Xadist - Warrior Lover 14. Inka Loreen Minden
Читать онлайн книгу.die auf Mokupuni lebten, ihre Gefährten gefunden und einige sogar schon Kinder miteinander. Nur sie lebte immer noch in der ehemaligen Wohneinheit der Frauen – jetzt Soldaten – in einem kleinen Zimmer. Aber das machte ihr nichts aus. Die robuste Tür ließ sich absperren, sie fühlte sich darin sicher. Außerdem liebte sie es, wieder hier im Dschungel sein zu dürfen und darin herumzustreifen – und sie wollte ohnehin keinen Partner. Die Jahre auf den Plantagen, in denen sie Nacht für Nacht von den brutalen Aufsehern missbraucht worden war und beinahe gestorben wäre, hatten tiefe Narben hinterlassen. Die auf ihrem Körper waren mittlerweile verblasst, die auf ihrer Seele allerdings würden wohl für immer bleiben. Nie wieder sollte ein Mann sie berühren. Nicht einmal auf diese eine ganz besondere Weise, die nur Gefährten zugedacht sein sollte.
Warum hatte sie dann neuerdings Träume von ihrem Patienten Fox Manning, in denen er sie küsste? Wieso fühlte sie sich zu ihm hingezogen?
Weil … Du weißt es, Sun, du hast es gespürt und er hat das auch!
Sie betete, dass sie sich irrte, dass er nicht derjenige war, für den sie ihn seit der letzten Sitzung hielt.
Leichte Übelkeit stieg in ihr auf und sie drückte sich eine Hand auf den Bauch. Er war ein Monster, hatte unzählige unschuldige Frauen und Männer zerfleischt, sie vergewaltigt, sie … gefressen! Er durfte es nicht sein! Das Schicksal war doch nicht wirklich so grausam und teilte ihr eine Bestie als Gefährten zu, oder? Und falls er doch der für sie vorherbestimmte Partner sein sollte, gab es ohnehin nie eine gemeinsame Zukunft für sie. Sun würde es nicht ertragen, wenn er sie berührte. Bei einem normalen, menschlichen Mann ließe sie das vielleicht eher zu … möglicherweise … eines Tages … Aber niemals wieder würde sie ein muskelbepackter Warrior anfassen dürfen, dem sie körperlich unterlegen war! Doch es sah ohnehin nicht danach aus, als würde Fox je sein Gefängnis verlassen. Offenbar wollte er nicht rehabilitiert werden.
»Sun, kommst du?« Hunters Stimme riss sie aus den Gedanken. Der große, leicht hagere Krieger stand neben dem Shuttle und war heute ihr Pilot. Ohne ihn wäre sie nicht mehr am Leben.
Hunter hatte sie auf der Plantage beschützt, und er wäre der einzige Warrior, mit dem sie sich eine Partnerschaft vorstellen könnte. Er hatte mitbekommen, was die Aufseher ihr dort angetan hatten, und sie wusste, was ihm passiert war. Sie waren beide Opfer gewesen, genau wie andere Männer und Frauen, die teilweise immer noch in White City therapiert wurden. Hunter hatte sich auf den Plantagen zahlreiche Strafen eingefangen, weil er sie in Schutz genommen hatte, trotzdem hatte er sich immer wieder beschützend vor sie gestellt. Aber er gehörte Tammy. Hunter war ein guter Mann, der Glück hatte, solch eine liebevolle und einfühlsame Partnerin gefunden zu haben. Tammy hatte auf ihn gewartet, all die lange Zeit, selbst als sie ihn für tot hielt.
Sun setzte sich im Shuttle in die letzte Reihe, während Hunter das abgeschottete Cockpit betrat und die beiden Krieger vorne Platz nahmen. Sie fühlte sich jedes Mal ein bisschen unwohl mit den zwei Warrior allein im Passagierraum, deshalb war sie froh, dass Hunter heute ihr Pilot war. Er würde ihr helfen, sollten sich ihr die Krieger unsittlich nähern – was sie bestimmt nicht vorhatten –, aber Sun tat sich immer noch schwer, jemandem zu vertrauen.
