Metaphysik: Das Grundlegende aller Wirklichkeit. Aristoteles

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Metaphysik: Das Grundlegende aller Wirklichkeit - Aristoteles


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ist die mathematische Theorie zuerst in Ägypten ausgebildet worden; denn dort war dem Stande der Priester Muße vergönnt.

      In unserer »Ethik« haben wir den Unterschied zwischen praktischer Kunst, Wissenschaft und den andern verwandten Begriffen näher bestimmt. Der Zweck, um dessen willen wir den Gegenstand hier behandeln, ist der, zu zeigen, daß nach allgemeiner Ansicht das, was man wirkliche Wissenschaft nennt, auf die letzten Gründe und Prinzipien geht. Darum schreibt man, wie wir vorher dargelegt haben, dem Praktiker ein höheres Maß von Wissenschaft zu als denjenigen, die nur irgend welche sinnliche Wahrnehmungen gemacht haben, ein höheres Maß dem Theoretiker als dem Praktiker, dem Arbeitsleiter als dem Arbeiter, und der reinen Theorie ein höheres Maß als der praktischen Handhabung. Daraus ergibt sich der Schluß, daß Wissenschaft die Erkenntnis von irgend welchen Gründen und Prinzipien sein muß.

      Da es nun diese Wissenschaft ist, deren Wesen wir ermitteln wollen, so wird zu fragen sein, welche Art von Gründen und welche Art von Prinzipien es ist, deren Erkenntnis die Wissenschaft ausmacht. Vielleicht kann eine Erwägung der Vorstellungen, die man mit dem Begriffe des wissenschaftlichen Mannes verbindet, uns die Antwort darauf erleichtern.

      Die Vorstellung, die man sich vom wissenschaftlichen Manne macht, ist nun erstens die, daß er alles weiß, soweit es möglich ist, ohne doch die Kenntnis aller Einzelheiten zu besitzen; zweitens, daß er auch das Schwierige zu erkennen vermag, also das was gewöhnlichen Menschen zu wissen nicht leicht fällt. Die bloße Sinneswahrnehmung gehört nicht dahin; sie ist allen gemeinsam und deshalb leicht und hat mit Wissenschaft nichts zu schaffen. Weiter, daß auf jedem Wissensgebiete derjenige mehr eigentliche Wissenschaft habe, dessen Gedanken die strengere begriffliche Form haben und zur Belehrung anderer die geeigneteren sind. Man hält ferner diejenige Wissenschaft, die um ihrer selbst willen und bloß zum Zwecke des Erkennens getrieben zu werden verdient, in höherem Grade für Wissenschaft als die, die nur durch ihren Nutzen empfohlen ist, und ebenso in höherem Grade diejenige, die geeigneter ist, eine beherrschende Stellung einzunehmen, als die bloß dienende. Denn der wissenschaftliche Mann, meint man, dürfe nicht die Stellung eines Geleiteten, sondern müsse die des Leitenden einnehmen und nicht von einem anderen seine Überzeugung empfangen, sondern selber den minder Einsichtigen ihre Überzeugung vermitteln.

      Damit wären die geläufigen Ansichten über die Wissenschaft und ihre Vertreter bezeichnet und aufgezählt. Was nun das erste betrifft, so muß notwendigerweise die Eigenschaft, ein Wissen von allem zu haben, dem am meisten zukommen, der die Kenntnis des Allgemeinen besitzt. Denn dieser weiß damit zugleich in gewissem Sinne alles, was unter dem Allgemeinen befaßt ist. Dieses, das am meisten Allgemeine, möchte aber auch zugleich das sein, was den Menschen so ziemlich am schwersten zu erkennen ist, denn es liegt von dem sinnlichen Bewußtsein am weitesten ab. Die strengste Form ferner haben die Erkenntnisse, die sich am unmittelbarsten auf die letzten Prinzipien beziehen. Denn begrifflich strenger sind diejenigen, die aus einfacheren Prinzipien abfließen, als diejenigen, die allerlei Hilfsanschauungen heranziehen; so die Arithmetik gegenüber der Geometrie. Aber auch zur Unterweisung anderer geeigneter ist diejenige Wissenschaft, die die Gründe ins Auge faßt; denn diejenigen bieten wirkliche Belehrung, die von jeglichem die Gründe anzugeben wissen. Daß aber Wissen und Verständnis ihren Wert in sich selbst haben, das ist am meisten bei derjenigen Wissenschaft der Fall, deren Gegenstand der am meisten erkennbare ist. Denn wer das Wissen um des Wissens willen begehrt, der wird die Wissenschaft vorziehen, die es im höchsten Sinne ist, und das ist die Wissenschaft von dem Gegenstande, der am meisten erkennbar ist; am meisten erkennbar aber sind die obersten Prinzipien und Gründe. Denn vermittelst ihrer und auf Grund derselben erkennt man das andere, nicht aber erkennt man sie vermittelst dessen, was unter ihnen befaßt ist. Die oberste Herrscherin aber unter den Wissenschaften und in höherem Sinne zum Herrschen berechtigt als die dienende, ist diejenige, die erkennt, zu welchem Zwecke, jegliches zu geschehen hat. Dies aber ist in jedem einzelnen Falle das Gute und in der Welt als Ganzem das absolute Gut.

