Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Leopold von Ranke: Historiografische Werke - Leopold von  Ranke


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zugewandt, selbst menschlich, nicht allein mit seinem moralischen, sondern auch seinem intellektuellen Wesen innig vereinigt. Der Menschheit wurde damit eine neue Bahn eröffnet.

       Inhaltsverzeichnis

      Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 1-5. Einleitung.

      In Schule und Literatur mag man kirchliche und politische Geschichte von einander sondern; in dem lebendigen Dasein sind sie jeden Augenblick verbunden und durchdringen einander. Wie es überhaupt keine menschliche Tätigkeit von wahrhafter, geistiger Bedeutung gibt, die nicht in einer mehr oder minder bewußten Beziehung zu Gott und göttlichen Dingen ihren Ursprung hätte, so läßt sich eine große, des Namens würdige Nation gar nicht denken, deren politisches Leben nicht von religiösen Ideen angeregt und erhoben würde, die sich nicht unaufhörlich damit beschäftigte, dieselben auszubilden, zu einem allgemein gültigen Ausdruck und einer öffentlichen Darstellung zu bringen.

      Nicht zu leugnen ist, daß die Nationen hierdurch in einen gewissen Widerstreit in sich selbst geraten. Die Nationalität bewegt sich innerhalb ihrer natürlichen, schon durch die Selbständigkeit der Nachbarn festgesetzten Schranken; die Religion, seit einmal diejenige in der Welt erschienen ist, die den Anspruch und das Recht dazu hat, strebt ewig die allgemeine zu sein. Inwiefern der Staat zu gründen ist, macht sich ein eigentümliches Prinzip geltend, ebenfalls geistiger Natur, das auch seine innere Notwendigkeit hat, in bestimmten Formen sich ausspricht, besondere Bildungen hervortreibt, eine unbedingte Freiheit in Anspruch nimmt; sobald eine Kirche mit ihren weiterreichenden, verschiedene Völker umfassenden Formen entstanden ist, gibt sie sich leicht dem Bestreben hin, den Staat in sich aufgehen zu lassen, dessen Prinzip sich zu unterwerfen: es wird ihr schwer, die ursprüngliche Berechtigung der Nationalitäten und der Staaten neben sich anzuerkennen. Wie das Leben, so wird selbst die Auffassung der Begriffe von diesem Gegensatz berührt. Die allgemeine Religion erscheint, nachdem sie zuerst in das Bewußtsein des menschlichen Geschlechts getreten ist, als eine große von Volk zu Volk fortschreitende Überlieferung, mitgeteilt in festen Lehrsätzen; aber die Nationen können es sich nicht nehmen lassen, die Fähigkeit und den Inhalt des ihnen ursprünglich eingepflanzten Geistes prüfend daran zu versuchen.

      Aus der Natur dieses Widerstreites geht hervor, welch ein großes Moment für alles menschliche Dasein darin liegt. Die religiöse Wahrheit muß eine lebendige Repräsentation haben, um den Staat in fortwährender Erinnerung an den Ursprung und das Ziel des irdischen Lebens, an das Recht seiner Nachbarn und die Verwandtschaft aller Nationen zu erhalten; er würde sonst in Gefahr sein, in Gewaltherrschaft auszuarten, in einseitigem Fremdenhaß zu erstarren. Die Freiheit der nationalen Entwicklung dagegen ist selbst für die religiöse Lehre notwendig; sie würde sonst nicht wahrhaft begriffen, innerlich angenommen werden; ohne ein immer wiederholtes Bezweifeln und Überzeugtwerden, Bejahen und Verneinen, Suchen und Finden würde kein Irrtum zu heben, kein tieferes Verständnis zu erreichen sein. Und so kann auch die Kirche eine von ihr unabhängige Bewegung nicht entbehren; sie bedarf es, an die wechselnden Bedürfnisse der Geister, die Wandelbarkeit ihrer eigenen Formen erinnert zu werden, um sich vor der dumpfen Widerholung unbegriffener Lehren und Dienste zu bewahren, welche die Seele töten. Man hat gesagt, der Staat sei schon die Kirche; oder die Kirche hat sich berechtigt geglaubt, an die Stelle des Staates zu treten. Die Wahrheit ist, daß das geistige Leben, in seiner Tiefe und Energie allerdings sich selber gleich, ein und dasselbe, doch in diesen beiden Institutionen sich äußert, die sich in den mannigfaltigsten Abwandlungen berühren, einander zu durchdringen oder auch zu beseitigen und auszuschließen suchen, und doch niemals zusammenfallen, niemals eine die andere zu überwältigen vermögen. Wenigstens ist es in unsern abendländischen Nationen nie dahin gekommen. Das Khalifat mochte kirchliche und politische Gewalt in einer Hand vereinigen; das Leben der abendländischen Christenheit beruht dagegen auf der unaufhörlichen Wechselwirkung zwischen Kirche und Staat. Daraus entspringt die immer freiere, umfassendere, tiefere Bewegung des Geistes, die ihr, im ganzen und großen angeschaut, zugeschrieben werden muß; in dem wechselseitigen Verhältnis von Staat und Kirche ist die jedesmalige Gestalt des Gemeinwesens gegründet.

