Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн книгу.angeboten wurde. Nein, hier wäre keine Rettung möglich gewesen. Die Liebe hatte sie gepackt, und ihr sollte sie erliegen.
Ihre einzige Chance war gewesen, daß auch er die Krankheit bekommen hätte. Aber er war ihr entgangen. Hätte sie ihn ergriffen, so wäre er wahrscheinlich in Freda oder irgend eine andere verliebt gewesen. Man brauchte nur an Dartworthy, den Universitätsmann, zu denken, der einen Claim am Bonanza besaß. Jedermann wußte, daß Bertha, die Tochter des alten Doolittle, in ihn verliebt war. Als ihn aber die Krankheit packte, mußte es von allen Weibern ausgerechnet die Frau von Oberst Waithstone, dem Sachverständigen des großen Guggenhammers, sein. Resultat drei Wahnsinnsanfälle: Dartworthy verkaufte seine Mine für ein Zehntel ihres Wertes; die arme Frau opferte ihren guten Namen, ihren Ruf und ihr warmes Plätzchen in der Gesellschaft, um mit ihm in einem offenen Boot den Yukon hinabzuflüchten, und Oberst Waithstone rief Tod und Verderben auf sie herab und fuhr in einem andern offenen Boote hinter ihnen her. Die ganze drohende Tragödie war den schlammigen Yukon hinab, an Forty Mile und Circle City vorbeigezogen und hatte sich schließlich in der Wildnis verloren. Aber das war sie, die Liebe, die das Leben von Männern und Frauen aus den Fugen brachte, sie zu Tod und Verzweiflung trieb, alle Vernunft und Rücksicht über den Haufen warf, tugendhafte Frauen zu Dirnen und Selbstmörderinnen, Männer aber, die bisher einen redlichen Wandel geführt, zu Schuften und Mördern machte.
Zum erstenmal in seinem Leben verlor Daylight seine Selbstbeherrschung. Er gestand sich offen, daß er bange war. Frauen waren entsetzliche Geschöpfe, und der Keim der Liebe gedieh am besten in ihrer Nähe. Und so rücksichtslos waren sie, so ganz ohne Furcht. Sie schreckte nicht der Tod der Jungfrau. Sie streckten die Arme nach ihm aus und waren verführerischer als je. Ganz abgesehen von seinem Gelde war er allein durch seine Persönlichkeit, als ein junger Mann von gut dreißig Jahren, strotzend von Kraft, hübsch und liebenswürdig, eine Anziehung für die meisten Frauen. Andere Männer hätten die Huldigungen nicht ertragen, sie hätten ihnen den Kopf verdreht, ihn machten sie nur noch ängstlicher. Die Folge war, daß er fast alle Einladungen in Häuser, wo er Frauen treffen konnte, ablehnte und nur bei Junggesellen und im »Elchgeweih« verkehrte, wo es keinen Tanzboden gab.
Vierzehntes Kapitel
Sechstausend Menschen verbrachten den Winter 1897 in Dawson. Die Arbeit an den Creeks schritt rasch vorwärts, und von der andern Seite der Pässe wurde gemeldet, daß dort hunderttausend auf den Frühling warteten, um herüberzukommen. Als Daylight au einem der kurzen Nachmittage auf der Senkung zwischen dem French Hill und dem Skookum Hill stand, hatte er wieder eine Vision. Zu seinen Füßen lag der reichste Teil des Eldorado Creek, und er konnte meilenweit den Bonanza hinauf- und hinabsehen. Es war ein Bild gewaltiger Zerstörung. Die Hügel waren bis zum Gipfel abgeholzt, die nackten Flanken von den zahlreichen Gruben und Bohrstellen zerrissen, die selbst der Schneemantel nicht verdecken konnte. Unter ihnen lagen überall die Blockhütten der Leute Aber es waren nicht viel Menschen zu sehen. Eine dichte Rauchwolke erfüllte die Täler und verwandelte selbst das graue Tageslicht in eine trübe Dämmerung. Der Rauch stieg aus tausend Löchern im Schnee, tief unten auf der Felsunterlage krochen die Menschen in der gefrorenen Erde und dem Schnee herum und entzündeten immer mehr Feuer, um die Macht des Frostes zu brechen. Hie und da, wo neue Schächte im Bau waren, flammten diese Feuer mit rotem Schein. Menschliche Gestalten krochen aus den Löchern hervor, verschwanden in ihnen oder standen auf Plattformen aus roh zugehauenen Holzstämmen und wanden den aufgetauten Kies an die Oberfläche, wo er sofort wieder gefror. Überall sah man die traurigen Überreste der Frühjahrsauswaschung – Haufen von Schleusenkasten, Stücke von Wasserleitungen und mächtige Wasserräder –, alles Trümmer, wie sie ein Heer golddurstiger Männer hinterläßt.
»Welch ein Raubbau«, murmelte Daylight halblaut. Er sah auf die nackten Hügel, und ihm wurde klar, welch riesige Vergeudung von Holz hier stattgefunden hatte. Aus der Vogelschau sah er die unglaubliche Verwirrung, die ihre rastlose Arbeit hier geschaffen hatte. Jeder arbeitete für sich, und das Ergebnis war ein Chaos. In dieser reichsten aller Minen kostete es einen Dollar, für zwei Dollar Gold herauszuholen, und für jeden Dollar, den sie auf diese fieberhafte, gedankenlose Arbeitsweise herausholten, wurde ein anderer Dollar hoffnungslos verschüttet. Noch ein Jahr, und die Claims waren ausgesogen, und dabei blieb ebensoviel Gold im Boden stecken, wie herausgeholt worden war.
