Das Schweigen im Walde. Ludwig Ganghofer

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Das Schweigen im Walde - Ludwig  Ganghofer


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jedenfalls begründet!« unterbrach der Fürst. »Ich kenne dich, mein guter Martin! Deshalb sag ich dir ein für allemal: Verschone mich hier im Jagdhaus mit deinem Klatsch! Und laß die Jäger in Ruhe! So! Jetzt kannst du mir den Hut bringen.«

      Als der Fürst aus dem Jagdhaus trat, stand Kluibenschädl schon wegbereit vor der Tür, mit der Büchse hinter dem Rücken.

      Auf der Schwelle blieb der Fürst eine Weile stehen und blickte lächelnd hinaus in den reinen Glanz des Morgens. »Wie schön! Und diese Luft!«

      »Ja, bei uns, da schnauft man sich leicht! Und a Tagerl is dös heut! Da müssen wir schon a bißl auffisteigen, damit S' die richtig Aussicht kriegen. Gleich hinterm Jagdhaus haben wir den schönsten Reitsteig bis zum Steinernen Hüttl!«

      Der Fürst blickte auf, als wäre bei diesem Namen eine Erinnerung in ihm wach geworden. »Zum Steinernen Hüttl?« Er lächelte. »Gut! Steigen wir hinauf! Wohnen Leute da droben — beim Steinernen Hüttl?«

      »Aber freilich! Der Senn und sein Bub.«

      »Sonst niemand?«

      »Na! Kein Mensch sonst. Es steht bloß die einzig Sennhütten droben.«

      »Aber gestern am Abend, als ich den kleinen Spaziergang machte, kam jemand von dort oben herunter.« Wieder lächelte der Fürst. »Das war nicht der Senn. Auch nicht sein Bub.«

      »Wird halt a Tourist gwesen sein. Da droben is an Übergangl von der Zugspitz rüber. Da kommen oft Touristen vom Bayrischen her. Der Weg is net grob und is gut zum Gehn.«

      »Auch für Damen?«

      »Ah ja! Ich bin schon öfters einer begegnet. Und dös muß ich sagen: die haben mir allweil gfallen. Ich bin net gut auf d' Weiberleut z'reden. Aber wenn ich merk, daß eine ihr Freud an der lieben Natur und an die Berg hat, da lupf ich mein Hütl net ungern. A bißl Grechtigkeit muß der Mensch auch bei die Weiberleut gelten lassen.«

      Sie waren zum Försterhäuschen gekommen, unter dessen Tür der Praxmaler-Pepperl stand, mit hängenden Armen und einwärts gedrehten Fußspitzen: das verkörperte schlechte Gewissen. Scheu blickte er seinem Herrn entgegen, und dieser Blick schien in banger Sorge zu fragen: »Bin ich jetzt schon verklampert oder net?«

      Lächelnd nickte der Fürst ihm zu. »Ausgeschlafen, Pepperl?«

      Die freundliche Ansprache verwandelte den Jäger in einen anderen Menschen. Seine Gestalt streckte sich, als wäre ihm alle Müdigkeit der durchwachten Nacht aus den Gliedern geblasen. »Grad hab ich noch a Stünderl nachgholt«, sagte er mit verlegenem Lachen, »denn dös is wahr, Herr Fürst, heut nacht hab ich a bißl z'viel derwischt.« Kleinlaut, als bedürfte diese Tatsache einer Entschuldigung, fügte er bei: »Enker Wein is so viel stark. Allweil brummt's mir noch a wengerl unter die Haar.«

      Das kam so drollig heraus, daß Ettingen lachen mußte. Auch der Förster lachte und sagte gutmütig: »No also, leg dich halt wieder nieder auf d'Ohrwaschln! Die gnädig Duhrlaucht gibt dir dienstfrei übern Tag. Aber bis zur Abendpirsch mußt wieder a lichts Köpfl haben. Oder ich wasch dir deine Schneckerln!«

      »Wird's net brauchen!« stotterte Pepperl. »Und schlafen? Dös gibt's net! Jetzt pack ich zamm und marschier aussi zum Sebensee.« Er wandte sich an den Fürsten. »Wissen S', Duhrlaucht, beim Sebensee draußen, da steht unser bester Hirsch. A Vierzehnergweih hat er droben, nix Schöners gibt's nimmer auf der Welt. Heut am Abend schau ich mir sein Auszug an, und wenn er am richtigen Fleckl steht, so müssen S' mit, Duhrlaucht, gleich morgen in der Früh! Die Freud, Herr Fürst, daß S' Enkern ersten Hirsch mit'm Pepperl schießen — die Freud, die müssen S' mir machen! Recht schön tät ich bitten drum. Gelten S', ja?«

      »Ja, Pepperl, den holen wir uns morgen.«

      In seiner Glückseligkeit schrie Pepperl einen klingenden Jauchzer in die Sonne. Dabei fuhr er mit dem Kopf so derb gegen einen vorspringenden Balken der Hütte, daß der Förster rief: »Hö, hö, hö, laß mir wenigstens 's Häusl noch stehn!«

      »Ja, schiergar hätt ich's mit umgrissen!« lachte Pepperl, rieb sich die Haare und verschwand mit brennendem Eifer in der Hütte.

