Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
Читать онлайн книгу.Sie müssen!«
»Diese Jungen«, sagt der Netzemeister bewundernd und stolz, »was die für Dinger drehen! Aber wenn der Batzke es Ihnen sagt, der macht es! Und der verpfeift uns auch nicht. Hier haben Sie …«
Kufalt zwängt den Fuß in den Spalt, drückt die Tür auf, ist mit einem Schritt drin, sagt halblaut: »Kippe oder Lampen!« und steht abwartend.
Die starren verdonnert. Der Meister mit seinen vorquellenden Fischaugen, dem runden Gesicht, dem Walrossbart, hat seine Brieftasche in der Hand. Er glotzt. Unterm Fenster, bleich, gedunsen, schwarz, etwas fett, steht der neue Netzekalfaktor Rosenthal und hat Angst.
Kufalt setzt mit einem Ruck den Kübel ab.
»Keine langen Geschichten, Meister, oder ich verpfeif dich, dass du selber Knast schiebst. Hier von wegen dem alten Netzekalfaktor Arrest besorgen und den Speckjäger ins Fett setzen. – Hab doch keine Angst, du dummes Schwein, es kostet ja bloß dein Geld! Ich bin morgen früh um fünf selber am Fenster. Also raus, Meister, mit der Marie! Kippe? Teilen können wir nicht, ich weiß ja nicht, wie viel du gekriegt hast. Ich bin billig: hundert Mark!«
»Da ist nichts zu machen, Rosenthal«, sagt der Meister gottergeben. »Das Geld müssen wir ausspucken, wenn Sie nicht mindestens acht Wochen Arrest schieben wollen. Der Kufalt ist so.«
»Kalt ist es da, Jungchen«, grinst Kufalt. »Lieg du mal erst drei Tage auf der Steinpritsche, da wird dir das Mark in den Knochen zu Eis. Also, wie wird’s?«
»Sagen Sie ja, Herr Rosenthal«, drängt der Meister.
Zwei Glockenschläge hallen durchs Haus. Auf der ganzen Station rührt es sich, Riegel knallen …
»Nu aber fix – oder ich bin in einer Minute beim Hauptwachtmeister!«
»Sagen Sie doch ja, Herr Rosenthal!«
»Ich hetze den Batzke auf dich, du dickes Schwein, der ist mein Kumpel. Der beißt dir die Nase ab.«
»Bitte, sagen Sie ja, Herr Rosenthal!«
»Also geben Sie ihm … aber ich trage den Schaden nicht allein, Meister!«
»Handgeld«, sagt Kufalt und spuckt auf den Hunderter. »Übermorgen bin ich draußen, Dicker, da denke ich bei den kleinen Mädchen an dich. – Du, Meister, stell mir den Kübel auf die Zelle während der Freistunde. Und Salzsäure stellst du daneben, sonst donnert’s! Morgen!«
Kufalt huscht über den Gang in seine Zelle.
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Lärmend, klappernd, schwatzend sind achtzig Gefangene die vier Eisentreppen hinuntergeschusselt zum Erdgeschoss. Nun, am Tor zum Freihof, stehen zwei Wachtmeister und wiederholen wie die Automaten: »Abstand nehmen! Es wird nicht gesprochen. Nehmen Sie Abstand! Wer spricht, kriegt eine Anzeige.«
Die Gefangenen schwatzen doch. Nur in nächster Nähe der Wachtmeister werden sie stumm, aber kaum vorbei, unterhalten sie sich schon wieder in jenem lauten Flüsterton, der gerade über fünf Schritte Abstand reicht und bei dem nur der Mund nicht bewegt werden darf, denn das ist Grund zu einer Anzeige.
Kufalt ist hoch in Form. Er unterhält sich gleichzeitig mit Vorder- und Hintermann, die von ihm, dem Drittstufler, Neues hören wollen.
