Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre - Henryk Sienkiewicz


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bald von großen, langsam herabrinnenden Thränen benetzt wurden.

      Da mit einem Male, um die abendliche Melkezeit – die Sonne ging gerade unter – erschien Hlawa wieder und nicht allein, nein, sondern er trieb eine seltsame, aber doch menschenähnliche Gestalt an einem Stricke vor sich her. Mit lautem Freudengeschrei wurde der Böhme begrüßt; bald jedoch verstummten die Rufe beim Anblick der merkwürdigen, in eine Wolfshaut gehüllten, schmächtigen Erscheinung, die mit ihrem geschwärzten Antlitz und mit ihren auffallend behaarten Händen einen gar unheimlichen Eindruck machte.

      »Im Namen des Vaters und des Sohnes, was bringst Du uns dafür einen Kobold?« fragte der sich allmählich von seinem Schrecken erholende Macko.

      »Das weiß ich selbst nicht!« entgegnete der Knappe. »Seiner Behauptung nach ist er freilich ein Mensch und zwar ein Pechsieder, ob er aber die Wahrheit spricht, vermag ich nicht zu sagen.«

      »O, das ist kein Mensch, das ist kein Mensch!« ließ sich jetzt Wit vernehmen.

      Doch Macko befahl ihm Schweigen, betrachtete prüfend und aufmerksam den Ergriffenen und sprach dann plötzlich zu letzterem also: »Mache das Zeichen des Kreuzes! Sofort mache das Zeichen des Kreuzes!«

      »Gelobt sei Jesus Christus!« rief der Gefangene unverweilt. So rasch wie möglich machte er hierauf das Zeichen des Kreuzes, holte, mit größerem Zutrauen umherblickend, tief Atem und sagte abermals: »Gelobt sei Jesus Christus! Hei,« fügte er gleich darauf hinzu, »ich wußte wahrlich nicht, ob ich in die Hände von Teufeln oder von Christen gefallen sei. O Jesus!«

      »Hege keine Furcht. Du bist unter Christen, die gar gern die heilige Messe hören, doch sprich, wer bist Du?«

      »Ein Pechsieder, o Herr. Wir sind unserer sieben in den Hütten, die wir mit Frauen und Kindern bewohnen.«

      »Wie weit hausest Du von hier?«

      »Etwas über tausend Schritte weit.«

      »Welchen Weg pflegt Ihr nach der Stadt einzuschlagen?«

      »Wir benützen stets den Weg hinter dem Teufelsthale.«

      »Mache nochmals das Zeichen des Kreuzes.«

      »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.«

      »So ist’s gut. Kann der Weg auch befahren werden?«

      »Jetzt ist’s freilich überall sumpfig, allein der Weg durch den Wald ist immer noch besser als die Landstraße, denn der dort wehende Wind trocknet die Feuchtigkeit rascher auf. Gar schlimm sieht es zwar bis zu den Hütten aus, mit einem des Waldes Kundigen aber kann ein jeder ohne große Fährlichkeiten dahin gelangen.«

      »Willst Du uns für einen Skotus führen? Nein, bei meiner Treu, zwei Skotus sollst Du haben.«

      Der Pechsieder stimmte bereitwillig ein, bat aber noch um einen Leib Brot, denn wenn auch die im Walde Hausenden niemals Hunger litten, hatten sie doch seit längerer Zeit kein Brot mehr zu Gesicht bekommen. Es wurde nun beschlossen, am nächsten Morgen aufzubrechen, denn dies gegen Abend zu thun, war nicht »ratsam«.

      Boruta, so erklärte der Pechsieder, stürme zuweilen entsetzlich durch den Wald. Einfachen Leuten füge er indessen keinen Schaden zu, er jage nur, von Zorn gegen den Fürsten von Leczyca entbrannt, andere Teufel durch das Gehölze. Des Nachts mit ihm zusammenzutreffen, sei aber für jeden Menschen dann besonders gefährlich, wenn dieser zu viel getrunken habe. Bei Tage brauche sich aber ein nüchterner Mann nicht vor ihm zu fürchten.

      »Du aber zitterst ja vor Furcht!« bemerkte Macko.