      Daher kommt es eben, daß die kirchliche Geschichte nicht ohne die politische, diese nicht ohne jene zu verstehen ist. Erst die Kombination von beiden läßt die eine und die andere in ihrem wahren Lichte erscheinen und vermag vielleicht zur Ahnung des tieferen Lebens zu führen, aus dem sie beide hervorgehen.

      Ist das nun bei allen Nationen der Fall, so liegt es doch besonders bei der deutschen am Tage, welche sich wohl von allen am anhaltendsten und selbständigsten mit kirchlichen und religiösen Dingen beschäftigt hat. Die Ereignisse eines Jahrtausends gehen in den Gegensätzen zwischen Kaisertum und Papsttum, Katholizismus und Protestantismus auf; wir in unsern Tagen stehen mitten in beiden.

       Inhaltsverzeichnis

      Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 28.

      Den unmittelbar aus den Gründungen Karls des Großen hervorgehenden Ansprüchen der Geistlichkeit, Europa nach ihren hierarchischen Gesichtspunkten zu beherrschen, waren die vereinigten Deutschen, noch durchdrungen von den nationalen Ideen des alten Germaniens, entgegengetreten und hatten das Kaisertum gegründet. Unglücklicherweise aber vermochte das Kaisertum nicht zu vollkommen ruhigem und festem Bestande zu gelangen. In der Entzweiung, in welche die zur Gewalt geneigten Herrscher und die widerspenstigen Vasallen gar bald gerieten, geschah es doch, daß sowohl die einen als die anderen das geistliche Element wieder beförderten. Zuerst sahen die Kaiser in einer starken Geistlichkeit das Mittel, ihre Großen im Zaun zu halten, und teilten ihr freigebig Besitztümer, Regierungsrechte zu. Hierauf aber, als sich in dem Papsttum und der geistlichen Korporation überhaupt Ideen der Befreiung regten, fanden es auch die weltlichen Großen so übel nicht, wenn der Kaiser dieses Rückhalts, dieses Mittels der Gewalt beraubt würde; die Schwächung der kaiserlichen Macht kam auch ihnen gar sehr zu statten. So geschah, daß das geistliche Element, durch seine entzweiten Gegner befördert, zuletzt doch zu einem entschiedenen Übergewicht gelangte.

      Allerdings kam nun im 12. und 13. Jahrhundert etwas ganz anderes zustande, als im 9. geschehen sein würde. Die weltliche Gewalt konnte herabgewürdigt, nicht vernichtet werden; ein vollkommenes Priesterreich, wie es wohl einst hätte erwartet werden müssen, konnte nicht mehr entstehen. Auch hatte die gesamte nationale Entwicklung viel zu tiefe Wurzeln geschlagen, um von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stiftungen ohne Zweifel selbst sehr förderlich. Es war eine Fülle von Leben und Geist, von Tätigkeit in den verschiedensten Zweigen, von schöpferischer Kraft vorhanden, von der man nicht sieht, wie sie bei einem anderen Gang der Dinge hätte entstehen können.

      Aber bei alledem war das doch kein Zustand, mit welchem sich eine große Nation befriedigen kann. An eine freie politische Bewegung war nicht zu denken, solange der vornehmste Antrieb zu aller öffentlichen Tätigkeit von einem fremden Oberhaupte kam. Auch im Reiche des Geistes waren strenge Grenzen gezogen; das unmittelbare Verhältnis, in dem sich jedes geistige Dasein zu dem Göttlichen fühlt, war und blieb der Nation verdunkelt. Es traten endlich Verhältnisse ein, welche auch in der deutschen Nation ein Bewußtsein ihrer natürlichen Stellung hervorriefen.

      Kaiser Maximilian I

       Inhaltsverzeichnis

      Deutsche Geschichte I, Werke Bd. 1 S. 234 ff.

      Die Meinung, welche in Maximilian den schöpferischen Begründer der späteren Verfassung des Reiches erblickt, muß nun wohl aufgegeben werden. Haben wir früher gesehen, wie die organisierenden Ideen, welche in seinen ersten Jahren hervortraten, von ihm viel mehr Widerstand erfuhren als Förderung, wie er dann mit seinen eigenen Entwürfen so wenig durchdrang, so nehmen mir nunmehr wahr, daß er auch die Fürsten des Reichs nicht zusammenzuhalten


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