Gesammelte Werke. Джек Лондон

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Gesammelte Werke - Джек Лондон


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Leben dämmerte herauf. Zwar erforderte es viel Nachdenken und endlose Geduld von seiten Weedon Scotts, um es fertig zu bringen; denn für Wolfsblut war es nichts Geringeres als eine vollständige Umwälzung seines Wesens. Er mußte sich den Mahnungen des Instinkts und des Verstandes verschließen, mußte der Erfahrung gegenüber treu bleiben, kurz, sein bisheriges Leben Lügen strafen. Sein früheres Leben bot nicht nur wenig Ähnlichkeit mit dem jetzigen dar, sondern es war diesem direkt entgegengesetzt, und er hatte sich in viel höherem Grade darin zurecht zu finden als damals, da er freiwillig aus der Wildnis zu dem Grauen Biber zurückgekehrt war und diesen wieder zu seinem Herrn erkoren hatte. Damals war er noch ein junges Hündchen gewesen, weich und formlos, das sich willig der Hand der Verhältnisse überlassen hatte, damit sie ihm Form verliehe. Nun war das anders. Die äußern Umstände hatten ihr Werk getan, hatten ihn hart und grimmig, unliebenswürdig und unbeliebt gemacht, kurz, zu Wolf, dem Preiskämpfer. Eine Umwandlung seines Lebens mußte darum eine völlige Wiedergeburt sein, und das zu einer Zeit, wo die Formbarkeit der Jugend vorüber, wo die Fibern seines Wesens zäh und knotig geworden waren, wo Aufzug und Einschlag des Gewebes, aus dem er gemacht war, hart, unzerreißbar und unnachgiebig erschienen, wo sein Geist eine Form von Eisen angenommen hatte, und Instinkte und Wahrnehmungen sich zu festen Grundsätzen, zu Mißtrauen, Abneigung oder Begierden verdichtet hatten.

      Und wieder waren es die Umstände, die den Angelpunkt bildeten zu einer vollständigen Umkehr seines Wesens. Die Hand, die ihn zurecht knetete, die das Harte in ihm weich machte und es in eine schönere Form preßte, war die Hand Weedon Scotts. Der stieg bis in die Tiefen von Wolfsbluts Natur hinab, erweckte dort Kräfte zum Leben, die geschlummert hatten oder unterdrückt gewesen waren, und eine dieser Kräfte war die Liebe. Sie trat an die Stelle der Neigung, die früher das höchste Gefühl gewesen war, das ihn beim Verkehr mit den Menschen beseelt hatte.

      Aber diese Liebe kam nicht an einem Tage. Auch sie begann mit der Neigung und entwickelte sich allmählich daraus. Wolfsblut lief nicht weg, obgleich er frei herumlaufen durfte, denn er hatte den neuen Herrn gern. Dies Leben war sicher besser als das, welches er bei Schmitt im Käfig geführt hatte, und einen Herrn mußte er doch haben, da die Unterordnung unter den Menschen ein Bedürfnis seiner Natur war. Das Siegel dieser Abhängigkeit war ihm an jenem Tage aufgedrückt worden, als er der Wildnis den Rücken kehrte und demütig vor die Füße des Grauen Biber kroch, um die gefürchteten Prügel zu bekommen und später – und diesmal unauslöschlich – als er abermals aus der Wildnis zurückkehrte, nachdem die lange Hungersnot vorbei war und es wieder Fisch im Dorfe des Grauen Biber gab.

      Also blieb Wolfsblut bei Weedon Scott, weil er ihn dem schönen Schmitt vorzog und einen Herrn haben mußte, und er zeigte seine Untertänigkeit dadurch, daß er das Eigentum des Herrn bewachte. Wenn die Schlittenhunde schliefen, wanderte er um das Blockhaus herum, und der erste nächtliche Besucher hatte sich mit einem Stocke zu verteidigen, bis Weedon Scott ihm zu Hilfe kam. Bald jedoch lernte Wolfsblut Diebe von ehrlichen Leuten unterscheiden, indem er Gang und Haltung derselben beurteilte. Jemand, der mit lauten Schritten und in gerader Richtung auf die Tür des Blockhauses zukam, den ließ er unangefochten weitergehen, wenn er ihn auch scharf beobachtete, bis die Tür sich öffnete und der Herr ihn einließ; denjenigen jedoch, der leise und scheu sich umblickend in weitem Bogen heranschlich, den empfing Wolfsblut ohne langes Besinnen als Feind, und rasch und würdelos entfloh derselbe.

      Weedon Scott hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Unrecht, das die Menschen Wolfsblut angetan hatten, wieder gutzumachen. Das war ihm eine Gewissenssache. Er fühlte, daß es eine Schuld sei, die eingelöst werden müsse. An jedem Tage machte er es sich zur Pflicht, nicht nur gut und freundlich zu Wolfsblut zu sein, sondern ihn lange, und nicht nur flüchtig, zu liebkosen und zu streicheln.

      So mißtrauisch, ja feindselig er dies anfangs hingenommen hatte, so gewann er dies Streicheln nach und nach lieb. Aber eins unterließ er nicht dabei, er grollte stets von Anfang bis zu Ende. Allein in dem Grollen war ein neuer Klang. Ein Fremder hätte den nicht gehört, für den hätte das Grollen etwas urwüchsig wildes gehabt, etwas, das einem auf die Nerven fiel und das Blut gerinnen machte. Doch Wolfsbluts Kehle war durch die vielen grimmigen Laute, die er in den langen Jahren ausgestoßen hatte, rauh geworden, seitdem er das erste ärgerliche Gerassel als junges Wölflein in der Höhle hervorgebracht hatte, und er konnte diese Töne nicht mehr sanfter machen, um die freundlichen Regungen seiner Seele auszudrücken. Dennoch war Scotts Ohr fein genug, um den neuen Klang trotz aller Wildheit darin zu entdecken, einen Klang, der etwas vom kosenden Lallen eines Kindes hatte und den sonst niemand vernehmen konnte.