      »Weil dieser Ritter hier, ohne daß ich es bemerkte, mich mit solchem Ungestüm packte, daß ich ihn nicht für einen gewöhnlichen Menschen halten konnte.«

      Diese Aeußerung veranlaßte Jagienka zu lautem Lachen, hatten doch sie und mit ihr alle andern in dem Pechsieder einen »schlimmen Unhold« gewittert, während der Knappe von dem Pechsieder als ein unflätiger Geist betrachtet worden war. Als aber Anielka sofort dem Beispiele ihrer Gebieterin folgte, da meinte Macko: »Noch sind Deine Guckäuglein naß von den über Hlawa vergossenen Thränen und schon grinsest Du wieder.«

      Nun schaute der Böhme in das rosige Antlitz des Mägdleins, dessen Augenwimpern noch ganz feucht waren, und fragte: »Haben Eure Thränen mir gegolten?«

      »Nein, nein,« antwortete die Maid, »ich ängstigte mich, das ist alles.«

      »Ihr seid von edler Art und solltet Furcht nicht kennen. Eure Herrin ist weit beherzter. Was könnte Euch auch unterwegs und unter so viel Menschen Schlimmes zustoßen?«

      »Mir wohl nicht, aber Euch.«

      »Ihr sagtet aber doch, Ihr weintet nicht um mich.«

      »Ja, weil ich es auch nicht that.«

      »Weshalb habt Ihr denn geweint?«

      »Aus Angst.«

      »Jetzt aber habt Ihr wohl keine Angst mehr?«

      »Nein.«

      »Und warum nicht?«

      »Weil Ihr zurückgekehrt seid.«

      Dem Mägdlein einen dankbaren Blick zuwerfend, sprach nun Hlawa lächelnd: »Bei meiner Treu, auf solche Weise könnte unser Gespräch bis morgen in der Frühe währen. Ihr seid ein arglistiger Schalk!«

      »Spottet nicht über mich!« bat die Tochter der Sieciechowa in leisem Tone.

      Anielka war auch in der That nichts weniger als arglistig, und der äußerst kluge Hlawa wußte dies nur zu gut. Eben so klar war er sich aber auch darüber, daß die Maid ihm täglich teurer wurde. Wohl liebte er Jagienka, allein er liebte sie wie der Untergebene die Königstochter liebt – voll Ehrerbietung, doch hoffnungslos. Die gemeinsame Fahrt aber hatte zudem die Tochter der Sieciechowa und ihn fast immer zusammengeführt. Sobald sie sich auf den Weg machten, ritt der alte Macko mit Jagienka voran und so kam es, daß sich Hlawa stets Anielka zugesellen mußte. War es daher zu verwundern, wenn den einem Auerochsen an Kraft gleichenden Burschen, dem das Blut heiß durch die Adern rollte, ein Zittern überlief, sobald er in die blauen Augen der Jungfrau schaute, sobald seine Blicke auf deren blonden, welligen, von dem Netze nur schwer zusammengehaltenen Haaren ruhten, auf dieser schlanken, wohlgebildeten Gestalt, vor allem aber auf den wie aus Marmor gemeißelten Beinen, welche sich so fest an den Rappen schmiegten. Unwillkürlich hatte er all diese Reize immer sehnsüchtiger mit seinen Blicken verschlungen, und immer häufiger war ihm der Gedanke gekommen, der Teufel würde leichtes Spiel mit ihm haben, wenn er die Gestalt eines solch jungen Burschen annähme. Und so süß war dieses Bürschlein, so süß wie Honig, und so gehorsam, daß es dem Böhmen alles an den Augen ablas, und so fröhlich wie ein Spatz auf dem Dache. Gar seltsame Gedanken schossen daher dem Knappen zuweilen durch den Sinn, und als er einmal ein wenig mit Anielka bei den Saumrossen zurückgeblieben war, wandte er sich plötzlich zu ihr und hub also an: »Wißt, ich möchte Euch geradezu packen wie der Wolf das Lamm.«

      Da lachte die Maid so herzlich, daß ihre weißen Zähne sichtbar wurden.

      »Wollt Ihr mich denn auffressen?«

      »Ja, und mit allen Euern Knochen!«

      Tief errötete sie unter dem Blicke, den er ihr bei diesen Worten zuwarf. Ein längeres Schweigen war dann eingetreten, aber beider Herzen pochten laut, das Herz des jungen Knappen vor sehnsüchtigem Verlangen, das Herz der Jungfrau vor einer süßen berückenden Angst.

      Heißes Begehren hatte anfänglich alle andern Gefühle in der Brust des Böhmen erstickt, und als er sich Anielka gegenüber dem Wolfe verglich, der sich auf das Lamm stürzt, hatte er die Wahrheit gesprochen. Jetzt aber, an diesem Abend, da ihre Augen und Wangen feucht von Thränen schimmerten, da ward ihm plötzlich ganz weich ums Herz. Wie war sie gut, wie war sie ihm zu eigen! Doch nicht Hochmut, nicht Stolz schwellten ihm das Herz beim Anblick der Thränenspuren, nein, er wurde zaghafter, rücksichtsvoller, denn er besaß eine ehrliche, ritterliche Natur. Nicht mehr wie früher sagte er unbesorgt und unbedacht alles frei heraus, was ihm gerade in den Sinn kam, und wenn er auch abends


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