Die einsame Frau des Herzogs. Barbara Cartland

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Die einsame Frau des Herzogs - Barbara Cartland


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Gepäck hat, dürften wir nicht allzu beengt sein.“

      „Gepäck!“ rief die Heimleiterin. „Davon hat sie wenig genug.“

      „Wenn ich sie nun noch selbst sehen könnte, bevor ich gehe...“

      Mr. Falkirk erhob sich.

      Mrs. Barrowfield rührte sich nicht aus ihrem Sessel.

      „Mir ist auf die schlechte Nachricht hin ein bißchen schwach in den Knien“, sagte sie. „Gehen Sie einfach durch diese Tür und rufen Sie ihren Namen. Tara wird sie schon hören.“

      Da Mr. Falkirk sich dachte, daß Mrs. Barrowfields Schwäche eher vom Portwein als von der schlechten Nachricht herrührte, protestierte er nicht weiter. Er ging in die düstere Halle hinaus, deren einzige Möblierung in einem Tisch und einem Stuhl bestand, auf dem er bei der Ankunft Hut und Mantel abgelegt hatte. Während er sich nach allen Seiten umsah, erklang aus dem oberen Stockwerk das Weinen kleiner Kinder. In der Annahme, daß er Tara bei den weinenden Kindern finden würde, stieg er langsam die Treppe hinauf, die dringend der Reparatur bedurfte. Auf dem oberen Absatz blieb er stehen.

      Das zweistöckige Bauwerk, das nach den Anweisungen Herzogin Harriets eingerichtet worden war, hatte seinerzeit als vielbewundertes Musterbeispiel seiner Art gegolten. Aber dreißig Jahre hatten genügt, um es sowohl außen wie innen hoffnungslos verwahrlosen zu lassen.

      Die schlimmsten Schäden waren vermutlich erst in letzter Zeit aufgetreten. Zerbrochene Fensterscheiben waren nicht durch Glas ersetzt, sondern mit Pappe zugenagelt worden. Ein Teil der Dielenbretter hielt es kaum noch aus, wenn man den Fuß darauf setzte. Die Türen hingen so lose in den Angeln, daß sie sich nicht mehr richtig schließen ließen.

      Diese Einzelheiten nahm er mit einem Blick in sich auf, bevor er die Tür öffnete, hinter der der Lärm zu hören war. Gleich darauf stand er in einem langen Schlafsaal. Ein starker Geruch nach ungewaschenen Kindern und schmutziger Wäsche stieg ihm in die Nase. An den Wänden standen lange Reihen von Betten. Ein paar Kinder lagen weinend darauf, andere tobten schreiend herum, und alle waren nach Mr. Falkirks Meinung nur sehr ungenügend angezogen.

      Am anderen Ende des Saales saß auf einem Hocker das Mädchen, das ihn ins Haus gelassen hatte, und wiegte ein Kind auf den Armen. Sie trug ein graues Baumwollkleid mit weißem Kragen, auf dem Kopf hatte sie eine eng anliegende graue Haube, die ihre Haare bedeckte. Diese Uniform mußte noch aus der Zeit der Herzogin Harriet stammen. Sie zeigte schon nach außen hin, daß ihre Trägerin von der Barmherzigkeit anderer abhing.

      Während Mr. Falkirk den Saal durchquerte, stellte er fest, daß alle Kinder kurzgeschnittene Haare hatten. Er erinnerte sich daran, daß das für die Insassen des Heimes vorgeschrieben war.

      Tara erhob sich und knickste, was ihm Gelegenheit gab, sie genauer zu betrachten. Sie war sehr, sehr dünn, was nur eine Folge mangelhafter Ernährung sein konnte. Die Knochen in ihrem Gesicht traten deutlich hervor. Ihre dunkelblauen Augen waren sehr groß und wurden von dichten Wimpern beschattet, die an den Wurzeln golden wirkten und zu den gebogenen Enden hin dunkel wurden, was einen dramatischen Effekt hatte. Solche Augen wären in einem weniger dünnen Gesicht mit weniger eingefallenen Wangen außerordentlich attraktiv gewesen.

      „Ich muß Ihnen etwas mitteilen, Tara“, begann er.

      Sie blickte mit dem Ausdruck der Verwirrung zu ihm in die Höhe, dann rief sie den Kindern mit weicher und musikalischer Stimme zu: „Verhaltet euch ruhig. Wir haben einen Gast, der etwas mit mir zu besprechen hat. Wenn ihr schön brav seid, werde ich euch eine Geschichte erzählen, sobald wir wieder allein sind.“

      Dieses Versprechen tat seine Wirkung. Fast auf der Stelle trat Ruhe ein. Die Kinder, die zwischen vier und sieben sein mußten, setzten sich auf die Betten oder auf den Boden. Sie warteten mit großen Augen darauf, daß Mr. Falkirk wieder gehen sollte.

