihundert Jahren dort im Kloster Äbtissin war. Weißt Du's noch? Wir waren immer an der alten Heidenmauer entlang gewandert, saßen auf ihren riesigen Quadern und ruhten uns aus und hatten einen elenden Durst.«
»Richtig! an der Heidenmauer war es, ich erinnere mich wohl,« sagte Loder, »ach ja! das ist lange her.«
»Hast Dich aber sonst gut gehalten, Hans,« sprach Isinger weiter und klopfte seinem alten Freunde auf die Schulter, »bist mit Deinem reckenhaften Wuchs ein Pfeiferkönig, der sich sehen lassen kann, das muß ich sagen. Gehört habe ich oft von Dir und Deinem Schalten und Walten; im ganzen Wasigen reden sie von Dir, Dein Lob und Preis geht von Mund zu Munde. Sollst ja auch bei den Rappoltsteinern hoch in Gunst und Gnaden stehen.«
»Das thu ich,« nickte Loder, »sie schenken mir groß Vertrauen, und für meinen edlen Schutzherrn und die Seinigen gehe ich durchs Feuer. Und Du? Herr Marschalk nannte Dich der Knecht.«
»So müssen sie mich nennen,« lächelte Isinger selbstgefällig, »damit sie den gehörigen Respekt vor mir haben. Ich bin Stallmeister hier, habe die Rüstkammer unter mir und auch sonst einige Aufsicht in der Burg. Graf Oswald ordnet nichts an ohne mich und meinen Rath.«
»Was Du sagst! und mit Pferdekuriren giebst Du Dich nebenbei auch noch ab, wie ich eben gesehen habe,« bemerkte Loder.
»Ja, die Roßpflege ist nun einmal meine Liebhaberei, und ich bin stolz auf meine Gäule da drüben im Marstall,« versetzte Isinger. »Jetzt kommen mir die reichen Erfahrungen zu Statten, die ich mir auf den adligen Schlössern erworben habe.«
»Das glaub' ich, bist ja viel herumgekommen im Lande, hast gar vielen Herren gedient, aber bei keinem lange ausgehalten, wie die Rede geht,« meinte Loder.
»Was sollt' ich machen? Einer spannte mich dem Andern bald wieder aus mit immer besseren Anerbietungen, denn ich kam in großen Ruf durch die Erfolge, die ich überall aufzuweisen hatte,« flunkerte der seiner Behauptung nach vielbegehrte Kurschmied. »Aber meinem jetzigen gnädigen Grafen lasse ich mich nicht mehr abspenstig machen, denn so gut wie hier habe ich es nirgend gehabt. Siehst Du, da kommt auch schon der Wein, den ich für uns bestellt hatte. Gieb her, Wighelm!« sagte er zu dem mit einem Steinkrug und zwei Zinnbechern zurückkehrenden Knecht, »und nun laß das Hämmern in der Schmiede, damit hier Einer des Anderen Wort hören kann; geh zu Herni, ob er vielleicht Bolzen zu schärfen hat.«
Dann füllte er die Becher, stieß mit seinem alten Freunde an und sagte: »Zum Willkomm, Hans!«
»Allen Dank, Ottfried!« that ihm Loder Bescheid, und sie tranken.
»Du sprachst vorhin von Deiner jungen Gräfin,« nahm Loder das Wort, »sage mal, wie – wie ist sie denn so im Allgemeinen und im Besonderen?«
»Im Besonderen ist sie ein Mädchen von ausbündiger Schönheit und klug, o sehr klug, und im Allgemeinen haben wir sie Alle gern; ich stehe sehr gut mit ihr,« berichtete Isinger. »Und reiten kann sie Dir, daß es eine Art hat; meine Schule, Hans, meine Schule! solltest sie einmal über einen Graben oder eine Hecke setzen sehen. Aber sie reitet immer allein, will Keinen mitnehmen, nicht einmal mich, hat's freilich auch nicht nöthig, denn Furcht kennt sie nicht.«
»So! hat sie denn auch ein gutes Herz?«
»Ja, das hat sie, das ist ihr nicht abzusprechen, aber weich und weibisch ist sie nicht, ist eine echte Thierstein, die sind Alle nicht von schwächlicher Art.«
»So! hat sich denn noch kein Freier um sie beworben?«
Isinger zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht; die nimmt auch nicht den Ersten, Besten, hat vielleicht schon Manchen durch den Korb fallen lassen, denn zu jung zum Heirathen ist sie nicht mehr. Hast Du vielleicht Einen für sie in Vorschlag, Hans, und willst Dir einen Kuppelpelz um sie verdienen?«
»Einen Pelz hab ich allerdings mitgebracht, aber der ist für sie selber bestimmt« lachte Loder, griff nach seinem Bündel und begann es mit einer feierlichen Umständlichkeit aufzuschnüren. »Sieh mal hier!« sprach er, als er damit zu Stande gekommen war, »dieses schöne Wolfsfell soll ich ihr als Geschenk vor ihr Bett unter die Füße schaffen, und ich hoffe, Du wirst mir dabei behilflich sein, daß es sicher und unbemerkt in ihren Besitz