Herzmord. Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Herzmord - Dietmar Wolfgang Pritzlaff


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am Tag war, die Innenstadt und die Fahrgeschäfte noch nicht überfüllt waren, ging es gleich in das erste Fahrgeschäft. Eine grosse Schiffsschaukel lud noch völlig leer zum Mitschaukeln ein.

      Ich habe ja so meine Probleme mit Schifffahren und Wellengang, aber dieses Fahrdings machte mir keine Angst. Also rein mit uns allen und dann mussten wir warten, weil zu wenig Leute mitfahren wollten. Wir alle saßen in einer Reihe und schmorten in der Mittagssonne. Immer wieder forderte eine Lautsprecherstimme zum Mitfahren auf: „Jetzt wieder einsteigen, jetzt wieder dabei sein.“ Endlich wurde eine Reihe uns gegenüber von mehreren Kirmesbesuchern besetzt. Dann schlossen sich die Haltebügel vor uns und los ging die Fahrt.

      Leichtes Schaukeln, hin und her. Dann höher und höher bis wir alle am höchsten Punkt senkrecht nach unten schauen konnten. „Das macht Spaß, das macht Freude. Schaut her ihr lieben Leute.“ Der Höchstpunkt der Fahrt war erreicht und wir schaukelten so langsam wieder aus. Ein herrlicher Spaß. Der Fahrtwind zerzauste das Haar der schaukelnden Damen und wir lachten uns darüber schlapp. So, jetzt die Haltebügel öffnen lassen, aussteigen und weiter über die Kirmes.

      Nein, so einfach wurde es uns nicht gemacht. Wir schaukelten nicht aus, sondern immer weiter leicht hin und her.

      „Wollt ihr noch eine Zugabe?“, brüllte uns die Lautsprecherstimme zu.

      Mir reichte die Fahrt die bis hierhin wirklich einfach nur Spaß gemacht hatte. Aber dem ausrufenden Schausteller fehlten Kunden für die nächste Fahrt. Niemand stand an diesem Fahrgeschäft an. Also schrie der Schausteller weiter seine Aufforderungen zum Mitfahren durch die Lautsprecher und hielt unser Gefährt dabei nicht an. Alle sollten sehen, wie toll wir schaukelten.

      Dann schrien die Mitfahrer aus den Reihen uns gegenüber: „Zugabe, Zugabe.“

      „Euer Wunsch ist mein Befehl“, hörten wir und schon setzte sich die Schaukel nochmals in Gang. Ruckzuck waren wir am Höchstpunkt und schauten wieder in die Tiefe. Danach schaukelten wir gemächlich wieder aus.

      So, das war es dann. Jetzt aber Mal was Anderes, dachte ich noch so bei mir.

      Doch dem Schausteller fehlte immer noch nachfolgende Kundschaft. Also fragte er nicht lange ob wir weiterfahren wollten, sondern setzte die Schaukel nochmals in Gang.

      Jetzt wurde mir so langsam komisch. Erst nur ein flaues Gefühl, leicht in der Magengegend. Dann aber immer heftiger. Ich hatte bei meiner Schwester gut zu Mittag gegessen und das gute Essen war durch die Schaukelei schön gemixt worden und meldete eine Überforderung an. Mir wurde schlecht, aber so richtig. Zweimal konnte ich einen Kotzeschwall wieder runterwürgen. Dann sagte ich zu meiner Schwester Vera: „Ich kann nicht mehr“ und sie sah, dass es mir gar nicht mehr gut ging. Wieder schaukelten wir aus und wir rissen alle an dem Haltebügel vor uns, der sich nicht öffnete. Wir schauten alle zum Schaustellerhäuschen und forderten lautstark den Ausrufer auf, uns rauszulassen aus dem Spaßgefängnis. Aber der dachte gar nicht daran uns zu erlösen und startete gleich wieder in den Vollschwungmodus. Wieder schaukelten wir zur Höchstform auf. Den Leuten uns gegenüber gefiel es und sie juchzten vor Freude. Mir wurde schlecht und schlechter und...

      Jetzt war der letzte Punkt erreicht an dem alle noch unbeschadet hätten aussteigen können. Meine Schwester Gunilla bemerkte mein heftiges Schlucken und ich war wohl kalkweiß im Gesicht. Schnell breitete sie mir meine eigene mitgebrachte hochmoderne Cordjacke vor mich aus und dann kamen schon Schwall für Schwall echte sauerländische Kotzbrocken in saurer Tunke aus mir rausgeschossen.

      Als die Leute uns gegenüber meine Kotzerei bemerkten, johlten sie immer weniger, denn wenn wir auf der linken Seite den Höchststand erreichten drohte meine Kotze der Schwerkraft geschuldet nach unten zu tropfen. Aber dank meiner beiden Schwestern blieb das meiste in meiner Jacke. Auch sie waren ja Tropf-Kotze-gefährdete-Mitfahrer.

      Nach der dritten Zugabe war dann wirklich Schluss. Der Schausteller hatte ein Einsehen. Vielleicht auch deshalb, weil er befürchten musste, dass sein Fahrgeschäft durch die Kotze verunreinigt worden war und er vielleicht noch putzen musste.

