Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

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Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох


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der finsteren, schweigenden, ewig schaffenden und verschlingenden Göttin gegenüber und sie begann zu mir zu reden:

      »Du willst dich mir gegenüberstellen als ein Wesen für sich, trauriger Thor! Ueberhebt sich die Welle vom Mondlicht beglänzt, weil sie einen Augenblick lebhafter schimmert? Eine Welle ist wie die andere. Alle kommen von mir und kehren zu mir zurück. Lerne bescheiden sein im Kreise deiner Brüder, geduldig und demüthig. Wenn dein Tag dir länger scheint als jener der Eintagsfliege, in mir, die keinen Anfang hat und kein Ende, ist er doch nur ein Augenblick.

      »Sohn Kains! du mußt leben! du mußt tödten, du mußt tödten um zu leben, und tödten, wenn du nicht leben willst, denn nur der Selbstmord kann dich befreien.

      »Lerne also dich fügen meinen strengen Gesetzen. Sträube dich nicht zu rauben, zu morden wie alle meine Kinder. Begreife, daß du ein Sklave bist, ein Thier, das im Joche gehen muß; daß du dein Brod essen mußt im Schweiße deines Angesichts. Ueberwinde diese kindische Furcht vor dem Tode, diese Schauer, die dich bei meinem Anblick fassen.

      »Ich bin deine Mutter, ewig, unendlich, unveränderlich, wie du selbst durch den Raum begränzt, der Zeit hingegeben bist, sterblich, wandelbar.

      »Ich bin die Wahrheit, ich bin das Leben. Ich weiß nichts von deiner Angst und dein Tod oder dein Leben sind mir gleichgültig. Nenne mich deßhalb nicht grausam, weil ich dich, das was du für dein wahres Wesen hältst, dein Leben dem Zufall preisgegeben, wie jenes deiner Brüder. Du – wie sie alle, ihr kommt von mir und kehrt zu mir zurück, früher oder später.

      »Weßhalb sollte ich es hindern, oder Euch davor schützen, oder um Euch trauern. Ihr seid ich und ich bin in Euch, das, um was Ihr zittert, ist nur ein flüchtiger Schatten, den ich werfe. Euer wahres Wesen kann nicht vergehen durch den Tod, sowie es nicht entstanden ist bei Eurer Geburt.

      »Sieh deinen Brüdern zu, wie sie sich im Herbste einpuppen, wie sie nur bekümmert sind, ihre Eier sicher zu betten, ohne Sorge um sich selbst und alle ruhig sterben gehen, um im Frühling zu neuem Leben aufzuwachen.

      »Sieh im Wassertropfen, im Mittagsglanz der Sonne täglich eine neue Welt entstehen und im Abendrothe untergehen.

      »Wachst du selbst nicht täglich nach kurzem Tode zu neuem Leben auf und zitterst vor dem letzten Schlafe!

      »Ich sehe gleichgültig Herbst für Herbst die Blätter fallen, Kriege, Seuchen, jedes große Sterben meiner Kinder, denn ein jedes lebt fort in neuen Wesen, und so bin ich im Tod lebendig, im Vergehen ewig und unsterblich.

      »Begreife mich und du wirst mich nicht mehr fürchten, mich nicht mehr anklagen, mich deine Mutter.

      »Du wirst vor dem Leben fliehen zu mir in meinen Schooß, aus dem du aufgetaucht bist zu kurzer Qual, du wirst wieder kehren in die Unendlichkeit, die vor dir war und nach dir sein wird, während dein Dasein die Zeit begrenzt und verschlingt.«

      So sprach es zu mir.

      Dann war wieder nichts als ein tiefes, trauriges Schweigen um mich. Die Natur zog sich gleichsam mitleidig in sich selbst zurück und überließ mich den Gedanken, von denen sie mich nicht befreien konnte.

      Ich sah, wie heilige Lügen uns geblendet haben, wie wir die Erben Kains nicht zu ihren Herren eingesetzt, sondern im Gegentheil ihre Sklaven sind, welche sie zu ihren unenträthselten Zwecken braucht, und denen sie diese Angst zu leben und sich fortzupflanzen eingeimpft hat, um ihrer schweren Dienste, ihrer schweren Frohnen, ihrer hoffnungslosen Knechtschaft gewiß zu sein.

      Mich faßte ein namenloser Schauer, mich von ihr loszureißen, ihr zu entrinnen. Ich raffte mich auf und suchte das Freie zu gewinnen. Wie Fledermäuse schwirrten mir Gedanken, Befürchtungen und Zweifel schattenhaft und lautlos um das Haupt. So ereilte ich die Ebene, die friedlich in sanfter Beleuchtung des klaren Nachthimmels und seiner unzähligen Lichter da lag. In der Ferne sah ich mein Dorf, die freundlich schimmernden Fenster meines Hauses. Tiefe Ruhe kam über mich und in mir brannte feierlich still eine heilige Sehnsucht nach Erkenntniß und Wahrheit, und wie ich den wohlbekannten Pfad zwischen Wiesen und Feldern einschlug, da stand auf einmal ein großer Stern am Himmel, groß und klar, und es war mir als gehe er vor mir, wie einst vor den drei Königen, die das Licht der Welt suchten.

