Herzmord. Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Читать онлайн книгу.als Schönheitsoperation bewertet werden, die ich teuer selbst bezahlen hätte müsste, sondern als ganz normale Nasen-OP durchgehen, weil es für mich als Patienten wichtig wäre, wieder Luft zu bekommen. Na, bestens!
Der Krankenhaustermin nahte und ich hatte sämtliche Kopfhöhlen voll mit dickem Eiter. Mir war ständig schwindelig, fühlte mich schlaff und einfach nur krank und ich freute mich auf Erlösung durch die OP.
Operation geglückt – Patient voll Schmerzen. Meine Nase war nach der OP doppelt so dick. Geschwollen, erklärte man mir. Die Schwellung sollte in Ruhe abklingen und dann würde die Nase wieder schlank und rank wie vorher.
Aus jedem Nasenloch lugte ein Stück Mullbinde hervor. Die müssten noch 3 Tage drinbleiben, die sollten nachlaufendes Blut aufsaugen. Aber nix war mit aufsaugen. Ich hatte ständig einen bleiernen Blutgeschmack im Hals. Mir lief das Blut aus den Nebenhöhlen den Hals herunter. Sehr lecker. Bah!
Die ersten Tage konnte ich kaum normal sprechen mit den Stopfen in der Nase. Am dritten Tag kam eine Krankenschwester mit einer Blechschale und einer Zange an mein Bett. Sie forderte meinen Zimmernachbarn auf, das Zimmer zu verlassen, denn jetzt würde es unangenehm.
„Ach, das macht mir nix aus“, meinte mein Zimmerkollege.
Die Krankenschwester sagte daraufhin: „Nicht für Sie, aber für Herrn Pritzlaff.“ Darauf verließ mein Leidensgenosse das Zimmer und schloss die Tür. Meine Folter-Schwester stand bewaffnet vor mir.
„Dann wollen wir mal“, erklärte die Krankenschwester. Ich setzte mich auf und die Krankenschwester hielt mir die Blechschale ans Kinn. Dann schnappte sie mit ihrer Zange das Ende des Stopfens aus dem linken Nasenloch und los ging’s.
Von jetzt auf gleich spürte ich den Schmerz. Ob ich wollte oder nicht, es flossen sofort Tränen. Ich konnte es nicht unterdrücken. Auch nicht den Schmerzensschrei der im Zimmer echote.
Und die Krankenschwester zog und zog und wurde nicht fertig. Die Stopfen waren wie angeklebt. Sie riss nochmals an dem Mullstopfen, nochmals ein heftiger Schmerz, dann war die erste Hälfte geschafft. Warum schmerzte das so? Weil die Mullstopfen an den frisch getrockneten Wunden festbappten. Jetzt lief Blut aus dem Nasenloch. Ich trocknete mir mit einem Taschentuch die Tränen. Dann war schon wieder die Krankenschwester mit ihrer Blechschale ganz nah vor mir.
„Wir müssen noch die andere Nasenseite befreien“, sagte sie mir und riss schon an dem Ende des Mullstopfens. Wieder lösten sich Blutkrusten mit samt dem Mullzeugs aus der Nase. Blut floss und ich schrie wieder auf. Das ging gar nicht anders. Der Schmerz musste herausgeschrien werden.
Endlich war auch die zweite Nasenhälfte befreit. Die Krankenschwester lobte mich zum Trost und ging.
Ich sog Luft durch die Nase ein und ich bekam auch Luft. Wow... das war klasse. Endlich die Erlösung von der Vereiterung. Aber die Nase war empfindlich. Schon die kleinste Berührung verschaffte mir ungeahnte Schmerzen. Selbst bei der Berührung mit der Bettdecke war mir, als ob ich im Boxring einen ordentlichen Haken auf die Nase bekommen hätte.
Die Nase beruhigte sich in den nächsten 2 Tagen merklich. Nur Nasebohren konnte ich nicht, dann war der Schmerz sofort wieder da. Mehrmals am Tag musste ich in die Anwendungsabteilung in der es auch Fangopackungen und Moorbäder gab. Ich bekam Inhalationen. 4 Inhalationsstationen nebeneinander aus denen es heiß dampfte. Mit der Nase über den Dampfstrahl und eingesogen. Am Anfang ging es fast gar nicht. Zu heiß, zu feucht. Die heißen Dämpfe lösten die Blutkrusten zwar nicht auf, machten sie aber geschmeidig, aber die Schleimhäute waren so gereizt, dass sie sogleich wieder zu bluten begannen. Mit mehr Abstand zum Dampf atmete ich dann weiter. Hauptsache die heilenden Dämpfe machen meine Nase wieder heile.
Mit der neuen Nase wurde ich zu Dr. Schwerbrock gerufen. Er hatte ein Behandlungszimmer im Krankenhaus und empfing mich gleich mit den Worten: „Na, das sieht doch ganz prima aus.“
Ach, dachte ich, meine Nase war noch immer geschwollen und passte so gar nicht in mein Gesicht mit ihrer jetzigen Größe. Was sollte da prima aussehen?