      Als das Baby auf ihrem Arm zu weinen begann, wiegte sie es hin und her und steckte ihm sein Däumchen in den Mund, um es zum Schweigen zu bringen.

      „Was wollten Sie mir mitteilen?“ fragte sie schließlich.

      „Ich will Sie mitnehmen, Tara.“

      Ihre Augen weiteten sich entsetzt.

      „Oh nein, Sir, das geht nicht“, rief sie. „Ich kann die Kinder nicht verlassen. Haben Sie Mrs. Barrowfield schon informiert?“

      „Sie weiß Bescheid.“

      „Und hat sie eingewilligt?“ fragte Tara ungläubig.

      „Es bleibt ihr keine andere Wahl. Wenn der Herzog von Arkcraig einen Wunsch äußert, kann sie ihm den nicht verweigern. Auf seine Anordnung hin werden Sie mich nach Schottland begleiten.“

      „Nach Schottland?“ wiederholte sie überrascht. „Soll ich denn nicht irgendwo als Lehrling arbeiten?“

      „Ehrlich gestanden entzieht es sich meiner Kenntnis, was Sie tun sollen“, erklärte Mr. Falkirk. „Ich weiß nur, daß ich Sie heute Nachmittag, wenn ich London verlasse, mitnehmen muß.“

      Als sie sich hilflos im Schlafsaal umblickte, beeilte er sich, sie zu beruhigen.

      „Ich habe Mrs. Barrowfield genügend Geld gegeben, damit sie einen Ersatz für Sie engagieren kann“, sagte er, ohne selbst daran zu glauben. Diesen Kindern, die ihn nicht aus den Augen ließen, konnte nichts und niemand ersetzen, was Tara in ihrem Leben bedeutete. Mrs. Barrowfield selbst trug gar nichts zu ihrem Wohlbefinden und ihrer Bequemlichkeit bei.

      Mr. Falkirk war Junggeselle und verstand daher wenig von Kindern, hätte aber schon sehr phantasielos sein müssen, um nicht zu wissen, daß die einzige Zuneigung und Liebe, die diesen Kindern je zuteilwurde, von Tara kam.

      „Wie kann ich diese Kinder alleinlassen?“ fragte sie, als ob sie seine Gedanken gelesen hatte. „Sicherlich können Sie doch jemanden anders mitnehmen.“

      „Mrs. Barrowfield hat den gleichen Einwand erhoben, wußte aber niemanden im entsprechenden Alter zu nennen.“

      Tara seufzte tief.

      „Warum will Seine Gnaden ausgerechnet mich haben? Da wäre zum Beispiel Belgrave, die ihren Namen daher hat, daß man sie auf den Stufen des gleichnamigen Platzes fand. Sie wird nächstes Jahr elf und ist schon groß für ihr Alter. Käme sie nicht in Frage?“

      „Leider nein.“

      „Ich habe ihr beigebracht, wie man Böden schrubbt, und obwohl sie nicht sehr gut nähen kann, ist sie sehr lernbegierig.“

      „Ich fürchte, sie ist zu jung. Glauben Sie mir Tara, es wird Ihnen in Schottland gefallen.“

      In ihren blauen Augen erschien ein Ausdruck der Verzweiflung.

      „Wann muß ich reisefertig sein, Sir?“ fragte sie leise.

      „Ich hole Sie heute Nachmittag um dreiviertel drei Uhr ab.“

      „Oh, Sir ...“, rief sie, und dieser Ausruf rührte mehr an sein Herz als tausend Worte es vermocht hätten. „Ich kann mich wohl nicht weigern, oder?“ fragte sie mit kaum vernehmbarer Stimme.

      „Nein, Tara. Dieses Waisenhaus steht unter dem Patronat des Herzogs von Arkcraig. Wenn er sich aus irgendeinem Grunde für eine der Waisen interessiert, kann sich niemand, auch Mrs. Barrowfield nicht, seinem Wunsch widersetzen.“

      Tara stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.

      „Ich werde fertig sein, Sir“, versicherte sie. Mr. Falkirk bewunderte ihren Stolz, der sie davon abhielt, weiter zu protestieren.

      Als er von außen die Tür des Schlafsaales hinter sich zuzog, hörte er die Kinder in Geschrei ausbrechen.

      „Ein Märchen! Ein Märchen! Du hast uns eine Geschichte versprochen!“

      Mr. Falkirk ging mit vorsichtigen Schritten die Treppe hinunter, weil er nicht ganz sicher war, ob die Stufen sein Gewicht aushielten. In der Halle angekommen, nahm er seinen Hut, warf sich den Mantel um die Schultern und wandte sich zur Tür.

      Er


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