Metaphysik: Das Grundlegende aller Wirklichkeit. Aristoteles
Читать онлайн книгу.von Ideen, in den Ideen vom Einen die Rede ist, antwortet er, sie sei eine Zweiheit, das Groß-und-Kleine. Den Grund des Guten und des Schlechten, des Zweckmäßigen und des Zweckwidrigen hat er in den beiden Elementen gefunden, in dem einen die Ursache des Zweckmäßigen, in dem andern die Ursache des Gegenteils, eine Erklärung, um die sich, wie oben nachgewiesen, schon einige der älteren Philosophen, wie Empedokles und Anaxagoras, bemüht hatten.
III. Ergebnisse aus den Lehren der Früheren und Kritik
Nur in aller Kürze und den Hauptzügen nach haben wir die Männer, welche von den Prinzipien und von der Wesenserkenntnis gehandelt haben, und die verschiedenen Auffassungen, die sie dabei geleitet haben, an uns vorüberziehen lassen. Doch haben wir soviel daraus ersehen, daß von denen, die über Prinzip und Ursache sprechen, keiner etwas beigebracht hat, was nicht unter dem von uns in unserer »Physik« genauer Bezeichneten mitbefaßt wäre, daß vielmehr alle augenscheinlich auf eben diese Bestimmungen, wenn auch unsicher, hindeuten.
Zunächst also begegnen wir dem materiellen Prinzip, das sich bei manchen findet, mögen sie es nun als eines oder als eine Vielheit, als körperlich oder als unkörperlich nehmen. Dahin gehört Plato, der das Groß-und-Kleine, und die italischen Philosophen, die das Unbegrenzte zum Prinzip machen; dahin Empedokles, der Feuer, Erde, Wasser und Luft, und Anaxagoras, der die unendliche Anzahl der Homöomerien dafür setzte. Wie alle die Genannten, so haben ein Prinzip von materieller Art auch diejenigen aufgestellt, die die Luft oder das Feuer oder das Wasser oder ein anderes, was dichter als Feuer, aber dünner als Luft ist, an die Stelle setzen; in der Tat haben manche als oberstes Element etwas von der Art des zuletzt Genannten angenommen.
Diese nun haben nur die eine Art von Ursachen genannt; andere haben auch noch eine zweite Art, die bewegende Ursache, ins Auge gefaßt. So diejenigen, die die Freundschaft und den Streit oder die Vernunft oder die Liebe zum Prinzip erheben. Die dritte Art, die begriffliche, die Wesensursache, hat mit Bestimmtheit niemand bezeichnet, am ehesten noch haben es die Vertreter der Ideenlehre getan. Denn die Ideen und in den Ideen das Eine, wie sie es fassen, sind nicht die Materie des Sinnlichen, und sind auch nicht die bewegende Ursache, das woraus die Bewegung stammt; eher gelten sie ihnen als die Ursache der Unbeweglichkeit und des Ruhezustandes; - die Ideen bedeuten vielmehr für jegliches Andere das begriffliche Wesen, und das Eine bedeutet eben dasselbe für die Ideen. Endlich die Zweckursache, das, um dessen willen die Handlungen, die Veränderungen und die Bewegung sich vollziehen, haben manche wohl in gewisser Weise als Ursache erfaßt, aber doch nicht in diesem Sinne und nicht, wie es die Sache fordert. Diejenigen, die die Vernunft oder die Freundschaft als Prinzip setzen, verleihen zwar diesen Ursachen den Charakter des Guten, aber doch nicht so, daß das Seiende ausdrücklich um dieses Zweckes willen wäre oder geschähe; sondern sie stellen sie nur so dar, daß sie die Bewegungen daraus hervorgehen lassen. Ganz ebenso leiten diejenigen, die dem. Einen oder dem Seienden diesen Rang anweisen, das begriffliche Wesen daraus als aus einer Ursache ab; aber daß es um dieses Zweckes willen da sei oder werde, das sagen sie nicht. Und so begegnet es ihnen denn, daß sie das Gute wohl als Ursache bezeichnen und auch wieder nicht bezeichnen; denn sie bezeichnen es als solches nicht direkt, sondern nur nebenbei. Das Ergebnis ist, daß diese Denker insgesamt uns als Zeugen dafür geeignet scheinen, daß die Bestimmungen, die wir über Zahl und Art des Grundes gegeben haben, die richtigen sind; denn weitere Arten aufzuzeigen, vermögen auch sie nicht. Ferner hat sich erwiesen, daß die Frage nach den Prinzipien entweder in allen den genannten Formen oder in einer oder der anderen dieser Formen zu lösen ist. Im folgenden wollen wir nun im einzelnen die Schwierigkeiten betrachten, die sich aus der Art und Weise ergeben, wie jeder dieser Männer von den Prinzipien gelehrt hat und wie er sich zu ihnen stellt.