      Wie die Tage vergingen, entwickelte sich die Neigung bei Wolfsblut immer schneller zur Liebe. Er fühlte sie, ohne daß er wußte, was Liebe sei. Sie offenbarte sich ihm als eine Leere in seinem Innern, ein hungrige, schmerzliche Sehnsucht, die nach Befriedigung rang. Er empfand Pein und Unruhe in der Abwesenheit des neuen Herrn, nur die lebendige Gegenwart desselben konnte ihn befriedigen. Dann ging diese Liebe oft in eine wilde Freude über, die sein ganzes Wesen durchzitterte. Aber fern von dem Herrn kehrte die peinvolle Unruhe wieder, die Leere war wieder da, sie gähnte ihn an und die verlangende Sehnsucht verfolgte ihn unaufhörlich.

      Wolfsblut war jetzt auf dem Wege, sein eigentliches Wesen zu finden. Trotz seiner vorgerückten Jahre, trotz der Starrheit der Form, in die er gegossen war, dehnte sich seine Natur immer mehr aus. Es war in ihm ein Wachsen, ein Entfalten ungeahnter Empfindungen, ungewohnter Triebe. Die Richtschnur seines Betragens veränderte sich. Früher hatte er seine Bequemlichkeit geliebt und jedes Unbehagen vermieden. Jetzt wurde das anders. Das neue Gefühl, das ihn beseelte, trieb ihn oft, um des Herrn willen Unbehagen und Unbequemlichkeit aufzusuchen. Statt am frühen Morgen, wie er es sonst zu tun pflegte, auf Raub herumzulaufen oder im warmen Winkel zu liegen, pflegte er nun auf den kalten Treppenstufen auf das Erscheinen des Herrn zu warten, und nachts verließ er bei der Heimkehr desselben den geschützten Platz, den er sich im Schnee gegraben hatte, um nur eine freundliche Berührung seiner Hand, ein Wort zum Gruß zu empfangen. Selbst sein Futter konnte er stehen lassen, um einen Gang mit dem Herrn nach der Stadt zu machen oder eine Liebkosung von ihm zu erhalten. Ja, Liebe hatte die Stelle der Neigung eingenommen, aber sie war auch das Senkblei gewesen, das die Tiefen seines Wesens berührt hatte, wohin die Neigung nie gedrungen war, und aus diesen Tiefen war Neues emporgestiegen, nämlich Gegenliebe. Was ihm gegeben wurde, das gab er auch reichlich wieder. Dies war für Wolfsblut wirklich ein Gott, liebevoll, warm und strahlend, und im Licht seiner Liebe entfaltete sich Wolfsbluts Wesen wie die Blume im Strahl der Sonne.

      Aber seine Liebe war nicht aufdringlich. Er war zu alt, zu festgeformt, um für dies Gefühl eine ganz neue Ausdrucksweise zu finden. Seine lange Vereinsamung hatte ihn zurückhaltend, selbstgenügsam und scheu gemacht. Nie im Leben hatte er gebellt, also lernte er es auch jetzt nicht, den Herrn zum Willkommen mit Gebell zu begrüßen. Aber er war auch nie im Wege, nie im Ausdruck seiner Liebe überschwenglich und töricht. Er rannte dem Herrn nie entgegen, sondern wartete in der Entfernung, aber er war stets da und wartete immer. Seine Liebe war eine Art Verehrung, stumm und lautlos. Nur durch den stetigen Blick des Auges, womit er jeder Bewegung des Herrn folgte, drückte er dieselbe aus, und blickte der Gebieter ihn dann und wann an oder sprach zu ihm, dann zeigte er eine Art linkischer Verlegenheit, als ob er mit sich kämpfte, seine Liebe zu äußern, aber unfähig wäre, es zu tun.

      Allmählich lernte er es, sich dem neuen Leben in mehr als einer Weise anzupassen. Es wurde ihm beigebracht, daß er die Hunde des Herrn zufrieden lassen müßte; doch machte er seine Herrschernatur dadurch geltend, daß er die Anerkennung seiner Überlegenheit von ihnen erzwang. Als dies geschehen war, hatten sie wenig mehr von ihm zu fürchten. Sie gingen ihm aus dem Wege, wenn er unter ihnen herumging, und gehorchten ihm. Nach und nach lernte er Matt als zum Herrn gehörig ansehen. Der Herr fütterte ihn selten, denn das war Matts Amt. Dennoch erriet Wolfsblut, daß es das Futter des Herrn wäre, womit er reichlich ernährt wurde. Als Matt versuchte, ihn anzuspannen, damit er mit den andern Hunden den Schlitten zöge, widersetzte er sich; erst als Weedon Scott ihm das Riemenzeug anlegte und ihm die Arbeit zeigte, begriff er, daß es der Wille des Herrn war, daß Matt mit ihm wie mit den andern Hunden fahren sollte.

      Die Schlitten von Klondike waren von denen am Mackenzie verschieden: sie hatten Kufen. Auch wurden die Hunde anders angespannt, nicht fächerförmig gingen sie, sondern einer hinter dem andern zogen sie in doppelten Strängen. In Klondike war


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