      Ich kam allein nicht mehr aus der Riesenschaukel. Mein Schwager Edgar und meine Schwester Vera zerrten mich aus der Reihe. Mein Kopf und auch alle anderen meiner Gliedmaßen hingen schlaff herunter und ich konnte alleine keinen einzigen Schritt mehr machen. Sie schleppten mich auf eine Parkbank die im Schatten stand und ich drohte vornüber zu kippen sobald man mich losließ. Also wurde ich gestützt von beiden Seiten, denn ich göbelte immer noch die grüne Galle aus mir raus. Das wollte nicht aufhören.

      Meine Schwester Gunilla kippte die Kotze aus meiner Jacke in einen nahestehenden Mülleimer und mit ein paar Taschentüchern wischte sie die saure Soße weg. Natürlich stank die Jacke wie Teufel. Irgendjemand hatte eine Plastiktüte dabei. Schnell die Jacke in die Tüte und gut verknotet zum Mitnehmen und waschen.

      Alle standen um mich herum und warteten darauf, dass es weitergehen konnte. Aber ich konnte nicht. Nicht aufstehen und nicht gehen. Keinen Meter. Sofort war ich schwindelig und schaute nur noch auf den Boden. Bloß nicht nach oben sehen. Was tun?

      Vera und Edgar schlugen vor, mich in Edgars Wohnung nach Sümmern zu bringen. Da sollte ich ausruhen. Ich war aus Altena nach Sümmern gefahren, um die beiden zu besuchen und dann zur Kirmes gemeinsam weiterzufahren. Mein Auto stand vor dem Haus. Jörn, Melanie und Gunilla wollten weiter über die Kirmes den Tag genießen.

      Vera und Edgar schleppten mich zwischen sich eingeklemmt zum Auto. Das war ein ganzes Stück und unterwegs ging es immer mal wieder „ab in die Hecke“ zur Grünflächenverunreinigung.

      In Edgars Auto durfte ich vorne sitzen, damit ich während der Fahrt schneller aus dem Auto kam, wenn meine Kotzerei wieder anfangen würde. Das Fenster war fast ganz runtergekurbelt, um mir frischen Fahrtwind ins Gesicht pusten zu lassen, dann sollte es mir bessergehen. Aber mir wurde nicht besser. Wenn die Fahrt durch eine Kurve ging, dann würgte es schon wieder und so schnell konnte Edgar gar nicht anhalten. Dann hieß es für mich weit aus dem Auto lehnen und versuchen nicht das Auto zu bekotzen. Was mir nur mäßig gelang. Edgar durfte am nächsten Tag nochmals nachwischen oder brachte er das Auto gleich in eine Waschstraße?

      Ich weiß nur, dass ich nichts mehr machen konnte. Keine Kraft mehr, in keinem Glied. In Sümmern angekommen hakten mich Vera und Edgar wieder unter und brachten mich in die Wohnung. Sie betteten mich auf ihre große Wohnlandschaft. Decke drüber und warten, dass es mir besser geht. Aber es wurde nicht besser, eher verschlimmerte sich mein Zustand. Alles drehte sich. Ich sah wild aufblitzende Punkte vor meinen Augen. Und immer wieder musste ich mich über den vor dem Sofa stehenden Eimer beugen und die nächste Fuhre Kotze abreihern. Eklig!

      Am Samstagabend versuchte ich mich zum ersten Mal aufzurichten. Aber schon bei dem langsamen Versuch drehte sich wieder alles und mir wurde wieder schlecht. Also ließ ich es. Selbst eine warme Tasse Kamillentee konnte ich nicht runterkriegen. Ein paar Schlucke dann war schon wieder Schluss mit lustig. Ich ließ mich zurück aufs Sofa fallen und schlief ein. In der Nacht wachte ich zweimal auf, weil mir schon wieder hundeelend zu Mute war. Erst mal wieder den Tee rauskotzen und weitergeschlafen. Aufstehen und zur Toilette laufen konnte ich nicht. Da gingen mir sofort die Beine weg und der Schwindel begann wieder aufs Neue.

      Ich hatte schon immer Probleme mit Fahrgeschäften die sich entweder nur in eine Richtung drehten, wie Kettenkarussell, „Schirmchen“, „Polyp“ oder „Enterprise“. Noch schlimmer bei Schiffsschaukeln und dem damals so beliebten „Ranger“, bei dem sich die Gondel über Kopf drehte und auch über Kopf stehen bleiben konnte, um dann in die andere Richtung wieder zu schwingen. Ich hielt immer nur ein paar Drehungen durch. Wenn also viel los war, die Leute an den Fahrgeschäften anstehen mussten und auf die nächste Fahrt warteten, dann wusste ich, dass die Schausteller bemüht waren so schnell wie möglich die Fahrten zu beenden und keine Zugaben zu geben. Die Massen wollten ja schnell mit einer Portion Bespaßung befriedigt werden. Dann konnte auch ich mit diesen Fahrgeschäften fahren. Wenn aber die Fahrten nicht enden wollten, dann war bei mir schnell das Ende in Sicht. Wie sich auch in diesem Fall herausstellte. Auf Achterbahnen geht es mir gut. Da ändert sich ständig die Richtung. Mir geht es auch dann noch gut, wenn ein paar Loopings hintereinander auf den Achterbahnen verbaut waren. Nur nicht in ein und dieselbe Richtung. Da ist


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