Diejenigen nun, die das All als Eines und nur eine Wesenheit in Gestalt der Materie setzen und dieselbe als körperhaft und ausgedehnt fassen, verfehlen offenbar in mehrfacher Beziehung das Ziel. Sie weisen zunächst Elemente nur des Körperlichen, nicht des Unkörperlichen nach, das doch auch existiert.Während sie ferner sich anheischig machen, die Ursachen für das Entstehen und Vergehen zu bezeichnen und von allem eine natürliche Erklärung zu geben, haben sie für die Ursache der Bewegung keinen Platz. Dazu kommt, daß sie die Wesenheit und auch den Begriff als Ursache für irgend etwas zu verwenden unterlassen, und daß sie ferner einen beliebigen unter den einfachen Körpern ohne weiteres als Prinzip annehmen, nur die Erde ausgenommen, ohne genauer darauf zu achten, in welchem Sinne sie die Entstehung des Einen aus dem Anderen verstehen. So ist es mit Feuer, Wasser, Erde und Luft. Denn wo das Eine aus dem Anderen entsteht, da geschieht es das eine Mal durch Verbindung, das andere Mal durch Trennung; ein Unterschied, der doch für die Frage, ob etwas ursprünglich oder ob es abgeleitet ist, sehr ins Gewicht fällt. Denn handelt es sich um jene Art des Entstehens, so dürfte als eigentliches Element am ehesten unter allen dasjenige gelten, woraus das Andere als aus dem Ursprünglichen durch Verbindung entsteht; ein solches aber wäre dann derjenige Körper, der aus den kleinsten Teilen besteht und am wenigsten Dichtigkeit besitzt. Dieser Erwägung möchten diejenigen, die das Feuer zum Prinzip erheben, am meisten Rechnung tragen; indessen stimmen im Grunde darüber, daß, was als Element der Körper gelten darf, von der genannten Beschaffenheit sein muß, auch alle anderen überein.Wenigstens hat sich keiner von den Späteren und von denen, die nur ein Element annehmen, zu der Annahme entschlossen, die Erde sei dieses Element, offenbar, weil sie aus zu groben Teilen besteht. Von den drei anderen Elementen hat jedes seinen Gönner gefunden. Die einen haben sich für das Feuer, die anderen für das Wasser, wieder andere für die Luft erklärt. Und doch, weshalb eigentlich entscheidet sich niemand für die Erde, wie es doch dem gemeinen Manne am nächsten liegt? Denn der hält alles für Erde. Sagt doch auch Hesiod, die Erde sei unter den Körpern zuerst entstanden; so alt und so verbreitet muß diese Anschauung gewesen sein. Gilt aber die bezeichnete Rücksicht, so erweist sich jede Ansicht als unzulässig, die etwas anderes als das Feuer als Element setzt, auch wenn jemand als Element ein solches bezeichnet, das dichter als die Luft, aber dünner als das Wasser sei. Freilich, wenn das der Entstehung nach Spätere das der Natur nach Frühere ist, das Verarbeitete und Zusammengesetzte aber der Entstehung nach das Spätere ist, dann würde der entgegengesetzte Schluß gelten, und das Wasser wäre früher als die Luft, die Erde früher als das Wasser.
So viel über diejenigen, die nur eine Ursache und zwar eine von der bezeichneten Art angenommen haben. Das Gleiche gilt aber auch von denjenigen, die solche Ursachen in der Mehrheit setzen, wie Empedokles, nach dem vier Körper die Materie bilden. Auch bei ihm ergeben sich notwendig teils die gleichen Schwierigkeiten, teils solche, die ihm besonders eigen sind. Sehen wir doch das eine aus dem anderen werden; nicht das Feuer, nicht die Erde bleibt immer derselbe Körper - ich habe darüber in meinen Schriften zur Naturwissenschaft gehandelt -, und auch was die Ursache der Bewegung anbetrifft, die Frage, ob man sie als eine oder als zweifach annehmen muß, kann man seine Ansicht keineswegs in jedem Sinne zutreffend oder sicher durchgeführt nennen. Überhaupt sind diejenigen, die dieser Annahme folgen, gezwungen, die qualitative Veränderung zu leugnen. Denn das Kalte wird nach ihnen nicht aus dem Warmen, noch das Warme aus dem Kalten. Müßte es doch etwas geben, was diese entgegengesetzten Beschaffenheiten annimmt, und ein einheitliches Wesen existieren, das zu Feuer oder zu Wasser wird. Davon aber weiß er nichts zu sagen.
Was Anaxagoras betrifft, so würde derjenige, der ihm die Annahme zweier Elemente zuschreibt, am ehesten noch seinen Gedankengang erfassen. Er selber hat diese Annahme freilich nicht klar ausgesprochen, aber er müßte sie gelten lassen, wenn man ihm dieselbe vorhielte. Denn obwohl es auch sonst schon keinen rechten Sinn hat zu sagen, daß im Anfang alles mit allem vermischt gewesen sei, teils deshalb weil angenommen werden muß, daß vor der Mischung das Ungemischte bereits vorhanden gewesen sei, teils weil es nicht in der Art der Natur liegt, daß Beliebiges sich mit Beliebigem vermischt, außerdem aber, weil die Affektionen und die Qualitäten neben den Substanzen gesondert gedacht werden müßten - denn es ist eines und dasselbe, woran die Vermischung und die Sonderung stattfindet -, so würde sich gleichwohl, wenn einer das, was in Anaxagoras' Absicht lag, folgerichtiger und bestimmter auseinanderlegt, herausstellen, daß seine Lehre doch etwas Neues und