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Читать онлайн книгу.Großartigen hinaus; aber dies ischt zu arg! Weiß Gott, dies ischt zu arg; – wenn in dem Lehnstuhl ein Mensch nicht apoplektisch wird, so lass ich all meine physiologischen Erfahrungen im Bürgerhöfle öffentlich versteigern, Donner und Blitz, es soll mich nur wundern, wen er geheiratet hat, der arme Tropf! Na, na, hat der sich seine Suppen geschmälzt! Uih, o Sechserle, Sechserle, Sechserle!«
Es ist eine Art, die Dinge an sich herankommen zu lassen, welche man im Stift zu Tübingen in ausgebildeter Vollkommenheit erlernt. Pechle konnte warten, und er wartete und wiederholte noch Tage lang:
»O, komm du mir ’rauf!« und spielte nachts schmelzend sein Leibinstrument, ohne außerdem der Erfüllung seines Wunsches den kleinsten Schritt entgegen zu tun. »Komm du mir ’rauf!« sagte Pechle noch längere Zeit fort und fort, nachdem der neue Hausgenosse und frühere Kneipbruder schon manch liebes Mal heraufgekommen war, das heißt natürlich nur bis zur Tür seiner eigenen Wohnung im Hauptgeschoss des von den zwei Freunden bewohnten Hauses.
In dem Hauptgeschoss war längst an der Vorsaaltür neben dem Glockenzuge die elegante Metalltafel mit dem Namen:
Ferdinand, Baron von Rippgen
angenagelt worden, und Pechle hatte wohl zwanzigmal und zu jeder Stunde des Tages und der Nacht kopfschüttelnd die Inschrift gelesen, ehe er die Glocke zog. Endlich zog er sie einmal und zwar eine Stunde nach Mitternacht. Er zog sie mit einem diabolischen Ruck, und schlüpfte seltsamerweise eiligst und auf den Zehen die Treppe hinauf zu seiner eigenen Wohnung, ohne das Öffnen der Tür in der Beletage abzuwarten.
»Wir kommen uns so doch wenigstens allmählich näher«, sagte er grinsend in seiner Höhe, während er auf das da unten dem unmotivierten Schellengeläut folgende Rumoren und das Schimpfen und Belfern der sächsischen Kammerjungfer und der schwäbischen Hausmaid horchte.
Das war im April, wenn auch nicht am schalkhaften Ersten des Monats, und der Monat ging vorüber, ohne dass sich die beiden Freunde so nahe kamen, als wir es zuletzt doch wohl wünschen müssen. Nur, bei geöffnetem Fenster, ein eigentümliches, dumpfes, melodisches Summen in warmer Stille der Nächte kam dem Baron sonderbar bekannt vor, und er horchte jedes Mal angestrengt darauf, sobald es über seinem Haupte anhub; allein das glückhafte Zusammentreffen war dem Wonnemond aufgehoben, und endlich – endlich fand es statt, und zwar an einem Nachmittage, als das Thermometer bereits achtundzwanzig Grad im Schatten zeigte, ganz eine Temperatur für ein liebend, wonnetrunkenes, freudig aufjauchzendes Aneinanderstürzen von Herz an Herz, von Busen an Busen! Die beiden Freunde begegneten einander einfach auf der Treppe des von ihnen seit einiger Zeit gemeinschaftlich bewohnten Hauses.
Der Schwab stieg schwitzend herab, der Sachs, aufgelöst durch den südlichen Frühling, keuchend herauf, und so trafen sie vor der Metalltafel aufeinander, starrten sich eine Weile an, um sodann ihre Verwunderung gegenseitig auszutauschen.
»Pechl–in! Pechle?!«
»Rippgen?! O Sechserle, bist du mir endlich doch heraufgekommen?!«
»Aber bist du es denn, Pechle?«
»Na, wer sollte es sonst sein? Und was würde es mir helfen, wenn ich mich aufs Leugnen legen würde? Alterle, ich bin’s, und da du es, beim Hymenaios und bei Aphrogeneia der Meerschaumgöttin, ebenfalls bist, so ersuche ich dich, mich sofort deiner Frau Gemahlin vorzustellen.«
»Meiner Frau? Mein Gott, was weißt du denn von meiner Frau?«
»Nun, wenn man in einem Hause wohnt –«
»In einem Hause? Pechle?!«
»Jawohl, seit du eingezogen bist. Und weischt du, wir Schwabe sind eine neugierige Menschensorte. Ich gucke immer noch gern durch die Schlüssellöcher.«
»Pechle?! Ist es denn möglich? Warst du es denn, was mir während der letzten Nächte in alle meine Träume hineingesummt hat?«
»Ei freilich–natürlich, als Geischtererscheinung mit dem alten Geischterinstrument, und, Potz Blitz, nun lass uns hier auf der Stiege nicht Wurzel schlagen. Komm mit mir herauf auf meine Bude, oder nimm mich mit dir in deine Gemächer und präsentiere mich deiner Gattin!«
Der Freiherr sah mit verlegenem Lächeln und höchst nervös die Hände reibend auf den Studiengenossen.
»Mit gro–ßem Ver–gnü–gen – sogleich – willst du die Gü–te – haben – einzu–tre–ten. Aber, lieber Freund« – und er sah ihn kläglich genug an, und Christoph sah ihn an und sah an sich selber hinunter, packte plötzlich den Baron an beiden Schultern, schüttelte ihn derb und sprach:
»Na, ich sehe schon. Wir sehen uns wohl noch einmal! Behüt dich Gott, Bruder, und mach’s so gut als möglich.«
»Schönsten guten Morgen, bester Pechlin!« rief Ferdinand, krampfig dem Ex-Stiftler beide Hände schüttelnd, und so stieg für dieses Mal jeder weiter: der Baron hinein zu seiner Frau, der andere, mit hochgezogenen Augenbrauen und einem sehr lebendigen und vergnügten Muskelspiel um die Nasenflügel, die Treppe hinunter:
»Dir werd’ i aufschpiele!«
Das zweite Kapitel
Es war also Nacht, eine dunkle Nacht und die zweite Nacht nach jener ersten Begegnung der zwei Universitätsfreunde auf der Treppe. Am Morgen hatte Herr Christoph Pechlin durch die Stadtpost ein ganz verstohlen von dem Baron in den Briefkasten geworfenes Billett erhalten, folgenden Inhalts:
»Lieber Freund!
Miss Christabel Eddish wartet auf der Durchreise nach München seit gestern in Heidelberg auf ihre Busenfreundin, meine Lucia. Meine Lucia fährt heute Mittag mit dem Schnellzuge nach Heidelberg zu Miss Christabel Eddish und nimmt natürlicherweise unsere – ihre Kammerjungfer Charlotte mit sich. Teuerer Pechlin, ich möchte mit Dir reden, ich muss mit Dir sprechen, ich bedarf eines Menschen, eines Freundes, dem ich an den Busen fallen kann. Sei mir dieser Freund und bleibe heute Abend zu Hause! Unserer Katharine hoffe ich, ohne auffällig zu werden, entgehen zu können und werde gegen zehn Uhr – meine Gattin habe ich natürlich vorher erst bis Bruchsal zu geleiten – an Deine Tür pochen. Bleibe zu Hause, bester Christoph, in der Erinnerung früherer schöner und freierer Tage und Nächte. In aller Eile
Dein Ferdinand.«
Mit welchem Behagen Pechle dieses Billett dreimal übergelesen und mit welchem innigen Vergnügen er dem herzblutüberströmten Wunsche des Barons Folge gegeben hatte und zu Hause geblieben war, mag sich ein jeglicher