Das Dekameron. Giovanni Boccaccio

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Das Dekameron - Giovanni  Boccaccio


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und küsste ihn tausendmal unter den zärtlichsten Ergießungen ihrer mütterlichen Liebe. Er aber nahm ihre Liebesbezeugungen voll Ehrfurcht hin. Wie nun diese fröhlichen Umarmungen nicht ohne viel Freude und Teilnahme der Umstehenden drei bis viermal waren erneuert worden, und ein jeder dem anderen sein Schicksal erzählt hatte, sagte Giuffredi zu Currado, der die neue Verbindung bereits allen seinen Freunden verkündigt und ihre Glückwünsche empfangen hatte und Anstalten zu einem heiteren und prächtigen Feste machte: Currado, Ihr habt mir nun auf mancherlei Weise Freude gemacht und habt auch meiner Mutter lange Zeit viel Liebe und Ehre erwiesen. Damit nun nichts fehlen möge, das Ihr noch uns zu Gefallen tun könnt, so bitte ich Euch, meine Mutter und mich an meinem Hochzeitsfeste mit der Gegenwart meines Bruders zu erfreuen, der als Diener in dem Hause des Herrn Guasparino d‘Oria lebt, der ihn und mich, wie ich Euch schon erzählt habe, auf See raubte. Auch bitte ich Euch, jemand nach Sizilien zu schicken, um genaue Nachricht einzuziehen, wie es dort im Lande steht, und nachzuforschen, was aus meinem Vater geworden, ob er lebendig oder tot ist, und wenn er noch lebt, in welchem Zustande er sich befindet, und uns von allem umständliche Nachricht zu bringen.“ Currado billigte Giuffredis Begehren und schickte unverzüglich verständige Leute nach Genua und Sizilien. Derjenige, der nach Genua ging, bat den Herrn Guasparino in Currados Namen inständig, den Scacciato und seine Amme freizugeben, und erzählte ihm alles, was Currado an Giuffredi und dessen Mutter getan hatte. Guasparino wunderte sich sehr darüber und sagte: „Ich würde gewiss Currado zu Gefallen alles tun, was ich könnte. Ich habe wirklich schon seit vierzehn Jahren den jungen Menschen, den du nennst, samt seiner Mutter im Hause und will sie ihm gerne hinschicken. Allein sagt ihm von mir, er solle den Fabeln des Giannotto, der sich jetzt Giuffredi nennen lässt, nur nicht zu viel Glauben beimessen, denn der Bursche ist schlimmer, als er sich vorstellt.“

      Hierauf ließ er den Boten freigebig bewirten und forderte in der Stille die Amme zu sich und befragte sie mit vieler Genauigkeit über die ganze Angelegenheit. Als sie von dem Aufstande in Sizilien hörte, und dass Arrighetto noch lebe, entschlug sie sich aller ihrer bisherigen Besorgnisse, erzählte ihm alles und zeigte ihm die Ursache an, warum sie solche Maßregeln beobachtet hätte.

      Als Guasparino fand, dass die Erzählung der Amme in jedem Umstande mit den Worten des Boten übereinstimmte, fing er an, ihnen Glauben beizumessen. Wie er, als ein verschlagener Mann, noch überdies auf diese und jene Art sich erkundigt hatte, und immer neue überzeugende Beweise fand, so schämte er sich der niedrigen Behandlung, die er dem hochgestellten Jünglinge hatte widerfahren lassen. Da er eine liebenswürdige Tochter von elf Jahren hatte und wohl wusste, wer Arrighetto gewesen war, so gab er diese, um manches wieder gutzumachen, mit einer reichen Aussteuer dem jungen Manne zur Gemahlin. Nachdem er ihnen eine große Hochzeit hergerichtet hatte, ging er selbst mit dem Brautpaar samt der Amme und dem Boten des Currado an Bord einer wohlbewaffneten Galeere nach Lerici, wo er von Currado ehrenvoll empfangen ward und sich mit seiner Gesellschaft nach einem nahegelegenen Schlosse begab, das für das große Fest vorbereitet war.

      Wie sehr die Mutter sich freute, ihren zweiten Sohn wiederzusehen, wie groß die Freude der Brüder war, sich wieder zu umarmen, wie sie alle drei die getreue Amme liebkosten, mit welcher Liebe Guasparino und seine Tochter empfangen wurden, wie endlich ein jeder sich mit Currado und seiner Frau, mit ihren Kindern und mit allen Freunden erfreute, das lässt sich mit Worten nicht ausdrücken, und ich muss es euch Mädchen überlassen, es ihnen in eurer Fantasie nachzuempfinden.

