Die Hohkönigsburg. Julius Wolff

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Die Hohkönigsburg - Julius  Wolff


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hätte? Mit leichtem Sprunge wäre es gethan gewesen; ich bin geübt darin.«

      »Und glaubt Ihr, ich hätte keinen Stein zum Aufsteigen für Euch gefunden, wenn ich einen hätte finden wollen?«

      Nun lachten sie beide herzlich, und aus beider Augen blitzte etwas, das nicht aussah wie Haß und Verachtung.

      Jetzt kamen die Wirthe mit ihren Gästen aus der Kapelle zurück, und Egenolf hatte, nachdem er sich den Grafen Thierstein und ihren Gemahlinnen vorgestellt und sich bei ihnen wegen seines Ausbleibens entschuldigt hatte, eine Menge Bekannte zu begrüßen, ehe er seinem Freunde Bruno von seinem Pirschgang berichten konnte.

      Bald meldete der Herold, daß das Festmahl bereit sei, und die Gesellschaft ordnete sich paarweise zum Zuge in den großen Rittersaal, wo zwei lange Tafeln gedeckt standen, mit blinkenden Krystall- und Silbergeräthen besetzt und mit Blumen geschmückt. Der Abt von St. Pilt eröffnete den Reigen mit der Gräfin Margarethe und machte bei Tisch der immer noch schönen Frau von hohem, schlankem Wuchs mit weltmännischer Gewandtheit den Hof, soviel ihm dies sein geistliches Ordenskleid erlaubte. Graf Oswald hatte Gräfin Herzelande und Schmasman die Gemahlin des Grafen Wilhelm von Thierstein zu Tische geführt. Burkhard hatte sich Frau von Müllenheim erkoren, mit der er sich beständig zankte und doch vortrefflich unterhielt, weil sie seiner schnell auflodernden Heftigkeit mit schlagfertigem Witz begegnete. Graf Wilhelm von Rappoltstein hatte Frau Stephania von Rathsamhausen den Arm geboten, und Leontine hatte sich selber Egenolf als Tischherrn gewählt, – »um Euch zu versöhnen,« sagte sie. Ihnen gegenüber fanden Imagina und Isabella Platz, zwischen denen Bruno saß. Auch die übrigen Gäste reihten sich nach Wahl und Belieben.

      Das Mahl verlief in ungetrübter Fröhlichkeit. Die Männer tranken sich fleißig gar edle Tropfen aus prächtigen Pokalen zu, die Frauen lächelten, man plauderte und scherzte und ließ es sich wohl sein an den reichversorgten Tischen der Hohkönigsburg, bis die vorgerückte Stunde zum Aufbruch der Gäste mahnte. Die Meisten hatten keinen langen Weg zu ihren Schlössern und nahmen weiter Wohnende zur Nachtherberge mit sich; auch auf der Hohkönigsburg blieben einige in dazu bereit stehenden Gastzimmern.

      »Auf Wiedersehen!« sagte Egenolf, als er Leontinen zum Abschied die Hand küßte, und »Auf Wiedersehen!« antwortete das Echo von ihrem lächelnden Munde.

      Als das ältere Thierstein'sche Ehepaar in seinem Schlafgemach allein war, fragte Gräfin Margarethe ihren Gemahl: »Wie bist Du mit dem heutigen Tage zufrieden, Oswald?«

      »Nicht übel,« erwiederte der Graf, »obwohl ich Anfangs einige mißvergnügte, um nicht zu sagen mißgünstige Gesichter bemerkte. Nicht alle, Margarethe, die heute hier waren, sind uns hold und freundlich gesinnt; Viele sind gewiß nur aus Neugier gekommen. Aber es war das erste Mal, daß wir uns mit den Leuten sahen; beim nächsten Zusammensein mit ihnen, wenn ich nicht den höflichen Wirth zu machen habe, sondern als Gast mich frei bewegen kann, werde ich schon leichter mit ihnen fertig werden. Am besten haben mir die Rappoltsteiner gefallen; was ist der Schmasman mit seiner würdevollen, hohen Gestalt und seiner vornehmen Erscheinung für ein ritterlicher Mann, außen und innen!«

      »Und Gräfin Herzelande für eine kluge, liebenswürdige Frau mit ihren früh gebleichten Haaren! sie ist von Geburt eine Gräfin Fürstenberg,« fügte Margarethe hinzu. »Und Graf Egenolf? was hältst Du von dem?«

      »Seines ritterlichen Vaters ritterlicher Sohn,« sagte der Graf. »Auch Graf Wilhelm von Rappoltstein ist ein Mann, den man für voll nehmen muß; er hat etwas Entschlossenes, Kriegerisches an sich, das Einem Achtung einflößt. Das ist ein ganz anderer Schlag als die Rathsamhausen. Der Burkhard ist ein trotziger Gesell; mehr als einmal traf mich aus seinen unstäten Augen ein geradezu feindlicher, drohender Blick.«

      »Seine Gattin, Frau Stephania, scheint mir eine liebe, herzensgute Frau zu sein. Ihres Geschlechts ist sie eine Gräfin Leiningen von der Dagsburg, wie ich von Imagina erfahren habe.«

      »Du scheinst ja schon ziemlich genau über die Familienverhältnisse hier unterrichtet zu sein,« lachte der Graf. »Imagina, das ist die hübsche Blonde, die so munter plaudern und so silberhell lachen kann, die Gemahlin Kaspars, des jüngsten Rappoltstein? richtig! Übrigens,« fuhr er fort, »hat uns der älteste, Schmasman, zum Pfeifertag nach Rappoltsweiler eingeladen.«

      »Zum Pfeifertag? was ist das?« fragte Margarethe.

