Wachtmeister Studer. Friedrich C. Glauser
Читать онлайн книгу.von seinem Verdacht auf Somnifen… Der Arzt versprach das Protokoll auf den Nachmittag.
Dann blätterte der Wachtmeister weiter im Telefonbuch. Nein, hier war keine Fiebertabelle versteckt. Das Zimmer sah nicht aus, als sei es durchsucht worden. Studer probierte die Schubladen am Schreibtisch, sie waren verschlossen.
Das Schlafzimmer… Ein riesiges Bett darin und vor dem einzigen Fenster rote Plüschvorhänge. Sie verdunkelten den Raum. Studer zog die Vorhänge auf.
Über dem Bett hing das Bild eines Mannes.
In Bern eine einsame Frau, in Basel eine einsame Frau. – Die Frau in Bern hatte es ein wenig schöner gehabt, Zweizimmerwohnung mit Küche, während die Josepha in Basel den Durchgangskorridor zum Wohn- und Schlafzimmer als Küche benutzt hatte. Aber einsam waren sie beide gewesen. Studer ertappte sich darauf, die alten Frauen bei ihrem Vornamen zu nennen. Die Josepha in Basel und die Sophie in Bern, beide schlurften in Finken in ihren Wohnungen herum, wahrscheinlich gingen sie auch in Finken über die Straße »go poschte«…
Merkwürdig, dass in der Wohnung der Josepha in Basel kein Bild des verstorbenen Geologen hing. Josepha war doch die rechtmäßige Gattin gewesen, während die Sophie nur eine »G’schydni« war…
Aber über dem Bett der Geschiedenen hing, mit dicken Holzleisten eingerahmt, die vergrößerte Fotografie des Cleman Alois Victor. Denn nur um diesen konnte es sich handeln.
Er trug auf dem Bilde einen dunklen, gekräuselten Bart, der den hohen Westenausschnitt so vollständig verdeckte, dass die Form der Krawatte nicht festzustellen war. Ein Bart! Zeichen der Männlichkeit vor dem Krieg!
Der Bart musste dem Geologen und Schweizer heiß gegeben haben, dort unten in Marokko, beim Silber-, Blei- und Kupferschürfen!… Dazu trug der Mann eine Brille, deren ovale Gläser die Augen verbargen. Verbargen? Es war nicht das richtige Wort!… Sie ließen nur den Blick sonderbar matt und unbeteiligt erscheinen – unpersönlich. Und dadurch wurde auch das ganze Gesicht ausdruckslos.
Ein schöner Mann! Wenigstens das, was man in jenen vorsintflutlichen Zeiten unter einem schönen Mann verstanden hatte…
Studer starrte auf das Bild; er schien zu hoffen, dass ihm der Ehemann von zwei Frauen etwas erzählen werde. Aber der weitgereiste Geologe blickte so gleichgültig drein, wie nur ein Wissenschaftler gleichgültig dreinblicken kann. Und der Wachtmeister kehrte ihm endlich verärgert den Rücken zu.
Als er wieder die Küche betrat, war der lederne Klubsessel nicht mehr leer.
Ein Mann saß darin, der ein merkwürdiges Spiel spielte: er hatte seine Mütze, die aussah wie ein vom Töpfer verpfuschter Blumentopf, über den Zeigefinger seiner Rechten gestülpt. Mit seiner Linken gab er dem vertätschten Gebilde kleine Stöße und brachte es zu einem langsamen Kreisen.
Der Mann, der eine weiße Kutte trug, blickte auf:
»Bonjour, Inspecteur!«, sagte er. Und dann fügte er in einem fremdländisch klingenden Schweizerdeutsch hinzu: »Es guets Neus!«
»Glychfalls!«, antwortete Studer, blieb unter der Tür stehen und lehnte sich an den Pfosten.
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