»Das ist eine Scheißhausparole, dass die zweite Stufe jetzt auch zum Radio darf. Glaub doch so was nicht, Mensch!«
»Ja, übermorgen komm ich raus. – Weiß ich noch nicht. Vielleicht dreh ich ein Ding, vielleicht geh ich auch zu meinem Schwager aufs Büro.«
»Wie sollen die denn hundertfünfundzwanzig Mann aus der zweiten Stufe in dem Schulzimmer unterbringen?! Da haben doch höchstens fünfzig Platz! Du bist ja doof, Mensch. Jeden Dreck glaubst du!«
»Mein Schwager? Möchste wissen, glaub ich. – Der hat ein Filzlatschenbergwerk, wenn du’s wissen willst. Da kannst du auch ’nen Posten kriegen.«
»Halten Sie den Mund, Kufalt«, sagt der Wachtmeister. »Immer die Herren von der dritten Stufe, die auffallen.«
»Ich hab nicht geredet, Herr Wachtmeister, ich hab nur tief geatmet.«
»Den Mund sollen Sie halten, sonst ist ’ne Anzeige fällig.«
»Meine Sachen hab ich beim Hausvater. Alles tipptopp, Frack auf Seide, Lackstiefel – Mensch, wird das einem vorkommen nach den fünf Jahren!«
»Ach, lass doch den Affen von Wachtmeister quatschen! Wenn der was will, verpfeif ich ihn. Der hat sich heimlich von mir ein Einholnetz und eine Hängematte stricken lassen.«
»Ich hab ja nur eine Angst … Wie lange bist du drin? Drei Monate? Sag mal, tragen die Weiber noch so kurze Röcke? Mir ist erzählt, sie tragen jetzt wieder lange Röcke …«
»Das kann ich ihm nicht beweisen? Das kann ich ihm doch beweisen! Ich sag einfach zum Direktor: In der vierten Reihe vom Einholnetz ist eine Masche doppelt gestrickt, und schon ist er drin!«
»Na, Gott sei Dank! Ist das so, kann man die ganzen Schinken sehen, wenn sie sich setzen? Und beim Radeln das bloße Fleisch?«
»Treten Sie raus, Kufalt, Sie sind ja heute rein verrückt! Wollen Sie die letzten Tage noch Arrest schieben? Gehen Sie hier an der Mauer, Sonderloge für die Herren von der dritten Stufe.«
Kufalt geht solo. Die im Kreis verspotten ihn: »Natürlich die dritte Gruppe! – Die Speckjäger! Die Radioherren! Biste stolz auf deine drei Streifen, Arschlecker?«
»Ihr könnt mir alle …« Und er denkt: Hundert Mark. Fein! Nun habe ich schon mindestens vierhundert Mark, und wenn Werner Pause heute schreibt und Geld schickt … »Sie, Herr Wachtmeister Steinitz, was kostet eigentlich die Fahrt Dritter bis Hamburg?«
»Wollen Sie sich jetzt mit mir unterhalten? Seien Sie ruhig, oder ich lasse Sie auf die Zelle abführen.«
»Herr Wachtmeister, Herr Wachtmeister! Ich hätte heute so schön Zeit, Ihnen noch ’ne Einholtasche zu stricken.«
»Frech willst du werden?! Warte, Jungchen, ich schlage dir die Schlüssel über den Schädel! Machst du, dass du …«
»Ich hätte heute wirklich Zeit, Herr Wachtmeister! Und das Pfund Margarine, das Sie mir für die Hängematte versprochen haben, ist auch noch nicht übergekommen.«
»Schweinekerl! Erpresser! Jetzt willst du Lampen machen, was? Letzten Tag? Feiges Aas! – Ach was, tritt da rein. Werd ich mich noch mit dir ärgern! – Fünf Schritte Abstand – und dass Sie den Mund halten, Kufalt!«
»Ich bin stiekum, Herr Wachtmeister, ich rede keinen Ton!«
Es