Karin Bucha Staffel 3 – Liebesroman. Karin Bucha
Читать онлайн книгу.einst so sehr geliebten Frau blickend. Tiefer Friede liegt auf den eingefallenen Zügen. Nichts ist von der einstigen gefeierten Schönheit übriggeblieben. Alles hat diese Krankheit zerstört.
Abseits steht Schwester Maria. Sie blickt starr auf den in sich zusammengesunkenen Mann. Am Fenster lehnt Doktor Hermann.
»Bitte, Doktor«, sagt Ronald leise, als wolle er die Ruhe der Toten nicht stören, und langsam setzt der Arzt sich vom Fenster ab. »Sagen Sie mir, was Sie vermuten.«
»Wollen wir dazu nicht lieber nach unten gehen?« schlägt dieser unheimlich ruhig vor. Willig geht Ronald mit. Er bewegt sich wie ein Automat. Alles kommt so plötzlich, so völlig unerwartet.
Sie kehren in die Bibliothek zurück. Noch immer sitzt Chris in sich versunken im Sessel. Selbst beim Eintritt der Herren hebt sie nicht den Kopf. Sie möchte auch Ingeborg sehen, wagt aber nicht, den Wunsch zu äußern.
Aber sie lauscht mit allen Sinnen auf die Unterhaltung der beiden Männer. Sie findet den Arzt, der sonst immer zu einem Späßchen aufgelegt war, selbst wenn es Ingeborg nicht besonders gut ging, so auffallend verändert, daß es sie fröstelt.
Keines natürlichen Todes gestorben.
»Wie kommen Sie auf den Gedanken, daß meine Frau nicht an den Folgen ihrer Krankheit gestorben ist?« unterbricht Ronald die unheilvolle Stille. »Sie sagten doch stets, es könnte einmal schnell zu Ende gehen.«
Fest richtet Hermann seine Augen auf sein Gegenüber.
»Sie hatten vor Ihrer Abreise eine erregte Aussprache mit Ihrer Gattin. Stimmt das?«
Unwillig richtet Ronald sich auf. »Das klingt wie ein Verhör.«
»Wollten Sie nicht die Wahrheit wissen?« kommt es gelassen von den Lippen des Arztes.
»Ja, natürlich.«
»Ihre Frau befand sich im Zustand hochgradiger Erregung.«
»Das tut mir leid«, fällt Ronald ihm ins Wort.
»Schwester Maria war Zeuge dieser Unterredung. Sie sind ziemlich schonungslos mit der Kranken umgegangen.«
»Das ist nicht wahr«, braust Ronald auf. »Meine Frau wollte –«
Er preßt die Lippen zusammen. Nein! Darüber kann er nicht mit dem Arzt sprechen. Das betrifft auch Christine, und sie kann er unmöglich mit seinen persönlichen Dingen belasten.
»Sie haben Ihrer Gattin noch eine Erfrischung ans Bett gebracht?« fragt Hermann unbeirrt weiter, und Ronald nickt. »In dem Glas befindet sich ein Rest von Gift. Es ist bereits festgestellt worden. Mir kam es von Anfang an verdächtig vor. Deshalb habe ich den Rest im Glas zur Untersuchung gegeben. Vor zwei Stunden erhielt ich den Anruf.«
Ronald springt auf. Er packt den Arzt am Rock.
»Sie wollen doch nicht behaupten…« Keuchend verstummt Ronald. Seine Augen irren ab zu Chris, die mit geschlossenen Lidern hochaufgerichtet auf ihrem Platz sitzt.
»Ich behaupte gar nichts«, widerspricht Doktor Hermann. »Ich stelle lediglich fest, daß in dem von Ihnen gereichten Glas Spuren von Gift enthalten waren –«
»Hahaha!« Schaurig klingt Ronalds Lachen durch den weiten eleganten Raum, so daß sogar Chris zusammenfährt. Besorgt betrachtet sie Ronald. »Sie glauben wohl, ich habe meine Frau umgebracht?«
»Ich sagte bereits, ich stelle nur fest.« Ein lauernder Blick trifft den Regisseur. »Sie haben doch betont – oder waren Sie es, gnädige Frau?« wendete er sich an Chris, »die Kranke habe das Leben trotz ihrer Krankheit geliebt. Das muß ich nämlich auch bestätigen. Dazu kommt noch ihre ungeheure Liebe zu Ihnen, Herr Ronald.«
»Sie wollen also sagen, ich habe meine Frau aus dem Wege geräumt? Ja? Sie sind ja verrückt«, entfährt es Ronald grob. Er ist am Ende seiner Nervenkraft.