      Aus allem, was wir dargelegt haben, ergibt sich, daß es eine und dieselbe Wissenschaft ist, auf die der Name, dessen Bedeutung wir ermitteln wollen, anwendbar ist. Es muß diejenige sein, die sich mit den obersten Gründen und Prinzipien beschäftigt, und unter diese Gründe gehört auch das Gute und der Zweck. Daß sie dagegen nicht auf praktische Zwecke gerichtet ist, ersieht man auch aus dem Beispiel der ältesten Philosophen.Wenn die Menschen jetzt, und wenn sie vor alters zu philosophieren begonnen haben, so bot den Antrieb dazu die Verwunderung, zuerst über die nächstliegenden Probleme, sodann im weiteren Fortgang so, daß man sich auch über die weiter zurückliegenden Probleme Bedenken machte, z.B. über die Mondphasen oder über den Lauf der Sonne und der Gestirne wie über die Entstehung des Weltalls.Wer nun in Zweifel und Verwunderung gerät, der hat das Gefühl, daß er die Sache nicht verstehe, und insofern ist auch der, der sich in mythischen Vorstellungen bewegt, gewissermaßen philosophisch gestimmt; ist doch der Mythus auf Grund verwunderlicher Erscheinungen behufs ihrer Erklärung ersonnen.Wenn man also sich mit Philosophie beschäftigte, um dem Zustande des Nichtverstehens abzuhelfen, so hat man offenbar nach dem Wissen gestrebt, um ein Verständnis der Welt zu erlangen, und nicht um eines äußerlichen Nutzens willen. Dasselbe wird durch einen weiteren Umstand bezeugt. Diese Art von Einsicht nämlich begann man erst zu suchen, als die Menge dessen, was dem Bedürfnis, der Bequemlichkeit oder der Ergetzung dient, bereits vorhanden war. Offenbar also treibt man sie um keinerlei äußeren Nutzens willen. Sondern wie wir sagen: ein freier Mann ist der, der um seiner selbst willen und nicht für einen anderen da ist, so gilt es auch von dieser Wissenschaft. Sie allein ist freie Wissenschaft, weil sie allein um ihrer selbst willen getrieben wird.

      Insofern dürfte man vielleicht mit Recht sagen, daß ihr Besitz über des Menschen Natur hinaus liegt. Denn vielfach ist die Natur des Menschen unfrei, und nach Simonides kommt Gott allein jenes Vorrecht zu, für den Menschen aber, meint er, sei es ein Vorwurf, sich nicht auf diejenige Wissenschaft zu beschränken, die für ihn paßt. Wenn man nun etwas auf die Dichter geben darf und es wirklich in der Götter Art liegt, neidisch zu sein, so ist es verständlich, daß dies in diesem Punkte am meisten zutrifft, und daß alle, die zu hoch hinaus wollen, daran zugrunde gehen. Aber weder hat es einen Sinn, daß die Gottheit neidisch sei - vielmehr geht es auch hier nach dem Sprichwort: Viel lügen die Sänger zusammen; - noch soll man eine andere Wissenschaft suchen, die wertvoller wäre als diese. Vielmehr ist sie die göttlichste und erhabenste, und diesen Wert hat sie allein, und sie hat ihn in doppelter Beziehung. Denn göttlich ist erstens die Wissenschaft, die Gott am meisten eigen ist, und ebenso wäre göttlich zweitens die, die das Göttliche zum Gegenstande hätte. Dieser Wissenschaft allein nun kommt beides zu. Denn daß Gott zu den Gründen gehört und Prinzip ist, ist selbstverständlich, und andererseits besitzt nur Gott diese Wissenschaft, oder doch Gott im höchsten Grade. Nötiger mögen also alle andern Wissenschaften sein als diese; wertvoller als sie ist keine.

      Übrigens muß in gewissem Sinne diese Wissenschaft, wenn wir sie besitzen, uns in die entgegengesetzte Stimmung versetzen, als die war, mit der wir sie im Anfang suchten. Denn, wie es oben hieß, den Ausgangspunkt bildet bei allen die Verwunderung, daß die Sache sich wirklich so verhalten sollte. So staunen die Leute unter den Raritäten die Automaten an, solange sie noch nicht den Mechanismus durchschaut haben. So verwundert man sich über die Wendepunkte des Sonnenlaufs oder über die Inkommensurabilität zwischen der Diagonale und der Seite des Quadrats. Zuerst erscheint es jedermann verwunderlich, daß es etwas geben sollte, was auch mit dem kleinsten gemeinsamen Maße nicht gemessen werden kann. Zuletzt aber kommt es ganz anders, und wie es im Sprichwort heißt, daß das, was nachkommt, das Bessere ist, so geschieht es auch hier, wenn man nur erst über den Gegenstand unterrichtet ist. Denn ein geometrisch gebildeter Kopf würde sich über nichts mehr verwundern, als wenn die Diagonale auf einmal kommensurabel sein sollte.

      Damit wäre denn die Frage erledigt, welches die Natur der Wissenschaft ist, die wir suchen, und welches das Ziel, das unserer Untersuchung und unserem gesamten Verfahren gesteckt ist.

      II. Die Lehre von den Prinzipien bei den Früheren

       Inhaltsverzeichnis

      Unser Ergebnis war, daß die Wissenschaft


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