Das Schweigen im Walde. Ludwig Ganghofer

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Das Schweigen im Walde - Ludwig  Ganghofer


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Gaudium der anderen Jäger hatte Pepperl, dem die weinselige Stimmung aus den Augen leuchtete, die Sennerin an beiden Armen gefaßt und suchte sie auf seinen Schoß zu ziehen. Unter Lachen und Schelten wehrte sich das Mädel. Aber Pepperl hielt fest, und seine derben Fäuste drückten, als hätte er nicht zwei warme, mollige Mädchenarme, sondern ein paar Holzscheite unter den Händen.

      »Au weh! Du Narr du! Brichst mir ja d' Arm ausanander!« Um sich frei zu machen, zerrte die Sennerin wie eine Forelle, die am Haken hängt. Dennoch schien sie dieses grobe Neckspiel nicht übelzunehmen. Jeder Wehlaut, den sie ausstieß, wurde durch neues Kichern abgelöst. »Auslassen! Oder —«

      »Oder was?« Lachend griff Pepperl noch derber zu. »Her da! Deiner Lebtag bist noch nie auf eim schönern Bankl gsessen.«

      »Au weeeh — ich weiß mir a bessers! Mein hölzerns Bankl hat feste Füß. Die deinigen wackeln schon!«

      »So? Wackeln? Meinst?« Pepperl zog, daß der schwere Tisch, gegen den das Mädel sich stemmte, ins Rutschen kam. »Wenn s' wackeln, kannst dich schön hutschen drauf!«

      »Ich mag net, 's Hutschen vertrag ich net. Au! Du Narr du! Jesses Maria, mein Arm!«

      Ein paar leere Flaschen rollten über den Tisch, die Gläser klirrten, und das gab einen Lärm, daß Beinößl mahnte: »Der Förstner!« Um die Neckerei zu beenden, wollte er der Sennerin zu Hilfe kommen. Aber das war überflüssig. Pepperl, von einem blendenden Lichtstrahl ins Gesicht getroffen, hatte die Arme der Sennerin fahren lassen. Burgi taumelte und wäre über die hölzerne Bank hinübergepurzelt, wenn sie nicht flink noch die Tischkante hätte erhaschen können. Das lustige Lachen, mit dem sie sich aufrichtete, erstickte zu einem leisen Schrei, als sie plötzlich die schwarze Gestalt mit der Blendlaterne gewahrte. »Alle guten Geister —« Sie wollte schon mit dem Daumen zur Stirn fahren, um sich zu bekreuzen. Da erkannte sie den Gast, kicherte vor sich hin und bestaunte den Lakai vom glattfrisierten Kopf bis zu den blinkenden Schnallenschuhen. Für die vornehme Erscheinung, die er in dem rundgeschweiften Frack, in den Eskarpins aus schimmerndem Atlas und in den schwarzen Seidenstrümpfen machte, hatte sie augenscheinlich nicht das richtige Verständnis. Wohl sprach aus ihren verdutzten Augen etwas wie Respekt und Scheu. Dennoch mußte sie schmunzeln.

      Schweigend saßen die drei Jäger hinter dem Tisch und kauten an den Pfeifen. Pepperl hatte die Fäuste in die Joppentaschen geschoben, saß zurückgelehnt auf dem Sessel, die Beine lang ausgestreckt, und machte mit aufgerissenen Augen ein höchst sonderbares Gesicht. Er wußte wohl, daß droben im Fürstenhaus ein Kammerdiener eingezogen war. Aber hier in der Hütte sah er zwei Kammerdiener, und die beiden hatten die wunderliche Eigenschaft, daß sie sich im Kreis um ihn herumdrehten. Dabei hatten sie ein verdächtiges Lächeln, das dem Praxmaler-Pepperl, je länger er es ansah, das Blut immer heißer in die Stirn trieb. Schwül atmend griff er nach seinem Kopf und wühlte in den Kreuzerschneckerln. Da sah er plötzlich nur einen Kammerdiener. Der lächelte noch immer so — und in prüfender Beschaulichkeit hob er die Blendlaterne, um das Gesicht der Sennerin besser zu beleuchten. Wie hübsch dieses Mädel war! In dem strahlenden Lichtkreis, mit dem kirschroten Schnabel, mit den Schmunzelgrübchen in den runden, brennenden Wangen, mit den dunklen Feueraugen und dem wirrgezausten Braunhaar über der glühenden Stirn! Und von der Nachwirkung des energischen Widerstandes, den Burgi im lustigen Ringkampf mit Pepperl geleistet hatte, atmete der feste Busen so ungestüm, als möchte er den groben Kittel sprengen. Gleich einem wissenschaftlichen Forscher ließ Martin den Schein der Blendlaterne über die Sennerin gleiten. Er verstand sich in solchen Dingen genügend aufs Rätsellösen, um den jungen, strammgesunden Mädchenkörper zu erraten, der sich in dem derben Arbeitskleid versteckte. Der Kenner nickte zustimmend und lächelte.

      Burgi verstand dieses Lächeln nicht. Aber das Schweigen währte ihr zu lang. Lustig sagte sie: »Der Herr Kammerdiener? Gelt? Und ich hab schon gmeint, der Leibhaftige steht vor mir in der schwarzen Stiefelwichs!« Kichernd drückte sie das Kinn auf die Brust.