      »Die fahrenden Leute im ganzen Elsaß,« erklärte ihr Graf Oswald, »haben schon vor mehr als hundert Jahren eine Bruderschaft unter sich geschlossen, die sich vom Hauenstein im Jura bis zum Hagenauer Forst und von den Firsten des Wasigen bis zum Rhein erstreckt. Sie haben ihre eigenen Privilegien und Satzungen, die ihnen Kaiser Karl IV. urkundlich bestätigt hat. Immer der älteste Graf von Rappoltstein ist ihr Schutz- und Lehnsherr, und sie haben einen Pfeiferkönig, der selber Spielmann sein muß und dem sie unterthänig und unbedingt gehorsam sind. Jährlich am Tage von Mariä Geburt – denn die Jungfrau Maria vom Dusenbach ist ihre Schutzheilige – feiern sie in Rappoltsweiler ein großes Fest, bei dem sie sich Alle versammeln und auch Gericht über sich halten. Dazu hat Schmasman uns und mehrere unserer heutigen Gäste eingeladen.«

      »Du hast doch zugesagt?«

      »Selbstverständlich und mit Freuden!« bestätigte Graf Oswald. »Das ist eine gute Gelegenheit, mich dem gemeinen Volke zu zeigen und auch unsern werthen Standesgenossen meinen Rang und meine Stellung etwas deutlicher vor Augen zu führen, als ich dies heute vermochte.«

      »Vorsichtig, Oswald!« rieth Gräfin Margarethe, »wir sind noch neu unter ihnen, und Du kennst sie noch zu wenig.«

      »Mich kennen sie auch noch nicht; darum sollen sie mich nun ehestens kennen lernen,« erwiederte der Graf gereizt.

      Danach sprachen beide kein Wort mehr, denn ein nach den Anstrengungen des Tages wohlverdienter Schlaf schloß ihnen Mund und Augen.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war September geworden, und ein wolkenloser Himmel spannte sich über den Bergen, deren Kuppen und Gipfel sich in der klaren Luft so scharf von dem tiefen Blau abgrenzten, daß oben an ihrem Rande die Laubkronen der einzelnen Bäume, wie einer den anderen um ein Weniges überragte, deutlich zu unterscheiden waren. Da schritten zu später Nachmittagsstunde durch das Thor des alten, hohen Metzgerthurmes in Rappoltsweiler zwei Spielleute und wanderten selbander den Weg in das Strengbachthal hinein, wo zu ihrer Rechten sich braune Felsen erhoben, ihre Ecken und Spalten von kriechendem Eichengesträuch umgrünt und die Vorsprünge hie und da mit einer sturmzerzausten Kiefer bewachsen, die mit klammernden Wurzeln ihren hart erkämpften Stand behauptete.

      Der eine der beiden Wanderer war von hohem, starkem Gliederbau, auf dem ein mächtiger Kopf saß mit grauem Langhaar und Langbart und buschigen Brauen über den gutmüthig blickenden Augen. Das war der allem fahrenden Volk im Wasgau gebietende Pfeiferkönig Hans Loder, der Trumpeter. Der Andere war ein alter, treuer Kumpan von ihm, Namens Syfritz, einer der vier Weibel, die des Pfeiferkönigs Helfer und Berather in der Ausübung seiner Machtvollkommenheit und seine Beisitzer im Pfeifergericht waren. Er war von hagerer, aber sehniger Gestalt mit wettergebräuntem, bartlosem Gesicht, das einen entschiedenen und zugleich verschmitzten Ausdruck hatte. Ein Spielwerk, dessen sich der Trumpeter in seiner Königswürde nur noch bei besonderen Gelegenheiten bediente, hatte keiner von beiden mitgenommen, denn auf Musikmachen zogen sie nicht aus. Syfritz sollte zu der Kapelle am Dusenbach gehen und mit dem Messner die Vorbereitungen zu der nächstens dort stattfindenden kirchlichen Feierlichkeit verabreden, und Loder begleitete ihn nur ein Stück Weges, um ihm die Verhaltungsmaßregeln für den Sakristan noch einmal gehörig einzuschärfen, damit an dem Tage Alles klippte und klappte, weil, wie ihm Graf Schmasman mitgetheilt hatte, dieses Mal mehr adlige Herrschaften als sonst bei dem Fest erscheinen würden.

      Im gemächlichen Gehen hatten sie das Nöthige zur Genüge mit einander beredet, und ihr Gespräch hatte sich im Anschluß daran auf einzelne Fälle gelenkt, die zur Entscheidung bei dem am dritten Tage des Festes abzuhaltenden Pfeifergericht vorläufig angemeldet waren. Diese Fälle bestanden zum größten Theil


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