Wie ich Livingstone fand. Henry M. Stanley
Читать онлайн книгу.Schiffer und willig, soweit seine Kunst reichte. Ich sah keinen Grund, seine Dienste abzuweisen, und nahm ihn daher für ein Jahresgehalt von 300 Dollars als Zweiten im Rang nach William L. Farquhar an.
Farquhar war ein ausgezeichneter Schiffer und vorzüglicher Rechner; er war kräftig, energisch und gescheit, aber leider ein starker Trinker. Während unseres Aufenthalts in Sansibar war er jeden Tag benebelt, und das wüste, lasterhafte Leben, das er hier führte, wurde ihm, wie wir sehen werden, bald nachdem wir ins Innere kamen, verderblich.
Meine nächste Aufgabe bestand darin, eine zuverlässige Eskorte von zwanzig Mann für die Reise anzuwerben und mit Waffen und anderen Dingen auszurüsten. Dschohari, der Erste Dragoman des amerikanischen Konsulats, sagte mir, er wisse, wo man einige von Spekes »Getreuen« auffinden könne. Es war mir schon vorher klar geworden, dass es am besten sein würde, wenn es mir gelänge, einige mit den Sitten der Weißen vertraute Leute in Dienst zu nehmen, welche andere veranlassen könnten, sich der Expedition anzuschließen. Besonders hatte ich dabei an den Sidy Mbarak Mombay, gewöhnlich Bombay genannt, gedacht, der trotz seines »Holzkopfes« und seiner »plumpen Hände« für den »Getreuesten der Getreuen« galt.
Mithilfe des Dragomans Dschohari nahm ich in der Zeit von ein paar Stunden Uledi, Kapitän Grants früheren Bedienten, Ulimengo, Baruti, Ambari, Mabruki (Muinyi Mabruki, der stierköpfige Mabruki, Kapitän Burtons früheren unglücklichen Diener), also fünf von Spekes »Getreuen« in meine Dienste. Als ich sie fragte, ob sie bereit wären, abermals an der Expedition eines Weißen nach Udschidschi teilzunehmen, erwiderten sie bereitwilligst, dass sie sehr gern mit einem Bruder von Speke reisen wollten. Der englische Konsul Dr. John Kirk, der zugegen war, sagte ihnen darauf, dass ich kein Bruder von Speke sei, sondern nur seine Sprache rede; aber auf diese Unterscheidung legten sie keinen Wert, und ich hörte, wie sie mit großer Freude ihre Bereitwilligkeit erklärten, überall mit mir hinzugehen und alles zu tun, was ich wünschte.
Mombay, wie sie ihn nannten, oder Bombay, unter welchem Namen wir Wasungu (Weißen) ihn kennen, war nach Pemba, einer Insel im Norden von Sansibar, gegangen. Uledi aber war der bestimmten Überzeugung, dass Mombay bei der Aussicht auf eine neue Expedition vor Freude Luftsprünge machen würde. Dschohari erhielt daher den Auftrag, ihm nach Pemba zu schreiben und ihn von dem ihm bevorstehenden Glück zu benachrichtigen.
Am vierten Morgen nach Abgang des Briefes erschien der berühmte Bombay, dem die »Getreuen« von Speke ihrem Rang gemäß folgten. Vergeblich sah ich nach dem Holzkopf und den Alligatorzähnen, von denen sein früherer Herr gesprochen hatte. Ich sah einen schlanken, kurzen Mann von etwa fünfzig Jahren, mit grauem Kopf, ungewöhnlich hoher, enger Stirn und großem Mund, der sehr unregelmäßige, weit auseinanderstehende Zähne zeigte. Eine hässliche Lücke an der oberen, vorderen Zahnreihe Bombays war durch die geballte Faust von Kapitän Speke in Uganda bewirkt, als ihm die Geduld riss und sofortige Bestrafung nötig erschien. Kapitän Speke hatte ihn offenbar durch Güte verwöhnt, was aus der Tatsache hervorgeht, dass Bombay die Frechheit hatte, ihn zu einem Boxkampf aufzufordern. Aber das fand ich erst einige Monate später heraus, als ich selbst genötigt war, ihn gründlich zu bestrafen. Bei seiner ersten Erscheinung war ich von Bombay, trotz seines rauen Gesichts, seines großen Mundes, seiner kleinen Augen und seiner platten Nase, sehr eingenommen.
»Salaam aleikum!« waren die Worte, mit denen er mich begrüßte.
»Aleikum salaam!«, antwortete ich mit allem Ernst, den ich aufbieten konnte. Dann benachrichtigte ich ihn, dass ich ihn zum Hauptmann meiner nach Udschidschi gehenden Soldaten zu haben wünsche. Seine Antwort lautete, er sei bereit, allen meinen Befehlen nachzukommen, überall hinzugehen, wo ich ihn hinschicke, kurz ein Muster von einem Diener und ein gutes Beispiel für die Soldaten abzugeben. Er hoffe, ich werde ihn mit einer Uniform und einem guten Gewehr versehen, was ich ihm beides versprach. Als ich mich nach den übrigen »Getreuen«, welche Speke nach Ägypten begleitet hatten, erkundigte, sagte man mir, dass ihrer nur sechs in Sansibar wären.
