Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik. Andreas Suchanek

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Das Erbe der Macht - Die komplette Schattenchronik - Andreas Suchanek


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zu offenbaren. Falls diese Hampelmänner noch mal auf die Magie zugreifen, können wir das Teil so vielleicht orten.«

      »Also schön«, entschied Jen, »Kev, versuch es. Clara, kannst du Marks letzte Aufzeichnungen zusammentragen? Für das Archiv.«

      »Natürlich.«

      »Chris, beschaff uns einen Springer.«

      »Aye, Ma'am.«

      Sobald das Energiefanal auf dem Globus auftauchte, mussten sie handeln. Ein Tor zu benutzen, würde sie nur in die Nähe bringen. Doch im Gegensatz zu normalen Magiern konnten Sprungmagier aus sich selbst heraus kurzzeitig Portale etablieren. Diese allerdings hatten gegenüber dem über Jahrhunderte gewachsenen Portalnetz keinen dauerhaften Bestand.

      Leider gab es nur fünf Sprungmagier, die ständig irgendwo im Einsatz waren. Sie brachten Gruppen in Zielgebiete und holten sie wieder ab, halfen bei der Infiltrierung von schwarzmagischen Anlagen oder der Bergung von Artefakten.

      »Was wirst du tun?«, fragte Kevin.

      »Ich halte Händchen bei unserem Nachwuchs.« Jen verdrehte genervt die Augen. »Möglicherweise erwürge ich ihn auch. Mal sehen.«

      Sie verließ die Bibliothek. Über dem Castillo hing ein Schleier der Trauer. In den Gängen waren Lichtkämpfer unterwegs, die von einem Auftrag zurückkehrten oder zu einem solchen eilten. Mittlerweile wussten alle, dass einer der Ihren gestorben, ein anderer neu erweckt worden war.

      Jen wandte sich von ihrem eigentlichen Ziel ab, trat hinaus auf einen der Balkone. Tief sog sie die beißende Kälte in die Lungen. Der Winter zog rasend schnell herauf, war früh über diesen Teil des Landes hereingebrochen. Rings um das Castillo ragte Geäst in den Himmel, Bäume und Sträucher, die ihr Blätterkleid verloren hatten. In der Ferne schwappte das Wasser in der Poolanlage, einzelne Blätter trieben darauf. Durch die kargen Baumwipfel konnte sie den See erkennen, der ebenfalls auf dem mehrere Hektar umfassenden Grundstück lag. Im Sommer wimmelte es hier vor Leben. Lichtkämpfer, die auf Pferden in den Wald ritten oder am Pool die Sonne genossen und entspannten.

      Jetzt war alles tot.

      Eine Träne löste sich, rann ihre Wange hinab, benetzte ihre Lippen. Sie schmeckte salzig. Zu Wut und Trauer gesellte sich Schuld. Wenn sie nur geblieben wäre, möglicherweise würde Mark noch leben. Ein gemeinsamer Zauber, verbundene Kräfte …

      »Er wird es schwer haben, deinen Platz einzunehmen«, murmelte sie.

      Das Säuberungsteam hatte das Herrenhaus mittlerweile untersucht. Normalerweise wurde der Essenzstab geborgen und an den Erben weitergegeben. Fand ihn niemand, suchte das magische Instrument sich selbst den Weg zu seinem neuen Besitzer.

      Doch der feindliche Zauber hatte nicht nur das Sigilfeuer ausgelöst, auch der Stab war verbrannt. Alexander Kent würde also einen neuen bekommen. Eine weitere Herausforderung, die vor ihr lag. Sie mussten den Stabmacher aufsuchen. Darauf hätte sie gerne verzichtet.

      Jen ließ den Balkon hinter sich, ging auf direktem Weg zum Ratssaal. Das wuchtige Portal aus Hexenholz war verschlossen, die eingeritzten und mit Ornamenten verzierten Symbole versiegelten den Raum.

      Jen lehnte sich mit verschränkten Armen an die Wand.

      »Ich habe ja nichts Besseres zu tun.«

      Das kann unmöglich echt sein! Gleich wache ich auf.

      Alex saß auf einem Holzstuhl vor einem geschwungenen Pult. Sechs Stühle reihten sich dahinter auf, nur zwei waren besetzt.

      Nachdem er auf einem ziemlich unbequemen Bett aufgewacht war, betreut von einer sexy Krankenschwester – Starren Sie mir nicht in den Ausschnitt. Und nein, ich bin eine Heilmagierin, keine Krankenschwester! –, hatten sie ihn hierhergebracht. Während sein Gehirn noch damit beschäftigt war, die Tatsache zu akzeptieren, dass es Magie überhaupt gab, überschlugen sich die Ereignisse.