      Damit die Freude vollständig würde, so gefiel es unserm Herrgott, der der reichste Geber ist, wenn er einmal anfängt zu schenken, dass auch von dem Leben und Wohlbefinden des Arrighetto Capace fröhliche Nachricht gebracht ward. Denn als sich die zahlreiche Gesellschaft der Herren und Damen zur festlichen Tafel niedergelassen hatte und noch bei dem ersten Gerichte war, kam der Bote zurück, der nach Sizilien gesandt worden war, und erzählte unter anderen Dingen von Arrighetto: Wie der Aufstand gegen König Karl ausgebrochen, so habe das Volk das Gefängnis, worin ihn König Karl noch immer gefangen gehalten, gestürmt, die Wachen niedergemacht, Arrighetto herausgeführt und ihn als einen geschworenen Feind des Königs Karl zum Oberhaupte gewählt, unter dessen Anführung sie alle Franzosen erschlagen oder davongejagt hätten, wodurch er sich beim König Peter dergestalt in Gunst gesetzt, dass ihm dieser alle seine Güter und Ehrenstellen wiedergegeben habe, sodass er sich jetzt in hohen Ehren und großem Wohlstande befinde. Der Bote setzte hinzu, Arrighetto habe ihn sehr ehrenvoll aufgenommen und sich über die Nachrichten von seiner Gemahlin und seinem Sohne unbeschreiblich gefreut, von denen er seit seiner Gefangenschaft nie das Geringste gehört habe. Überdies habe er auch eine Jacht mit einigen Edelleuten nach ihnen geschickt, die ihm auf dem Fuße nachfolgten.

      Der Bote war mit Freude und Jubel empfangen und angehört worden. Currado eilte mit einigen seiner Freunde den Kavalieren entgegen, die nach Madonna Beritola und Giuffredi gesandt waren. Er empfing sie freundlich und führte sie herein zur Tafel, die noch nicht halb vorüber war. Hier wurden sie von der Dame und ihrem Sohne und von allen übrigen mit einer unbeschreiblichen Freude begrüßt. Ehe sie sich zu Tische setzten, überbrachten sie vonseiten des Arrighetto dem Currado und seiner Gemahlin Grüße und Danksagungen in den verbindlichsten Ausdrücken für die Ehre, welche sie seiner Gemahlin, seinem Sohne und ihm selbst erwiesen, und erboten ihnen seine besten und willigsten Dienste. Darauf wandten sie sich auch an Messer Guasparino und versicherten ihm, sobald Arrighetto die unvermutete Güte erführe, die er seinem Sohne Scacciatto erzeigt hätte, würde er ihm gleichfalls ähnliche und noch größere Danksagung abstatten.

      Hierauf setzten sie sich fröhlich mit den beiden jungen Paaren zum hochzeitlichen Mahle nieder, und nicht nur dieser Tag, sondern noch die folgenden wurden mit Festen zugebracht, die Currado seinem Schwiegersohn und seinen Freunden gab.

      Nach Endigung der Feierlichkeiten schickten sich Madonna Beritola und Giuffredi mit ihrem Gefolge zur Abreise an. Sie trennten sich mit Tränen von Currado und seiner Gemahlin und von Guasparino und bestiegen nebst Spina und dem anderen jungen Paar ihre Jacht. Da sie mit gutem Winde absegelten, so kamen sie bald nach Sizilien, wo sie insgesamt von Arrighetto mit unbeschreiblicher Seligkeit in Palermo empfangen wurden. Dort sollen sie lange und glücklich, der empfangenen Wohltaten stets eingedenk, als Freunde Gottes gelebt haben.

       SIEBENTE NOVELLE

      Der Sultan von Babylon schickt seine Tochter dem Könige von Algarbien als Gemahlin. Durch mancherlei Zufälle geht sie in einer Zeit von vier Jahren durch die Hände von neun Männern in verschiedenen Ländern. Endlich bekommt sie der Vater wieder und sie reist, wie früher, als Jungfrau zum Könige von Algarbien, um seine Gemahlin zu werden.

      Hätte Emiliens Erzählung noch ein wenig länger gedauert, so wären vielleicht die Augen aller Damen vor Mitleid mit den Unglücksfällen der Dame Beritola von Tränen übergegangen. Wie sie geendigt hatte, gefiel es der Königin, dass Pamfilo weiter erzählen sollte. Er gehorchte und hub an:

      Es ist schwer, meine liebenswürdigen Damen, zu erkennen, was zu unserem Besten gereicht. Denn wie oft hat man nicht gesehen, dass Menschen, die sich einbildeten, wenn sie reich wären, so könnten sie in Ruhe und Bequemlichkeit leben, nicht nur Gott beständig um Reichtümer baten, sondern auch unermüdlich waren und keine Arbeit und Gefahr scheuten, um sie zu erwerben. Wenn sie sie aber hatten, aus Begierde nach einer reichen Erbschaft von denjenigen umgebracht wurden, denen vor der Erlangung ihres Reichtums ihr Leben teuer gewesen war. Andere stiegen aus dem niedrigsten Stande durch tausend gefährliche Schlachten auf den Leichnamen ihrer Brüder und Freunde empor zu Zeptern und Thronen und suchten in diesen ihr höchstes Glück. Doch abgesehen davon, dass sie solche mit Sorgen und Mühseligkeiten umringt fanden, wurden sie erst im Tode gewahr, dass an den Tafeln der Könige in goldenen Bechern Gift geschenkt wird. Manche haben sich mit unmäßiger Begierde nach körperlicher Stärke, nach Schönheit und nach anderen dergleichen Vorzügen gesehnt und nicht eher die Eitelkeit ihrer Wünsche erkannt, bis auch diese ihnen den Tod oder ein qualenvolles Leben zuwege brachten. Doch damit ich nicht weitläufig alle und jede Wünsche der Menschen aufzähle, so will ich nun überhaupt sagen, dass ihre Erfüllung in keinem Falle die Sterblichen vor Unglück sichern kann. Daher wir denn, wenn wir recht handeln wollen, uns damit begnügen sollen, nur das mit Dank zu empfangen und zu genießen, was uns der große Geber beschert, welcher allein weiß


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