Bombay, meinem Eskortanführer, gelang es, noch achtzehn freie Männer als Askari (Soldaten) anzunehmen, Leute, von denen er wusste, dass sie nicht desertieren würden, und für die er sich verantwortlich erklärte. Es waren lauter sehr stattliche Burschen und weit intelligenter in ihrem Aussehen, als ich jemals von afrikanischen Barbaren hätte glauben mögen. Sie stammten hauptsächlich aus Uhiyau, einige aus Unyamwezi, andere aus Useguhha und Ugindo. Als Sold wurden einem jeden von ihnen 36 Dollars für das Jahr ausgesetzt oder 3 Dollars für den Monat; jeder Soldat sollte eine Feuerschlossmuskete, Pulverhorn, Kugeltasche, Messer, Beil und hinreichend viel Pulver und Kugeln für 200 Schüsse erhalten. Bombay bekam, aus Rücksicht auf seinen Rang und seine früheren treuen Dienste gegen Burton, Speke und Grant, 80 Dollars pro Jahr, wovon er die halbe Summe im Voraus erhielt, einen guten, gezogenen Vorderlader und außerdem eine Pistole, ein Messer und ein Beil. Die anderen fünf »Getreuen«, Ambari, Mabruki, Ulimengo, Baruti und Uledi, wurden zu 40 Dollars pro Jahr und mit der gehörigen Ausrüstung als Soldaten in Dienst genommen.
Da ich alle auf Ost- und Mittelafrika Bezug nehmenden Reisebeschreibungen ziemlich gründlich studiert hatte, so hatte ich einen einigermaßen deutlichen Begriff von den Schwierigkeiten, die sich mir beim Aufsuchen von Dr. Livingstone entgegenstellen würden. Diese so weit zu vermeiden, wie Menschenwitz es könnte, war das beständige Ziel meiner Gedanken.
»Soll ich mich, wenn ich von Udschidschi über die Wasser des Tanganikasees aufs andere Ufer blicke, auf der Schwelle des Erfolges durch die Unverschämtheit eines Königs Kannena oder die Launen eines Hamed bin Sulayyam aufhalten lassen?«, fragte ich mich. Um mich gegen solche Zufälligkeiten zu schützen, entschloss ich mich, meine eigenen Boote mitzunehmen. »Dann«, dachte ich, »kann ich, wenn ich höre, dass Livingstone auf dem Tanganika ist, meine Boote vom Stapel lassen und ihm folgen.«
Ich kaufte mir also vom amerikanischen Konsul ein großes Boot für 80 Dollars, das imstande war, zwanzig Leute mit hinreichenden Vorräten und Waren für eine Seefahrt zu beherbergen, und ein kleineres von einem anderen Amerikaner für 40 Dollars. Das Letztere konnte bequem sechs Mann mit den dazugehörigen Vorräten aufnehmen.
Die Boote wollte ich aber nicht ganz mitführen, sondern die Bretter herausnehmen und bloß das Gerippe transportieren. Die Arbeit, die Boote auseinanderzunehmen und von den Brettern zu befreien, fiel mir zu, und diese kleine Aufgabe beschäftigte mich ungefähr fünf Tage; auch packte ich sie für die Pagazis zusammen, sodass jede Last, sorgfältig gewogen, nicht mehr als 68 Pfund betrug. John Shaw zeichnete sich in der Bearbeitung des Segeltuchs für die Boote aus; als die Überzüge fertig waren, passten sie genau zu den Gerippen.
Ein unübersteigliches Hindernis für das rasche Fortkommen in Afrika ist der Mangel an Lastträgern, und da Eile ein Hauptzweck der unter meinem Befehl stehenden Expedition war, so war es meine Pflicht, diese Schwierigkeiten soviel wie möglich zu verringern. Lastträger konnte ich mir zwar erst bei meiner Ankunft in Bagamoyo auf dem Festland verschaffen, doch hatte ich mehr als zwanzig gute Esel in Bereitschaft und glaubte, dass ein für die Ziegenpfade Afrikas eingerichteter Karren nützlich sein könnte. Daher ließ ich einen Karren bauen, der 18 Zoll breit und 5 Fuß lang war, den ich mit zwei Vorderrädern eines leichten amerikanischen Wagens versah, hauptsächlich, um die schmalen Munitionskästen zu befördern. Ich meinte, wenn ein Esel eine Last von 4 Frasileh oder 140 Pfund nach Unyanyembé tragen könne, so müsse er imstande sein, 8 Frasileh auf einem solchen Karren fortzuziehen, eine Last, die der Tragkraft von vier starken Pagazis oder Lastträgern gleichkommen würde. Die späteren Ereignisse werden beweisen, wie meine Theorie sich in der Praxis bewährte.
Nachdem ich meine Einkäufe vollendet hatte und alles reihenweise geschichtet aufgehäuft sah, hier Kochgeräte, da Bündel von Stricken, Zelten, Sätteln, dort wieder Koffer und Kisten, die alles Mögliche enthielten, gestehe ich, dass ich über meine eigene Kühnheit verlegen wurde. Da lagen wenigstens 6 Tonnen Material! »Wie wird es nur möglich sein«, dachte ich, »diese ganze träge Masse durch die zwischen dem Meer und den großen Seen von Afrika befindliche Wildnis zu transportieren? Doch wirf nur alle deine Zweifel hinter dich, Mensch, und lass sie fahren! Jeder Tag hat genug an seinen eigenen Sorgen, ohne dass er noch die des nächsten hinzuzunehmen braucht.«
Der Reisende, der einen See in der Mitte jenes weiten afrikanischen Kontinents vor sich hat, muss natürlich in ganz