Ich setzte mich auf einen Stuhl, Kopf nach hinten. Der Herr Doktor stand vor mir und griff nach einem langen Stahl-Instrument. Eine ungewöhnlich lange Pinzette. Ungefähr 20 Zentimeter lang.
Und dann verschwand diese Pinzette in meinem linken Nasenloch. Des Doktors Hand kam immer näher und die 20 Zentimeter-Pinzette verschwand mehr und mehr in meinen Kopf. Ich wunderte mich, dass so viel Platz war. Wo wollte der Herr Doktor hin?
Dann zupfte er mir aus dem Nasenloch Blutkrusten von den Wunden. Wieder durchzuckte mich ein Schmerz nach dem anderen und die Tränen rollten unaufhörlich. Ich konnte Gestöhn und Geschrei vor diesem Klotz von Arzt unterdrücken, aber die Tränen nicht. Die quollen einfach hervor.
Der Arzt zog die Pinzette aus meinem Kopf mit den Worten: „Stell Dich jetzt nicht so an...“
Anstellen? Was für ein Arsch.
„So, die andere Seite“, und schon kam diese lange Pinzette wieder zum Einsatz und fuhr mir langsam aber sicher in das rechte Nasenloch und verschwand fast ganz.
Dann hatte Dr. Schwerbrock eine dicke Kruste entdeckt und zupfte nur leicht daran herum, aber ich konnte den Schmerz wirklich nicht aushalten. Echt nicht. Der Arzt wollte gerade ziehen, da stieß ich ihn mit meinen beiden Händen, mit voller Wucht gegen seinen dicken Bauch vor mir und schubste ihn weg.
Es kam zum Streitgespräch. Er wollte nochmals in die Nase, ich lehnte ab. Er wollte doch nur die Kruste... Ich wollte meine Kruste behalten. An diesem Tag wollte ich gar nichts mehr. Dieser Pferdedoktor.
„Dann sehen wir uns in 2 Tagen wieder“, rief er hinter mir her, als ich sein Behandlungszimmer verließ und auf mein Zimmer ging.
Natürlich musste ich nach 2 Tagen wieder in sein Behandlungszimmer kommen und dann wurden die anderen Krusten gezogen. Wieder unter Schmerzen, aber die konnte ich jetzt besser aushalten. Wahrscheinlich sind sie durch die Inhalationen weicher geworden und pappten nicht mehr so fest an den Schleimhäuten.
Nach 2 Wochen war ich wieder zuhause und bekam noch weitere Termine zum Dampfheilen aufgebrummt. Immer wieder musste ich ins Krankenhaus um die heilenden Dämpfe zu atmen.
Nach 6 Wochen sollte ich völlig geheilt sein, aber es dauerte bei mir noch länger. Immer noch waren die Schleimhäute gereizt und ich hatte oftmals Nasenbluten ohne zu Bohren oder zu Schnaufen. Die Nase saß wieder abgeschwollen da wo sie sitzen sollte – mitten im Gesicht, aber immer noch etwas krumm und mit dem altbekannten Höcker.
Außerdem war da irgendetwas falsch oder nicht so wie vorher. Wenn ich auf der linken Seite geschlafen hatte, habe ich immer Luft durch beide Nasenlöcher ziehen können, vorausgesetzt das ich keine Vereiterung in den Nebenhöhlen ausbrütete. Aber jetzt konnte ich auf der linken Seite liegen und die linke Nasenhälfte zog sich beim Lufteinsaugen sofort nach innen und ließ keine Luft mehr durch. Sie fiel regelrecht nach innen zu und machte dicht. Ich bekam nur durch die rechte Seite Luft. Es musste etwas geschehen. Ich latschte mal wieder zu dem HNO-Arzt Dr. Schwerbrock.
„Sie hatten mir doch eine gerade Nase ohne Knubbel darauf versprochen. Das wäre sonst eine Schönheits-OP. Aber ich sehe keinen Erfolg in dieser Hinsicht und außerdem fällt die linke Seite beim Schlafen zu.“ So ging ich den Arzt und seine Behandlung an.
Der meinte nur: „Die Operation war durchaus erfolgreich. Ich brauchte die Nase nicht zu begradigen. Ich habe nur die Stirn- und Nebenhöhlengänge geweitet.“
„Aber sie wollten sie doch begradigen“, schnauzte ich ihn an.
„Wenn Du das noch willst, dann leg dich doch nochmals ins Krankenhaus, dann werden wir die Nase begradigen.“
Was? Wie? Der spinnt doch. Ich raste vor Wut.
In den nächsten Tagen überlegte ich mir mein weiteres Vorgehen, gegen diesen schweren Brocken. Ich ließ mir einen Termin bei einem anderen HNO-Arzt in Iserlohn geben. Bei diesem Termin erklärte ich den Fall dem neuen Arzt und dieser meinte nach einer kurzen Nasenbesichtigung nur: „Da hat der Doktor ja gut gearbeitet.“
„Nein,