Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

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Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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mit Gewalt herauszuholen, was er mit guten Worten nicht erlangen konnte. Er nahm einen großen Stein und schlug damit noch lauter und heftiger als vorher an die Tür. Als dies einige Nachbarn hörten, die schon erwacht und aufgestanden waren, glaubten sie, er wäre ein ungezogener Bursche, der seine Worte nur erdichtete, um das arme Frauenzimmer zu ärgern. Und weil sie selbst sich über sein Lärmen und Poltern ärgerten, kamen sie alle an die Fenster, und wie sich alle Hunde in einer Straße zu versammeln pflegen, um einen fremden Hund anzubellen, so fingen sie alle an zu schreien: „Ist es nicht unverschämt, dass man um diese Stunde der Nacht bei ehrbaren Frauenzimmern an die Türen pocht und ein solches Geschwätz macht? Geht doch mit Gott oder zum Teufel, guter Freund, und lasst uns schlafen, wenn Ihr so freundlich sein wollt. Habt Ihr mit ihr etwas abzumachen, so kommt morgen wieder, aber lasst uns die Nacht über ungeschoren.“

      Diese Worte weckten vielleicht den Mut eines Zuhälters, den die Dame in ihrem Hause hielt und den Andreuccio weder gesehen noch bemerkt hatte.

      Dieser kam gleichfalls ans Fenster und brüllte mit einer fürchterlichen, groben Bassstimme herunter: „Wer klopft dort unten?“

      Andreuccio, der bei diesem Anrufe den Kopf emporhob, ward einen Kerl gewahr mit einem struppigen, schwarzen Bart, der ihm ein halber Riese zu sein schien und der sich gähnend die Augen rieb, wie einer, der eben vom Schlaf erwacht. Nicht ohne Furcht gab er ihm zur Antwort: „Ich bin ein Bruder der Dame, die hier wohnt.“

      Jener ließ ihn nicht ausreden, sondern fiel ihm noch heftiger als vorher ins Wort: „Ich weiß nicht, was mich abhält, dass ich nicht herunterkomme und dich durchwalke, bis du dich nicht mehr rühren kannst, du unverschämter und versoffener Esel, der du die ganze Nacht keinen Menschen schlafen lässt!“ Damit kehrte er sich um und schlug das Fenster zu.

      Einige von den Nachbarn, welche den Kerl kannten, redeten darauf dem Andreuccio freundlich zu und sagten: „Macht um Gottes willen Euch schleunigst auf die Strümpfe, guter Freund, wenn er Euch nicht noch diese Nacht totschlagen soll. Zieht ab! Es ist zu Eurem Besten!“

      Andreuccio, den der Anblick und die Stimme des Zuhälters schon genug erschreckt hatten und der die Ermahnungen dieser Leute vernahm, die ihm aus Mitleid zu raten schienen, ging äußerst betrübt und an der Wiedererlangung seines Geldes verzweifelnd nach der Gegend zu, durch welche ihn die Magd am Tage geführt hatte, und ohne recht zu wissen, wo er war, tappte er herum und suchte den Weg nach seiner Herberge. Er war sich selbst zum Ekel wegen der Gerüche, die von ihm ausgingen. Weil er wünschte, ans Ufer zu kommen, um sich in der See abzuwaschen, so wandte er sich linker Hand auf einen Weg, den man die Ruga catalana nennt. Als er den oberen Teil der Stadt erreichte, ward er von Ferne ein paar Menschen gewahr, die ihm mit einer Leuchte entgegenkamen, und weil er fürchtete, sie möchten zur Scharwache gehören oder sonst Leute sein, die böse Absichten hätten, so schlich er sich, um ihnen zu entgehen, in ein verfallenes Haus nahebei. Allein jene, gerade als wenn sie nach demselben Orte geschickt würden, gingen ebenfalls in dieses Haus hinein, woselbst einer von ihnen gewisse eiserne Werkzeuge, die er auf der Schulter trug, niederlegte, und indem er sie mit dem anderen betrachtete, Verschiedenes mit ihm darüber sprach. Während des Gesprächs sagte einer von ihnen: „Was zum Henker ist das hier? Ich spüre einen ganz unerträglichen Gestank.“ Wie er nun ein wenig umherleuchtete, wurden sie bald den armen Andreuccio gewahr. Sie stutzten und fragten: „Wer da?“ Andreuccio schwieg; sie gingen aber auf ihn zu und fragten ihn, wie er so besudelt dahin käme. Andreuccio erzählte ihnen darauf alles, was ihm begegnet war. Sie errieten sehr gut, wo sich das zugetragen hatte, und sprachen untereinander: „Dieser ist gewiss in dem Hause des Scarabone Bultafuoco gewesen.“ Einer von ihnen wandte sich darauf an ihn und sagte: Guter Freund, Ihr habt zwar Euer Geld verloren, allein Ihr könnt Gott danken, dass Ihr den Fall getan habt und dass Ihr nicht wieder in das Haus kommen konntet. Denn wenn Ihr nicht in die Gosse gefallen wäret, so könnt Ihr versichert sein, dass man Euch im ersten Schlaf ermordet hätte, und dann hättet Ihr Geld und Leben zugleich verloren. Wozu kann das Wimmern helfen? Ihr würdet Euer Geld so wenig wieder aus seinen Klauen reißen als die Sterne vom Himmel herunter. Aber den Tod könnt Ihr Euch wohl zuziehen, wenn er jemals hört, dass Ihr Euch nur ein Wörtchen davon merken lasst.“ Nach diesen Worten beratschlagten sich die beiden ein wenig miteinander und sagten hernach zu ihm: „Hört, wir haben Mitleid mit Euch, und wenn Ihr uns helfen wollt, eine kleine Sache auszuführen, die wir vorhaben, so scheint es uns mehr als gewiss, dass Ihr für Euren Teil mehr dabei gewinnen könnt, als Ihr verloren habt.“