Organisation war es, was sie brauchten, das sah er; und seine fruchtbare Phantasie entwarf ein Bild vom Eldorado Creek, von der Mündung bis zur Quelle, von Bergesgipfel zu Bergesgipfel, unter einer einheitlichen energischen Leitung. Sogar das Auftauen mit Dampf, das zwar noch nicht erprobt war, aber sicher kommen mußte, war, wie er einsah, nur ein Notbehelf. Was hier fehlte, waren hydraulische Anlagen an den Hängen und Goldbagger, wie sie in Kalifornien verwandt wurden.
Hier sah er die Chance für neue reiche Ausbeute. Er hatte sich den Kopf zerbrochen, warum wohl die Guggenhammers und die großen englischen Firmen ihre hochbesoldeten Sachverständigen ins Land geschickt hatten. Das war also ihr Plan. Darum hatten sie sich also an ihn gewandt, um bereits ausgebeutete Claims und Schutthalden zu kaufen. Ihretwegen mochten die kleinen Minenbesitzer gern herausholen, soviel sie konnten, es blieben doch noch Millionen zurück.
Und indem er auf die rauchende Hölle zu seinen Füßen hinabsah, entwarf Daylight ein neues Spiel, das er spielen wollte, ein Spiel, in dem die Guggenhammers und alle andern mit ihm zu rechnen haben sollten. Aber mit der Freude über diesen neuen Plan beschlich ihn ein Gefühl von Müdigkeit. Er war müde von den langen Jahren im hohen Norden, und er wollte wissen, wie die Welt draußen aussah, – die große Welt, von der er andere hatte reden hören, und von der er selbst nicht mehr wußte als ein Kind. Auch dort gab es Spiele zu spielen. Der Tisch war größer, und warum sollte er sich nicht mit seinen Millionen daransetzen und mitspielen? Und so entschloß er sich an jenem Nachmittage auf dem Skookum Hill, seine beste Klondike-Karte auszuspielen und dann in die Welt hinauszureisen.
Aber das ging nicht so schnell. Durch zuverlässige Leute ließ er die Ingenieure der großen Firmen überall beobachten, und überall, wo die zu kaufen begannen, kaufte auch er. Überall, wo sie einen ausgebeuteten Claim in ihre Hand zu bekommen suchten, stießen sie auf ihn, weil er ganze Komplexe oder einzelne Claims besaß, die so geschickt verstreut waren, daß ihre Pläne gekreuzt wurden.
»Ich spiele mit offenen Karten – stimmt das nicht?« sagte er einmal in einer heißen Verhandlung.
Es folgten Kriege, Waffenstillstände, Vergleiche, Siege und Niederlagen. Im Jahre 1898 waren sechzigtausend Menschen am Klondike, und ihrer aller Wohlfahrt hing ab von dem Ausfall der Schlachten, die Daylight schlug. Und immer mehr feuerte der Geschmack an diesem großen Spiel Daylight an. Hier hatte er sich schon in einen Kampf auf Leben und Tod mit den großen Guggenhammers eingelassen, und er gewann. Der schwerste Kampf vielleicht wurde am Ophir geführt, der elendesten Elchweide, deren wenig goldhaltiger Boden nur durch seine ungeheure Ausdehnung Wert hatte. Der Besitz von sieben Claims im Herzen des Geländes gab Daylight einen festen Griff, und sie konnten nicht zu einer Einigung gelangen. Die Guggenhammerschen Sachverständigen waren der Ansicht, daß die Sache seine Kräfte überstieg, als sie ihm aber ein Ultimatum stellten, kaufte er sie aus.
Er schickte nach den Vereinigten Staaten und ließ tüchtige Ingenieure kommen. An der achtzig Meilen entfernten Wasserscheide erbaute er ein Reservoir und führte die mächtige hölzerne Wasserleitung quer durch das Land bis zum Ophir. Reservoir und Wasserleitung waren mit drei Millionen veranschlagt, kosteten aber beinahe vier. Und hierbei blieb es nicht. Elektrische Kraftanlagen wurden errichtet, seine Werkstätten durch Elektrizität erleuchtet und betrieben. Andere, die auch mehr Gold gefunden hatten, als sie sich je hatten träumen lassen, schüttelten düster die Köpfe, prophezeiten ihm, daß er zu Fall kommen würde, und weigerten sich, Geld in seine verrückten Unternehmungen zu stecken. Aber Daylight lächelte und verkaufte den Rest seiner Grundstücke. Er tat es gerade im rechten Augenblick, als die Goldausbeute den höchsten Grad erreicht hatte. Wenn er seinen alten Freunden im »Elchgeweih« prophezeite, daß in fünf Jahren kein Mensch mehr ein Grundstück in Dawson geschenkt haben wollte, und daß die Hütten dann zu Brennholz verbraucht wären, so lachten sie