Heinrich von Kleist's politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken. Heinrich von Kleist

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Heinrich von Kleist's politische Schriften und andere Nachträge zu seinen Werken - Heinrich von  Kleist


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verschlungener werden sie, wenn sich die mittelbare Rede zu entfalten beginnt, sei es, daß sie den Dialog einführe, oder über Seelenvorgänge berichte. Selten nur wird durch steigende Lebendigkeit die mittelbare Rede in die unmittelbare fortgerissen, wie in folgender Periode, die ebenfalls charakteristisch ist:[9] „Luther, der unter Schriften und Büchern an seinem Pulte saß, und den fremden besonderen Mann die Thür öffnen und hinter sich verriegeln sah, fragte ihn: wer er sei und was er wolle? und der Mann, der seinen Hut ehrerbietig in der Hand hielt, hatte nicht sobald mit dem schüchternen Vorgefühl des Schreckens, den er verursachen würde, erwiedert: daß er Michael Kohlhaas der Roßhändler sei; als Luther schon: „weiche fern hinweg!“ ausrief, und indem er vom Pult erstehend nach einer Klingel eilte, hinzusetzte: „dein Odem ist Pest und deine Nähe Verderben!“ Häufig dagegen zieht sich die indirecte Rede leicht und geschickt durch die längsten Wendungen hin, bisweilen freilich, auch über die Grenze des Erlaubten hinaus. So wird z. B. in der „Marquise von O.“ der Inhalt einer Rede in einer Reihe von Sätzen, die durch ein fünfzehnmal wiederholtes daß — daß — verbunden sind, wiedergegeben.[10] Ich weiß nicht, ob Kleist die Novellen des Cervantes studiert oder auch nur gekannt hat; aber lebhaft wird man an die hohe Gegenständlichkeit der Darstellung, an den vollen klaren Fluß der getragenen Perioden des Spaniers erinnert.

      Doch auch bei dem Meister ist das wahrhaft Vollendete immer noch nicht das Gewöhnliche. Jeder Schriftsteller hat Angewohnheiten des Stils, geringfügig scheinende Eigenthümlichkeiten, die um so häufiger sein können, je leichter sie sich dem Blick, der auf das Ganze gerichtet ist, entziehen. Aber er kommt dadurch in Gefahr, aus dem Stil in die Manier zu gerathen, und er wird ihr verfallen, wenn der freie Ausdruck des Inhalts von der bequemen Gewohnheit geleitet wird, statt sie zu leiten. Wie Goethe hat auch Kleist dergleichen Angewohnheiten. Es ist die Vorliebe für gewisse Bindewörter, die er gebraucht, um die Spannung des Lesers zu steigern oder herabzustimmen. Am auffallendsten ist das unzählige Mal wiederkehrende „dergestalt daß“, das er als anschaulichere Redeweise dem nüchtern „so daß“ vorzieht. Durch alle Erzählungen läßt sie sich verfolgen, im Kohlhaas allein sind ohne große Mühe ein Paar Dutzend Beispiele dafür aufzufinden. Nicht minder häufig ist der Gebrauch von „gleichwohl“, wo es eine Bedingung, einen unerwarteten Gegensatz ankündigen soll, den man mit „dennoch, dessen ungeachtet“ einleiten würde. Ferner die gleichzeitige Ereignisse oder Erwägungen vorführende Redensart „nicht sobald — als“, für „kaum, in dem Augenblick als“; ebenso „inzwischen“, dann das gleichgültige oder ungeduldig abweisende „gleichviel“, das bedingende „falls“ für „wenn.“ Alle diese Lieblingswendungen sind auch den Dramen, namentlich dem prosaischen Dialog, nicht fremd.[11] Dagegen hat sich Kleist von einem andern Fehler, dem auch die Größten verfallen sind, um so reiner erhalten, von widerlich störender Wortmengerei. Fremdwörter braucht er in der Regel nur da, wo etwa Kunstausdrücke unvermeidlich sind, überall bietet sich ihm an der rechten Stelle das rechte deutsche Wort ungesucht dar. Hier übertrifft er Schiller und den alternden Goethe bei weitem. Es ist der Ausdruck seiner deutschen Natur; eben darum greift er auch bisweilen selbst im Verse zu Provinzialismen, die nichts weniger als edel, aber sehr bezeichnend sind.

      Faßt man dies Alles zusammen, den künstlerischen Bau der Perioden, seine Vorliebe für die mittelbare Rede, die Reinheit seines Ausdruckes, die unbewußten stilistischen Gewohnheiten, so gewinnt man eine Anzahl von Merkmalen, nach denen sich mit ziemlicher Gewißheit feststellen läßt, ob man es mit Kleist’s Wort und Schrift zu thun habe oder nicht.

       Inhaltsverzeichnis

      Die vier satirischen Briefe bilden gewissermaßen ein dramatisches Ganzes, sehr verschiedene Personen sprechen sich über dieselben Ereignisse, jede in ihrer Weise aus. Der rheinbündische Officier, das Landfräulein, der Burgemeister; diesen ironischen Charakteren steht der politische Pescherü mit seinen einfachen Betrachtungen als Chor gegenüber. Der erste Brief ist in kurz abschneidender französirender Standessprache geschrieben. Das Landfräulein schreibt, wie schon der Eingangssatz beweist, in der verschlungenen Weise Kleist’s; architectonisch durchgeführt sind Perioden wie die „Allein, wenn die Ansicht u. s. w.“ oder: „Aber die Beweise, die er mir, als ich zurückkam u. s. w.“, denen die beiden letzten des Briefes, mit ihrem „inzwischen“ und „gleichwohl“ an die Seite gestellt werden können. In dem Schreiben des Burgemeisters (I, 1, 3) gilt es, die pedantische Langstiligkeit amtlicher Erlasse darzustellen; der Wortschwall ironisirt sich selbst, er soll betäuben und über die Schmählichkeit des Inhalts täuschen. Bezeichnend ist die unübersehbare Periode: „Indem wir euch nun diesem Auftrage gemäß u. s. w.“

      Der Brief des politischen Pescherü (I, 1, 4) stellt neun genau abgefaßte Fragen auf; in der fünften heißt es: „Ist er es, der den König von Preußen — zu Boden geschlagen hat, und auch selbst nach dem Frieden noch mit seinem grimmigen Fuß auf dem Nacken desselben verweilte“? Diese Bezeichnung vollständigster Vernichtung ist ein Lieblingsbild Kleist’s. Im fünften Auftritt der Penthesilea sagt Asteria:

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