      Als er nach einer Weile, fertig für den Pirschgang, wieder aus der Tür trat, war der Förster mit dem Jagdherrn schon im Wald verschwunden. Lustig blinzelnd lugte Pepperl zum Fürstenhaus hinauf und gewahrte an einem offenen Fenster den Kammerdiener. »Ja, Mannderl! Morgen fallt der Vierzehner. Nacher kannst mich verklampern, wie d' magst!« Schon wollte er mit langen Schritten seinen Weg beginnen. Da blieb er erschrocken wieder stehen und blickte sorgenvoll zur Sennhütte hinunter. »So, schön! Jetzt bleibt dös dumme Madl den ganzen Tag ohne Aufsicht! Mar und Joseph, was tu ich denn da?« Zu dieser Sorge bekam der Praxmaler-Pepperl zu merken, daß es im Himmel einen gütigen Herrgott und draußen in der Leutasch einen gestrengen Bauern gab, der wöchentlich von der Tillfußer Alm seine zwanzig Pfund Butter sehen wollte.

      Drunten an der Sennhütte wurde die Türe gesperrt, und Burgi, mit der hohen, gegen die Sonnenwärme dick vermummten Butterkraxe auf dem Rücken, schritt über das Almfeld hinunter.

      Ein Aufglänzen selbstloser Schutzengelfreude leuchtete über das Gesicht des Jägers. »Gott sei Lob und Dank! 's Madl muß abtragen. Da kommt's vor Abend nimmer zruck!« So rechnete Pepperl in Gedanken. »Derweil is der Herr Fürst wieder daheim. Und da muß er bei der Arbeit sein, der Gschniegelte!« Mit einem seelenvergnügten Jauchzer quittierte er das Ergebnis dieser Rechnung und rief — unverkennbare Schadenfreude im Ton der Stimme — über das Almfeld: »He! Burgi! Tu dein braven Vatern schön grüßen, gelt!« Und mit langen Sprüngen hetzte er schräg durch den Wald hinunter.

      Es dauerte nicht lang, da erschien unter der Türe des Fürstenhauses der Herr Kammerdiener in weiß und grün gestreifter Hausjacke, eine Zigarre zwischen den Zähnen und ein weißes Hütchen auf dem schön frisierten Kopf. Den Rauch in die Sonne blasend und dazwischen eine Arie aus Rigoletto pfeifend, spazierte er über das Almfeld hin und her. Wie zufällig geriet er vor die Sennhütte — und fand die Tür verschlossen.

      »Fräulein Burgi!« rief er leis durch die Ritzen der Bretter. »Fräulein Burgi!«

      Als er keine Antwort erhielt, wanderte er verstimmt davon. Beim Jägerhäuschen blieb er stehen und blickte durch das offene Fenster.

      Drinnen lag Mazegger angekleidet auf dem Bett, das Gesicht in die Arme vergraben.

      »Heda! Sie!«

      Der Jäger erhob sich. Seine Augen waren heiß gerötet.

      »Halten Sie sich fertig bis in einer Stunde. Sie haben einen Brief nach Leutasch zu bringen, der noch heut mit der Post nach Innsbruck muß.«

      Mazegger biß die Zähne übereinander.

      Als gält' es ein hochwichtiges und unaufschiebbares Geschäft zu erledigen, eilte Martin ins Fürstenhaus hinauf, holte aus seiner Kammer ein Notizbuch und ein Zentimeterband, begab sich in das »Grafenstübchen« und verriegelte hinter sich die Tür. Hier saß er eine Weile und betrachtete nachdenklich den anspruchslos möblierten Raum und die weißgetünchten Wände. Dann maß er alle Mauern und Fenster ab — und begann in sein Notizbuch eine lange Liste zu schreiben:

      1. Zartgeblumte Seidentapete auf mattblauem Fond, für 46 qm Wandfläche; Plafond 16 qm.

      2. Für zwei Fenster seidene Gardinen von etwas tieferem Blau; Spitzen als Unterlage; Leisten in Weiß und Silber; Stores in gedämpftem Rosa oder zartem Heliotrop, mit allem Zubehör.

      3. Portieren für eine Tür, Stoff und Farbe der Gardinen; ohne Spitzen; mit allem Zubehör.

      4. Englischer Teppich, 16 qm, 4:4, dem Blumenmuster der Tapete entsprechend.

      So schrieb und schrieb er, bis die Liste über fünf Seiten seines Notizbuches angewachsen war. Dann verließ er das Stübchen, versperrte die Tür und steckte den Schlüssel zu sich.

      Eine halbe Stunde später trug Mazegger einen Brief davon, der an einen Hotelier in Innsbruck


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