      Fast erwartete er, von der Heimkehr seiner Mum in den frühen Morgenstunden aus dem Schlaf gerissen zu werden. Normalerweise machte sie dann Kaffee, nuckelte an einer Fluppe, um den letzten Rest Tabak noch irgendwie zu inhalieren und knipste den Fernseher an. Alfie war meist irgendwo in den Straßen unterwegs.

      Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen hockte er hier in einem Traum, der sich verdammt real anfühlte.

      Auf einem der Stühle saß eine rotblonde Frau. Sie wirkte energiegeladen, stark, von einem inneren Feuer erfüllt. »Schön, dass Sie es zu uns geschafft haben, Mister Kent«, sagte sie lächelnd. »Es sah ja nicht immer so danach aus.«

      »Ja, da war diese Alte … keine Ahnung …«

      »Wir nennen sie Parasiten«, erklärte die Unbekannte. »Sie ernähren sich durch das Abzapfen magischer Essenz. Sehr gefährliche Kreaturen.«

      »Parasit. Magische Essenz«, murmelte er. »Alles klar.«

      »Sie werden das bald verstehen. Ihnen wird jemand zugeteilt, der alle Ihre Fragen beantwortet. Doch zuvor müssen wir einen Test machen.«

      »Wer sind Sie überhaupt?«, fuhr er auf. »Ich werde hierhergeschleppt wie ein Verbrecher und soll Tests bestehen! Sie können mich mal!«

      »Bitte.« Sie deutete auf die Tür. »Es steht Ihnen frei, jederzeit zu gehen. Vermutlich überleben Sie die ersten zehn Schritte, bevor jemand Sie erledigt. Wir kümmern uns dann um Ihren Sigilerben.«

      Er starrte sie an, verdutzt und wütend gleichermaßen. Jedes zweite Wort aus ihrem Mund ergab keinen Sinn. Was zum Teufel war ein Sigilerbe? »Okay, ich bleibe sitzen.«

      »Schön. Mein Name ist Johanna von Orléans und ich bin eine von sechs Ratsmitgliedern. Das hier«, dabei deutete sie auf den etwa dreißigjährigen Mann mit den schwarzen Locken, der auffallend ruhig neben ihr saß, »ist Leonardo da Vinci.«

      Sie schwieg.

      Deutlich verzögert entfalteten sich die Worte in Alex' Geist, sickerten in sein Bewusstsein. »Sagten Sie gerade Johanna von Orléans? Leonardo da Vinci?«

      Sie winkte ab. »Eines nach dem anderen. Nun wollen wir uns erst einmal um Sie kümmern.«

      Die sind alle verrückt. »Aha.«

      Die Frau, die sich für Johanna von Orléans hielt, stand auf. Wie dahingezaubert lag ein hölzerner Stab in ihrer Hand, der mit Ornamenten verziert war. Sie trat neben ihn. »Das hier ist ein Essenzstab. Nein, stellen Sie keine Fragen, das kommt alles noch. Ein Magier trägt in seinem Inneren eine Quelle, die ihn mit magischer Kraft ausstattet. Dieses Sigil ist bei jedem einzigartig. Stirbt ein Magier, sucht das Sigil selbstständig nach einem neuen Träger, einem Erben der Macht. Es verschmilzt mit seinem Ich und verändert seine Form. Niemals, unter keinen Umständen, darf jemand Ihr Sigil sehen.«

      »Aha.« Er nickte, kam sich aber vor wie der größte Idiot. Allerdings sah er vor seinem inneren Auge tatsächlich ein seltsam verschlungenes Symbol, das von einem farbigen Nebel umgeben war.

      »Das Sigil produziert die magische Essenz, mit der wir unsere Zauber weben. Die Aura schützt das Sigil«, erklärte Johanna. »Wenn Sie aufgrund äußerer Umstände dazu gezwungen werden, die gesamte Essenz aufzubrauchen, die durch das Sigil abgesondert wurde, bedient es sich an der Aura. Ist diese verbraucht …, verzehrt es Sie. So starb Ihr Vorgänger.«

      »Oh.« Mann, Alter, heute bist du schlagfertig.

      »In den nächsten Tagen wird das Wissen Ihres Vorgängers langsam in Ihnen heranreifen. Sie müssen es selbst durch Studien vertiefen, sonst gerät es wieder in Vergessenheit. Um Magie zu wirken, zeichnen wir Symbole.« Sie fuhr mit dem Finger durch die Luft und hinterließ eine Feuerspur. »Das nennen wir Magiespur. In zahlreichen Fällen muss zudem ein Wort der Macht gesprochen werden, um den Zauber auszulösen. Jede Spur hat eine andere Farbe. Um Zauber in Material wirken zu lassen, nutzen wir diesen Stab. Sie können damit natürlich auch Symbole in der Luft zeichnen.« Sie


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