Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.Ruck gespürt zu haben, als der Spieler Tom Galsworthy in Tempas Butte in Ermangelung eines vierten Mannes zu ihm, dem damals Fünfzehnjährigen, gesagt hatte: »Komm her, Bengel, spiel' mit!« Die dürftigen maschinengeschriebenen Zeilen schienen mit Mystik geladen. »Unser Herr Howison wird Sie in Ihrem Hotel aufsuchen. Sie können sich auf ihn verlassen. Man darf uns nicht zusammen sehen. Wenn wir miteinander gesprochen haben, werden Sie verstehen, warum.« Daylight las die Worte immer wieder. Jetzt schien es, als sei das große Spiel gekommen und er zum Mitspielen aufgefordert. Sicherlich, denn kein anderer Grund konnte einen Mann bewegen, einen andern zu einer Reise quer über den Kontinent aufzufordern.
Sie trafen sich – dank »unserm« Herrn Howison – auf einem prachtvollen Landsitz am oberen Hudson. Infolge der erhaltenen Instruktionen hatte Daylight ein ihm zur Verfügung gestelltes Privatauto vorgefunden. Den Eigentümer des Wagens kannte er ebensowenig wie den des Hauses, das von riesigen, mit Baumgruppen bestandenen Rasenflächen umgeben war. Dowsett war schon da und ebenso ein anderer Mann, den Daylight erkannte, noch ehe sie einander vorgestellt waren. Es war Nathaniel Letton und kein anderer. Daylight hatte sein Gesicht unzählige Male in Blättern und Zeitschriften gesehen und über seine Stellung in der Finanzwelt, wie über die von ihm gestiftete Universität in Daratona gelesen. Auch er wirkte auf Daylight als ein starker Mann, wenn ihn auch wunderte, daß er gar keine Ähnlichkeit mit Dowsett hatte. Mit Ausnahme seiner Sauberkeit – einer Sauberkeit, die sich bis in seine innersten Fibern zu erstrecken schien – war er in jeder Beziehung von dem andern verschieden. Er war mager wie ein Schwindsüchtiger und sah aus wie ein Mann, in dessem Innern eine mysteriöse kalte chemische Flamme mit der Hitze von tausend Sonnen unter einem gletscherhaften Äußern brannte. Besonders seine großen grauen Augen verursachten dies Gefühl. Sie flackerten fieberhaft in einem Antlitz, das fast einem Totenkopfe glich; so mager war es und so unheimlich matt und leichenähnlich seine Haut. Er war nicht älter als fünfzig, wirkte aber mit seinem schütteren grauen Haar doppelt so alt wie Dowsett. Dennoch war Nathaniel Letton der geborene Herrscher – das konnte Daylight deutlich sehen. Er war ein Asket mit einem mageren Gesicht, der in einem Zustand überirdischer Ruhe lebte – ein feuerflüssiger Planet unter einer Eisdecke, die sich von Festland zu Festland erstreckte. Aber den größten Eindruck von allem machte auf Daylight die entsetzliche, beinahe unheimliche Sauberkeit des Mannes. Er war schlackenlos. Er schien wie im Feuer geläutert. Daylight hatte das Gefühl, daß ein guter, gesunder Fluch eine tödliche Beleidigung, eine Entheiligung, eine Gotteslästerung für ihn sein mußte.
Sie tranken – das heißt, Nathaniel Letton trank Mineralwasser, das von dem lautlos wirkenden Automaten von Lakaien, der das Haus bewohnte, serviert wurde, während Dowsett einen Whisky-Soda und Daylight einen Cocktail nahm. Keiner schien etwas Ungewöhnliches an einem »Martini« um Mitternacht zu finden, obwohl Daylight scharf beobachtete; denn er hatte längst gelernt, daß ein »Martini« seine bestimmte Zeit und Stelle hatte. Aber er liebte »Martini« und wollte als Naturmensch die Freiheit haben zu trinken, wann und wo es ihm paßte. Andere hätten vielleicht die eigentümliche Gewohnheit beachtet, nicht so Dowsett und Letton, und Daylights geheimer Gedanke war: »Die würden auch nicht mit der Wimper zucken, wenn ich ein Glas ätzendes Sublimat verlangte.«
Als sie mitten im Trinken waren, kam Leon Guggenhammer und bestellte sich einen Whisky. Daylight studierte ihn neugierig. Das war also einer von den großen Guggenhammers; ein jüngeres Mitglied der Familie zwar, aber immerhin einer von ihnen, mit denen er seinen Kampf auf Leben und Tod droben im Norden ausgefochten hatte. Und Leon Guggenhammer machte denn auch kein Hehl aus der alten Geschichte. Er beglückwünschte Daylight zu seiner Kühnheit. – »Das Echo von Ophir ist bis zu uns gedrungen, wissen Sie. Und ich muß sagen, Herr Daylight – äh, Herr Harnish –, daß Sie uns bei der Geschichte ordentlich eins ausgewischt haben.«
»Das Echo!« Es gab Daylight doch einen Stoß bei dieser Bemerkung – das Echo von dem Kampf, zu dem er alle seine Kräfte und seine Klondike-Millionen aufgewandt hatte, war zu ihnen gedrungen. Die Guggenhammers mußten wirklich groß sein, wenn ein derartiger Kampf für sie nur ein Scharmützel war, dessen Echo sie zu hören geruhten. »Sie müssen ein mächtiges Spiel hier spielen«, schloß er, und fühlte gleichzeitig ein entsprechendes Entzücken darüber, daß sie gerade jetzt ihn zur Teilnahme an diesem Spiel auffordern wollten. In diesem Augenblick bedauerte er wirklich, daß er nicht statt seiner elf die dreißig Millionen besaß, die das Gerücht ihm zuteilte. Nun, er wollte in diesem Punkte ehrlich sein; er wollte sie genau wissen lassen, wie viele Chips er kaufen konnte.
