Die Hohkönigsburg. Julius Wolff

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Die Hohkönigsburg - Julius  Wolff


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Herzelande.

      »Aber Eingewanderte, Schweizer, aus dem Aargau und ehemals Lehensträger der Baseler Bischöfe. Der hohen Clerisei verdanken sie zumeist den kaiserlichen Lehensbrief.«

      »Schmasman, Du hast mit keinem Auge nach der Hohkönigsburg geschielt?« neckte ihn die allzeit muntere Imagina.

      »Ich?! nein, Du fürwitziges Weiblein!« lachte der Graf hell auf, »aber ich glaube, ich hätte sie haben können, wenn ich ernsthaft danach getrachtet hätte.«

      »Und Du hättest keinen Neider gehabt,« fügte Herzelande mit einem innigen Blick auf ihren stattlichen, ritterlichen Gemahl hinzu.

      »Wer weiß? aber laßt uns hier nicht länger stehen bleiben,« mahnte Schmasman, »ich höre neue Gäste anreiten.«

      Sie stiegen langsam die Stufen hinan, doch nach einer kleinen Weile sagte Schmasman zu der neben ihm gehenden Herzelande: »Soll mich nur wundern, ob die Ottrotter heute kommen werden.«

      »Du zweifelst daran?« fragte sie, wie erschrocken wieder stehen bleibend.

      »Sicher bin ich nicht. Burkhard war wenig geneigt dazu, und ich habe ihm stark zureden müssen. Er fühlt sich durch die Art der Einladung verletzt, weil es Graf Oswald nicht der Mühe werth gehalten, ihm seinen Besuch zu machen, sondern nur seinen jüngeren Bruder Wilhelm geschickt hat, der einen etwas kühlen Empfang auf Schloß Rathsamhausen gefunden haben mag, wie ich aus Burkhards Reden schließen muß.«

      »Ist das sein einziger Grund, heut auf der Hohkönigsburg nicht erscheinen zu wollen? Da könnten wir uns ja gleichfalls beklagen, denn wenn auch Graf Oswald bei uns auf der Ulrichsburg war, seine Frau und Tochter haben sich mir und Isabella nicht präsentirt, so nahe wir ihnen auch wohnen. Wir kennen die Damen noch gar nicht.«

      »Das schadet ja nichts, Mutter« sprach hinter ihren Eltern Isabella. »Ich freue mich auf das Fest und werde mich mit der jungen Gräfin schon zu stellen wissen.«

      »Sie haben auch in der kurzen Zeit, die sie hier sind, mehr zu thun gehabt als nach allen umliegenden Burgen zu reiten,« entschuldigte Herzelande selbst die ihr bisher noch Ferngebliebenen. »Wer wird denn unter diesen Umständen so empfindlich sein!«

      »So denk' ich auch,« sagte Schmasman, »aber Du kennst doch unsern Freund Burkhard. Wenn der in übler Laune ist, ärgert ihn die Fliege an der Wand, daß ihm die Zornader schwillt. Ich bin sehr neugierig, ob er hier sein wird, und wenn nicht, so wird zwischen ihm und Thierstein wenig Liebe wachsen.«

      Inzwischen waren sie, bald auf einem Treppenabsatz anhaltend, bald gemächlich weiterschreitend, an das Löwenthor gekommen. Schmasman stutzte, als er des Heroldes dort ansichtig wurde, faßte ihn scharf ins Auge und begann: »Bist Du es wirklich, Ottfried Isinger, der in dem prächtigen Wappenrocke steckt?«

      »Euer Gnaden zu dienen, Herr Graf!« antwortete Isinger, sich nochmals verneigend und hoch erfreut, daß ihn Schmasman erkannt und angeredet hatte.

      »Ich habe Dich lange nicht gesehen und wußte nicht, daß Du mit hier oben bist. Was schaffst Du denn hier? spielst Du bloß Herold?«

      »Nein, Herr Graf! ich bin Stallmeister auf der Hohkönigsburg.«

      »Nu seh mal Einer an!« lächelte Schmasman. »Dann sagt mir doch, Herr Stallmeister: sind die Herren von Rathsamhausen schon eingetroffen?«

      »Jawohl, Herr Graf!« erwiederte Isinger, »die Herren Burkhard und Philipp von Rathsamhausen mit dero Gemahlinnen und Junker Bruno sind bereits oben im Schloß.«

      »Das freut mich zu hören,« sagte Schmasman, fast aufathmend, wie von einer Sorge befreit. – »Hat der Trotzkopf doch noch Vernunft angenommen,« flüsterte er Herzelande zu.