      Andreuccio gab in der Verzweiflung zur Antwort, er wäre zu allem bereit. Nun war an eben demselben Tage der Erzbischof von Neapel begraben worden, namens Messer Filoppo Minutolo, welchem man in seinem Sarge sehr reiche Kleider angetan und einen Rubin an den Finger gesteckt hatte, der weit mehr als fünfhundert Goldgulden wert war. Diesen wollten sie stehlen und ließen es Andreuccio merken. Andreuccio, mehr der Gewinnsucht als der Stimme der Vernunft oder des Gewissens Gehör gebend, machte sich auch mit ihnen auf den Weg nach dem Dom. Weil er aber so übel roch, so sagte der eine: „Ist denn kein Mittel, diesen ein wenig abzuwaschen, dass er nicht so stinkt?“ „Gewiss“, sprach der andere, „wir sind hier nahe bei einem Brunnen, an welchem gewöhnlich ein Strick und ein Eimer zu hängen pflegen. Lasst uns dahin gehen und ihn tüchtig abspülen.“

      Wie sie dorthin kamen, fanden sie, dass der Strick zwar da war, der Eimer aber war weggekommen. Sie kamen auf den Einfall, ihn an den Strick zu binden und ihn in den Brunnen hinabzulassen, damit er sich unten wüsche.

      Wenn er fertig wäre, so befahlen sie ihm, solle er den Strick schütteln, damit sie ihn wieder heraufzögen. Indem sie ihn in den Brunnen hinabgelassen hatten, wollte der Zufall, dass einige von den Häschern der Scharwache, teils wegen des heißen Wetters, teils weil sie jemandem nachgesetzt hatten, durstig wurden, und zu dem Brunnen kamen, um zu trinken. Wie die beiden diese gewahr wurden, liefen sie eiligst davon. Die Häscher, die vor lauter Durst nicht auf sie merkten, setzten sich nieder, wie Andreuccio eben fertig geworden war, sich zu waschen, und schon an dem Strick schüttelte. Sie legten ihre Hellebarden, Waffen und Panzer ab und fingen an, den Strick heraufzuziehen, weil sie nicht zweifelten, dass der Eimer unten daranhinge. Als Andreuccio an das Loch des Brunnens kam, schwang er sich auf den Rand und ließ den Strick fahren. Sobald ihn die Häscher gewahr wurden, ergriff sie plötzlich Furcht und Entsetzen. Sie ließen den Strick los und liefen davon, so schnell sie konnten. Andreuccio wunderte sich darüber gewaltig, und es war ein Glück, dass er sich an dem Rande des Brunnens festhielt, weil er sonst wieder hinabgestürzt und zu Schaden oder wohl gar ums Leben gekommen wäre. Wie er aber glücklich herauskam und die Waffen sah, welche, wie er wohl wusste, seinen Kameraden nicht gehörten, wunderte er sich darüber noch mehr, und nachdem er lange hin und her gedacht hatte und nicht wusste, was er weiter anfangen solle, beklagte er sein Unglück und entschloss sich, ohne etwas von den Sachen anzurühren, weiterzugehen, wiewohl er selbst nicht wusste wohin. Indem er so umherirrte, begegneten ihm seine Kameraden, welche wiederkamen, um ihn aus dem Brunnen zu ziehen, und sich nicht wenig wunderten, ihn zu sehen. Sie fragten ihn, wer ihn herausgezogen hätte, und er wusste es ihnen nicht zu sagen, erzählte ihnen aber, wie es damit zugegangen sei und was er neben dem Brunnen gefunden habe. Sie merkten daraus, was vorgefallen war, und erzählten ihm lachend, warum sie davongelaufen und wer diejenigen gewesen wären, die ihn aus dem Brunnen gezogen hätten. Ohne viele Worte mehr zu machen, gingen sie, weil es schon Mitternacht war, nach dem Dom, in den sie leicht hineinzukommen wussten, und machten sich an den Sarg, welcher sehr groß und von Marmor war und von dem sie den schweren Deckel mit ihren Brecheisen so hoch aufhoben, dass ein Mensch hineinschlüpfen konnte, und ihn aufstützten. Darauf sagte der eine zum anderen: „Wer von uns soll hineinsteigen?“

      „Ich nicht“, antwortete dieser.

      „Und ich auch nicht“, versetzte jener, „aber lass Andreuccio hineinsteigen.“ „Das lass‘ ich wohl bleiben“, sprach Andreuccio, allein die beiden anderen drangen in ihn und sagten: „Wie? Du willst nicht hinein? Beim Himmel, wenn du nicht diesen Augenblick hineinsteigst, bekommst du mit einer dieser Eisenstangen eins auf den Kopf, bis du tot daliegst.“

      Andreuccio kroch vor Angst hinein und dachte bei sich: Die beiden schicken mich hinein, um mich zu betrügen, denn sobald ich ihnen alles hinausgereicht habe, was hier ist, so werden sie davonlaufen, ehe ich wieder herauskommen kann, und ich werde das Nachsehen


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