      Der Weihnachtsabend des Rebb Abramowitsch.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war an einem Freitag und am Weihnachtsabend. Eine eigentümliche Ruhe und Stille war in der Natur, man hörte nicht einmal das Schreien eines Raben oder die Stimme eines Wolfes in der Ferne, alle Welt schien zu feiern und etwas zu erwarten, ein Ereigniß, die Ankunft eines lieben Gastes, eine große und seltene Freude. Nur einer war noch in Bewegung und unterwegs, es war ein armer, kleiner, polnischer Jude, Rebb Abramowitsch. Er beeilte sich furchtbar, und es war, als ob er nicht von der Stelle käme, denn um ihn war die Dunkelheit, der Frost, der Schnee, und wenn er tausend Schritte weiter gegangen war, war es wieder die Dunkelheit und der Schnee, keine Hütte, kein Baum, kein Ziehbrunnen war zu sehen, nicht einer jener Gegenstände, die uns sonst in der unendlichen Ebene als Wegweiser und Meilenzeiger dienen.

      Rebb Abramowitsch beeilte sich, weil er jeden Augenblick erwartete, den schönen Stern zu sehen, welcher den Anfang des Sabbath ankündigt, diesen glänzenden Boten des Himmels, welcher zugleich ein Bote des Friedens und der Freude für Tausende ist, welche einst die Rosen von Saron blühen und die Trauben von Kanaan reifen sahen und jetzt in den schmutzigen Städten und elenden Dörfern Rußlands und Polens zerstreut sind, hier zwischen Lehmwänden und Strohdächern, dort in kleinen Gewölben zusammengepreßt wie ihre Waaren, welche Staub und Motten verzehren. Noch sah er den Stern nicht, vielleicht, weil er wie jeder Jude mit seinem Gotte zu handeln verstand, weil er, der es niemals gewagt hätte, ihm ungehorsam zu sein, es ganz selbstverständlich fand, denselben zu überlisten.

      Rebb Abramowitsch drückte die Augen zu, warum sollte er es nicht? wo stand es denn im Talmud geschrieben, daß dies verboten sei? aber er machte zu gleicher Zeit Schritte, wie er sie noch nie gemacht hatte, es schien, daß er seine Beine als etwas Unnützes von sich schleudern wollte, und seine enge Brust keuchte unter dem großen Bündel, das er auf dem gekrümmten Rücken trug. Seine Glieder flogen hin und her wie die einer Marionette, der Wind, welcher über die Fläche blies, drohte sie jeden Augenblick zu trennen und nach allen Himmelsgegenden zu entführen. Und während Rebb Abramowitsch die Augen zudrückte und die Beine von sich warf, kamen die kleinen mageren Hände aus dem Kaftan hervor und machten Gesten, die nur er verstand, und sein gelbes Gesicht blickte kummervoll. Er selbst machte sich bittere Vorwürfe darüber, daß er sich verspätet hatte, denn er kannte die Gesetze besser als jeder Andere. Er trieb Handel mit allem was sich kaufen und verkaufen läßt und war zugleich ein Weiser, ein Grübler, der sich nicht einmal vor dem Irrgarten der Kabbalah, der jüdischen Geheimlehre, fürchtete. Die verschleierte Schöne, wie die Juden den Talmud nennen, begleitete ihn auf allen seinen Wegen, sie lächelte ihm zu, während er Zwiebeln oder Eier kaufte und wenn er rothe Tücher, falsche Korallen oder bunte Bänder verkaufte. Diese gefährliche Schöne, welche schon so viele Köpfe mit kurzen Löckchen und langen Bärten verdreht gemacht hat, hatte ihm auch heute eines ihrer Räthsel aufgegeben, und dieses Räthsel war Schuld, daß er zu spät kam, daß er, während der Sabbath schon begonnen hatte, noch unterwegs war und auf diese Weise den Sabbath entheiligte.

      Die verschleierte Schöne war schuld und der tiefe Schnee, welcher seine Schritte hemmte, denn dieser hing nicht wie ein Aufputz von Spitzen an den Gegenständen, er nahm von allem Besitz, Erde, Himmel und Wasser, alles war Eis und Schnee.

      Da wurde es licht und als Rebb Abramowitsch vorsichtig mit halb geschlossenen Augen um sich blickte, bot sich ihm ein wunderbares Schauspiel dar. Die weite Ebene schlummerte unter dem weißen, flimmernden Hermelin des Winters mit blitzenden Eiszapfen wie mit Diamanten geschmückt. Nicht weit von der Straße zog jetzt der Fluß dahin, mit Eis bedeckt, eine große glänzende Schlange, die sich streckt und windet. Kleine Hügel erhoben sich zur Rechten, Zäune aus Birken standen da, der Wald drängte sich in düstren Massen heran, deren schweigendes Dunkel hier und da durch zwei irrende Lichter, die phosphoreszierenden


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