»Gar nichts will ich sagen. Das ist Sache des Untersuchungsrichters«, kommt es ruhig von dem Arzt, während er aufsteht.
»Vorläufig ist die Leiche beschlag-nahmt.«
Ronald läßt die Hände schlaff zur Seite sinken.
»Ich – verstehe das – alles nicht«, murmelt er. Chris sieht blaß aus. Nur die Augen leben in dem schmalen Gesicht. Sie sind dunkel vor Erregung, und auf ihrem Grund steht das nackte Grauen.
»Ich – ich möchte heim«, sagt sie leise.
»Darf ich Sie heimbringen?« fragt der Arzt höflich.
»Danke«, würgt Chris erregt hervor. »Mein Wagen steht vor der Tür.«
Sie macht ein paar Schritte auf Ronald zu, faßt seine Hand.
»Auf Wiedersehen, Ferdinand«, raunt sie ihm zu. »Wenn es ein kleiner Trost für dich ist: ich glaube nicht daran, daß du Ingeborg auch nur den Tod gewünscht hast, vielmehr –«
Sie kann es einfach nicht aussprechen. Hastig verläßt sie den Raum und das Haus. Der Arzt folgt ihr auf dem Fuß.
Noch während sie mit zitternder Hand den Wagen öffnet, tritt Doktor Hermann zu ihr. Aus glanzlosen Augen blickt sie zu der mächtigen Erscheinung auf.
»Bitte!« Das klingt kühl. »Wollen Sie noch etwas von mir?«
»Ich wollte Ihnen nur sagen«, meint der Arzt, »ich glaube auch nicht daran, daß Ferdinand Ronald es getan hat.«
Ein flüchtiges Rot färbt Chris’ Wangen. Impulsiv streckt sie dem Arzt die Hand entgegen.
»Ich danke Ihnen, oh, ich danke Ihnen.« Und dann setzt sie erstaunt hinzu: »Warum haben Sie es nicht Herrn Ronald gesagt? Es hätte ihm gutgetan. Er hat seine Frau sehr geliebt.«
»Natürlich hat er sie geliebt.
Aber –«, ein nachdenklicher Blick über den Brillenrand trifft Chris, »– aber er hat auch Sie geliebt.«
Chris zuckt zusammen.
»Woher wissen Sie –?«
Er macht eine Bewegung zum Haus hin. »Schwester Maria war Zeuge der letzten Unterhaltung.«
Bedrängende Stille. Endlich rafft Chris sich auf.
»Davon habe ich keine Ahnung. Wissen Sie den Grund zur Aufregung?«
»Sie!«
»Iiiich?« Chris umklammert den Türgriff ihres Wagens, als brauche sie einen Halt. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich möchte Sie nicht unnötig aufregen, gnädige Frau. Es wird sich alles aufklären.« Das klingt tröstlich, kann auch Hinauszögern einer schrecklichen Wahrheit bedeuten.
»Sagen Sie es mir, bitte«, fleht Chris.
Der Arzt öffnet ihr die Wagentür und schiebt sie förmlich hinter das Steuerrad. »Fahren Sie langsam, gnädige Frau. Sie sind ziemlich aufgeregt. Eine Tote genügt.«
Chris spürt, wie es ihr heiß in die Augen steigt. Wortlos bringt sie den Wagen in Gang, und langsam schnurrt er davon.
Nachdenklich sieht der Arzt hinter den roten Lichtern her.
Am nächsten Morgen schon wimmelt das Haus Ronalds von fremden Menschen. Menschen, die in Ronalds Privatleben wühlen, die die Angestellten vernehmen, die Schwester, das Hausmädchen, die Köchin und den Gärtner.
Alle haben sie die Herrin geliebt, alle verehrt. Sie hat ihre Krankheit mit der Geduld einer Heiligen ertragen.
Aber auch über Ronald sagen sie nur das Allerbeste aus. Er war ein zärtlicher, aufmerksamer Gatte. Allerdings hat ihn sein Beruf viel von ihr ferngehalten. Niemals haben sie Streit oder böse Worte gehört.
Kommissar Möller und sein Assistent Schäfer unterhalten sich in der Bibliothek, nachdem der Gärtner Josef das Zimmer verlassen hat.
»Könnte nicht die Möglichkeit bestehen«, meint Schäfer, »daß die Tote sich selbst das Gift in das Glas geschüttet