Leon Guggenhammer war jung und beleibt. Er war genau dreißig Jahre alt und sein Gesicht so glatt wie das eines Knaben. Auch er machte einen Eindruck von Sauberkeit. Er strahlte von Gesundheit; seine fleckenlose Haut zeugte von einer glänzenden Verfassung. Bei einer so prachtvollen Gesichtsfarbe konnte selbst seine Beleibtheit, sein runder Bauch nur normal sein. Er hatte Anlage dazu, das war alles.
Das Gespräch kam bald auf Geschäfte, obwohl Guggenhammer erst von der bevorstehenden internationalen Regatta und seiner prachtvollen Dampfjacht »Electra« erzählen mußte, deren Maschinen, kaum erbaut, schon wieder veraltet waren. Dowsett erklärte den Plan, und wenn Daylight Fragen stellte, warfen die beiden anderen hin und wieder eine Bemerkung dazwischen. Wohin ihr Vorschlag auch immer zielte, so wollte er doch jedenfalls wissen, um was es sich handelte, ehe er sich entschloß, mitzumachen. Und ihr Vorhaben war so einleuchtend, daß er ganz geblendet war.
»Kein Mensch wird sich träumen lassen, daß wir hinter Ihnen stehen«, warf Guggenhammer ein, als sie ihren Plan fertig entwickelt hatten, und seine hübschen jüdischen Augen funkelten vor Begeisterung. »Man wird glauben, daß Sie in Ihrer alten Freibeuterweise darauf losgehen.«
»Sie verstehen natürlich, Herr Harnish, wie notwendig es ist, unsere Verbindung geheimzuhalten«, warnte Nathaniel Letton ernst.
Daylight nickte.
»Und auch das werden Sie verstehen,« fuhr Letton fort, »daß unser Unternehmen nur gute Folgen zeitigen kann. Die Sache ist völlig gesetzlich und einwandfrei, und die einzigen, die den Schaden davon haben werden, sind die Börsenspekulanten selbst. Es ist nicht etwa ein Versuch, den Markt zu sprengen. Wie Sie sehen, sollen Sie à la hausse liegen. Die Leute, die ihr Geld auf ehrliche Weise anlegen, werden die Gewinner sein.«
»Sehr richtig«, sagte Dowsett. »Die Nachfrage nach Kupfer ist ständig im Steigen begriffen. Ward Valley und alle damit zusammenhängenden Unternehmungen – in Wirklichkeit ein Viertel der gesamten Kupferproduktion der Erde, wie ich Ihnen gezeigt habe –, sind eine bedeutende Angelegenheit, wie bedeutend, können wir noch nicht genau berechnen. Wir haben unsere Vorbereitungen getroffen. Wir haben selbst reichlich Kapital, können aber immer noch mehr gebrauchen. Außerdem befinden sich noch zu viele Ward-Valley-Aktien in anderen Händen, als für unsere jetzigen Pläne dienlich ist. Auf diese Weise schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.«
»Und die Klappe bin ich«, fiel Daylight lächelnd ein.
»Leon. Sie sollen die Ward-Valley-Aktien gleichzeitig aufkaufen und in die Höhe treiben. Das wird von unschätzbarem Vorteil für uns sein, und Sie und wir alle werden unseren Nutzen davon haben. Und dabei handelt es sich, wie Herr Letton schon betont hat, um ein völlig gesetzliches und ehrliches Spiel. Am achtzehnten ist Aufsichtsratssitzung, und dann wird statt der gewöhnlichen die doppelte Dividende erklärt.«
»Und wer zieht den kürzeren dabei?« rief Leon Guggenhammer eifrig.
»Die Spekulanten,« erklärte Nathaniel Letton, »die Spieler, der Ausschuß von Wall-Street – verstehen Sie. Die Leute, die ihr Geld ehrlich angelegt haben, werden nicht getroffen; mehr noch: sie werden zum tausendsten Male gelernt haben, daß man sich auf Ward Valley verlassen kann. Und haben sie einmal Vertrauen gefaßt, so können wir darangehen, die großen Verbesserungen, von denen wir vorhin gesprochen haben, durchzuführen.«
»Sie werden natürlich alle möglichen Gerüchte hören,« sagte Dowsett, »aber lassen Sie sich nicht dadurch abschrecken. Sie können sehr gut von uns selbst in Umlauf gebracht sein. Das wird Ihnen ja einleuchten. Kümmern Sie sich gar nicht darum. Sie sind mit im Bunde. Alles, was Sie zu tun haben, ist kaufen, kaufen, kaufen, bis zum letzten Atemzug kaufen, bis der Aufsichtsrat die doppelte Dividende erklärt hat. Ward Valley werden so steigen, daß man nachher überhaupt nicht