      Sie schritten, von Isinger geleitet, durch den Eingang in den von hohen Gebäuden eingeschlossenen inneren Burghof, und hier wandte sich Imagina mit einem schelmischen Lächeln zu dem führenden Herold: »Herr Stallmeister, Euren Marstall müßt Ihr mir heute noch zeigen, ich habe soviel Pferdeverstand, daß ich einen Rappen von einem Schimmel unterscheiden kann.«

      »Stehe jederzeit zu Befehl, gnädigste Frau Gräfin!« erwiederte Isinger ehrerbietig und begab sich zum Löwenthor zurück.

      Die Herrschaften aber stiegen über die in einem Thurme befindliche Wendeltreppe zu den Festräumen des Palas empor.

       Inhaltsverzeichnis

      »Seid willkommen auf der Hohkönigsburg, Ihr Herren und Frauen von Rappoltstein! ich grüße Euch als meine Standesgenossen und hoffe, daß ich mich guter Nachbarschaft von Euch zu versehen habe.« Mit diesen erhobenen Hauptes und in lautem Tone gesprochenen Worten empfing Graf Oswald von Thierstein die Eintretenden und reichte jedem derselben leicht die Hand. Dann wandte er sich um, winkte und rief in das Gemach hinein: »Margarethe! Leontine!«

      Die Gerufenen, seine Gemahlin und seine Tochter, kamen herbei, und ihre Begrüßung der drei Rappoltstein'schen Damen war eine sehr herzliche. Sie drückten sich alle die Hände, schauten sich theilnahmsvoll prüfend in die Augen, und die Blicke von der einen wie von der anderen Seite bezeugten ein offenbares Wohlgefallen an einander.

      »Verzeiht, Frau Gräfin Rappoltstein,« begann Gräfin Margarethe, »daß ich mit meiner Tochter noch nicht bei Euch war, aber in diesen zwei Wochen wußte ich wahrlich nicht –«

      »Nur keine Entschuldigung, Gräfin Margarethe!« unterbrach sie Herzelande in der gewinnendsten Weise, »auch eine Schloßherrin ist in erster Reihe Hausfrau.«

      »Ich danke Euch für Eure Nachsicht und werde das Versäumte nachholen; bald, sehr bald komme ich zu Euch.«

      »Und sollt auf der Ulrichsburg mit offenen Armen empfangen werden.«

      »Und Ihr, Gräfin Imagina?« wandte sich die Wirthin zu der Gemahlin Kaspars, »mein Gott, wie jung noch! Ihr könntet ja meine Tochter sein.«

      »Da überschätzt Ihr Euch und unterschätzt mich, Frau Gräfin,« lachte Imagina, »Euch wie eine Mutter zu verehren wäre eine Beleidigung Eurer eigenen Jugendlichkeit.«

      »Eine Schmeichlerin seid Ihr also? da muß man sich ja vor Euch hüten.« Und sie lachten sich beide fröhlich ins Gesicht.

      Zu Isabella hatte die Gräfin Tochter gesagt: »Laßt uns versuchen, Freundschaft mit einander zu schließen. Leontine heiße ich und Ihr Isabella, ich weiß es schon und war sehr begierig, Euch zu sehen. Wir wollen zusammen reiten; ich weiß noch gar nicht Bescheid hier, habe mich neulich schon einmal im Walde verirrt, bis ich einen Jägerknecht traf, der mich zurechtwies. Da führt Ihr mich denn die schönsten, einsamen Waldpfade durch Thäler und Schluchten, die ich so gern zu Pferde durchstreife.«

      Auch Graf Wilhelm von Thierstein und seine Gemahlin waren zu den Rappoltsteinern herangetreten und hatten mit ihnen Bekanntschaft gemacht, indessen Graf Oswald mit Schmasman im Gespräch geblieben war, das sich in höflichen, aber gemessenen Formen bewegte. Jetzt aber erschienen neue Festgenossen, denen sich die Thiersteiner widmen mußten, und die Rappoltsteiner wandten sich den anderen Anwesenden zu und zerstreuten sich in den zur Verfügung stehenden Gemächern.

      Alle, die als Gäste hier erschienen waren, kannten sich unter einander. Neulinge für einige Herren und die meisten Damen waren nur die Wirthe selber, die Thiersteiner, die sich unablässig durch die glänzende Gesellschaft bewegten, um mit jedem der Geladenen verbindliche Worte zu wechseln. Dabei befleißigten sich die Thierstein'schen Damen der größten Zuvorkommenheit, die überall Anklang fand und mit ungezwungener Freundlichkeit erwiedert wurde.

      Graf Oswald dagegen bewahrte in seinem Auftreten und Benehmen eine gewisse Zurückhaltung, die ihm von Vielen als Überhebung ausgelegt wurde, so daß sie hin und wieder verwunderte Blicke tauschten, wenn er durch ein strenges Wesen und durch hochfahrende Äußerungen ein allzu großes Selbstbewußtsein verrieth. Doch konnte er auch von hingebender Liebenswürdigkeit sein, wenn er wollte, und immer war er dies schönen Frauen gegenüber ohne


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