      Martin wurde verdrießlich. »Na, hören Sie, mein schönes Kind, das ist gerade kein Kompliment. Ich glaube eher, daß ich Ihnen als rettender Engel erschien, um Sie aus den Fäusten dieses groben Lümmels zu befreien.«

      »Oho!« Pepperls Gesicht war anzusehen, als hätte man ihm Zinnober auf die Stirn gestrichen.

      »Sie wünschen?« Martin hob die Laterne. »Ist das einer von unseren Jägern?« fragte er die Sennerin und musterte wieder mit kühlem Blick die stumme Gesellschaft am Tisch. »So viel Manier könntet ihr wohl haben, um zu wissen, daß man aufsteht, wenn jemand von der Herrschaft eintritt.«

      Die Jäger hinter dem Tische guckten einander mit großen Augen an und erhoben sich schwerfällig.

      Pepperl blieb sitzen. Seine Augen funkelten. »Da muß schon wer andrer kommen, bis ich aufsteh. Wegen Ihnen reiß ich mir kein Haxen aus.«

      »Aber Pepperl, geh, was hast denn?« stotterte Burgi erschrocken. Und Beinößl griff über den Tisch hinüber und schüttelte den Erregten mit derber Faust an der Schulter: »Peppi? Bist denn verruckt?«

      »Na! Ich net. Aber in Ruh lassen soll er mich! Der!« Die Mahnung zum Frieden schien Pepperls Zorn noch geschürt zu haben. »Wenn er auch so pikfein dreinschaut wie an auszogener Tintenspritzer, deswegen is er doch net mehr als wie a Stiefelputzer, der sei' Bürsten daheim lassen hat!«

      Martin legte vornehm den blonden Kopf zurück.

      Der kalte Blick rührte in Pepperl den Zorn zum Sieden auf. »Sie! Bleankeln S' net so mit Ihrem ausgwaschnen Gschau! Mich verschlucken S' noch lang net! Und mit solchene Augen können S' enkere Frauenzimmer in der Stadt drin anschauen, aber kein Madl bei uns da heraußen!«

      Ohne auf Pepperl zu hören, war Martin zum Tisch getreten. »Geht einer von den Leutascher Jägern noch heut nach Hause?«

      »Jawoll!« erwiderten Birmoser und Ruef.

      Dem letzteren, der von beiden der minder bekneipte zu sein schien, reichte Martin ein großes Kuvert, das er aus der Brusttasche zog. »Übergeben Sie dieses Kuvert, das zwei Briefe enthält, morgen früh in Leutasch dem Postboten. Die Briefe sollen erst auf der Post in Seefeld aus dem Kuvert genommen werden. Das ist strenger Befehl Seiner Durchlaucht. Haben Sie verstanden?«

      »Jawoll!«

      Mit gnädigem Lächeln wandte sich Martin zur Sennerin, die wortlos dastand. »Gute Nacht, mein schönes Kind!« Freundlich klopfte er sie auf die Wange, dann hob er die Laterne, um seinen Weg zu beleuchten, und verließ die Hütte.

      Mit keinem Blick sah Burgi dem Abziehenden nach, sondern hielt die zornblitzenden Augen auf Pepperl gerichtet. Die drei Jäger hinter dem Tisch begannen zu lachen und wollten mit derben Späßen über den unbehaglichen Augenblick hinüberturnen. Da trat die Sennerin vor Pepperl hin. »Du! Jetzt will ich dir was sagen!« Ihre Stimme zitterte. »Wir sind zwei gute Freund gwesen in aller Lustbarkeit. Net mehr und net weniger. Aber von heut an hat's an End. Solchene Sachen leid ich net in meiner Hütten. Da kannst dir an anders Platzl suchen!«

      »So? So?« kollerte Pepperl. »Is dir am End schon Angst um ihn, weil ich ihm seine schmalzigen Haar a bißl aufkampelt hab?« Höhnend deutete er mit beiden Armen nach der Tür. »So geh doch, geh — main scheenes Gindd — und führ ihn am Armerl, daß er net stolpert. Wann er sich's Nasenspitzl verstaucht, wer weiß, leicht gfallt er dir morgen nimmer.«

      Den Ärger verbeißend, sagte das Mädel ruhig: »Sei stad, gelt! Du rauschiger Unfürm du! Und kümmer dich lieber, daß du an Helfer findst, der dich heut noch auf'n Strohsack lupft! Und der ander? Der soll mich anschaun wie er mag! Dich frag ich noch lang net drum. Net heut und net morgen. Und überhaupt, heut hab ich gnug — von enk alle mitanander!« Sie packte den hölzernen Wassereimer und goß seinen Inhalt über das müd flackernde Herdfeuer, so daß unter dem plätschernden Guß auch das letzte Flämmlein erlosch. Es wurde ein bißchen duster in der Hütte. Das tränende Kerzenlicht, das die große Stube nicht aufzuhellen vermochte, sah aus wie das hilflose Waisenkind einer verlorengegangenen Sternmutter.

      »Aber Madl, geh!« fiel Beinößl beschwichtigend ein. »Der ander gibt eh


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