Während die Turbinen warmliefen, holte sie ihren Tablet-Computer aus der Tasche, um sich auf die neue Sitzung vorzubereiten. Sie flog alle drei Tage auf die andere Insel, zusammen mit zwei Wärtern, die ihre Brüder bei der Wache ablösen würden und von denen mindestens einer eine medizinische Zusatzausbildung vorweisen musste. Mehr Männer waren nicht vonnöten. Zur Zeit war Fox der einzige Häftling in der alten Militärbasis. Das ehemalige Raketenabschussgelände diente aktuell nur als sein Gefängnis.
Der Flug dauerte nicht lange, bloß ein paar Minuten, doch sie wollte sich noch schnell die Stichpunkte durchsehen, die sie sich beim letzten Mal gemacht hatte. Seit drei Monaten besuchte sie Fox, allerdings waren sie anfangs immer durch eine dicke Glaswand getrennt gewesen. Er hatte nie aggressives Verhalten gezeigt, war kein einziges Mal laut geworden oder auf andere Weise unangenehm aufgefallen – außer bei ihrem letzten Treffen …
Heute wollte sie endlich einen Schritt weiter gehen und sich in seiner Zelle mit ihm treffen. Vor Aufregung wollte ihr beinahe das Herz aus der Brust springen. Wie würde er auf sie reagieren? Diesmal konnte er nicht davonlaufen …
Sun öffnete seine Akte, die sie bereits auswendig kannte, um die Fotos von Fox Manning, auch bekannt als Xadist, zu betrachten. Das erste zeigte ihn im Alter von sechzehn Jahren während der Warrior-Ausbildung, die er überwiegend im Dschungel von New World City absolviert hatte. Er trug bloß eine Armeehose, sein gestählter, schweißnasser und sanft gebräunter Oberkörper glänzte in der Sonne. Unterhalb seines Bauchnabels waren ihm, wie allen Kriegern, die dort ausgebildet wurden, schon als Kind die Buchstaben NWC eingebrannt worden. Sun hatte jedoch nur Blicke für sein Gesicht übrig. Spitzbübisch grinste er in die Kamera und machte einen glücklichen Eindruck. Zarte Grübchen zeichneten sich in seinen Wangen ab, seine goldbraunen Augen leuchteten regelrecht, genau wie seine kurzen blonden Haare, die er sich mit Gel aufgestellt hatte und einen leichten Rotstich aufwiesen.
Sun seufzte leise. Was für ein hübscher, junger Mann. Sehr viel mehr Fotos von ihm gab es aus dieser Zeit nicht, weil er schon zwei Jahre später ins Königreich verkauft worden war.
Auch zu seiner Geburt sowie den ersten Lebensjahren hatte sie weder Bilder noch genaue Details gefunden und war damit zu Tay gegangen. Der wertete in der Kommandozentrale immer noch unzählige, verschlüsselte Datenbanken aus und speiste alle neu gewonnenen Informationen in das Hauptsystem ein. Nach und nach kamen weitere Gräueltaten und widerliche Experimente der alten Regime ans Tageslicht, Rätsel lösten sich und neue Mysterien entstanden. Es würde noch Monate, vielleicht sogar Jahre dauern, bis alle Geheimakten offenlagen. Von Fox hatte Tay bis jetzt leider nichts gefunden.
Sun hatte Fox einmal nach seiner Kindheit gefragt, doch er hatte behauptet, sich nicht an die ersten Lebensjahre erinnern zu können …
Das nächste Bild zeigte ihn kurz nach seiner Befreiung vor ein paar Monaten, aufgenommen bei der Einlieferung ins Krankenhaus. Da war er fast dreißig. Beinahe zwei Jahre lang war er in völliger Dunkelheit in einem Bunker eingesperrt gewesen. Sein vernarbter Körper schien nur noch aus Haut, Sehnen und Knochen zu bestehen, sein langes Haar war verfilzt und so schmutzig, dass Sun die ursprüngliche blonde Farbe lediglich erahnen konnte. Nässende Wunden überzogen die kalkweiße Haut, und mit den eingefallenen Wangen und Augen glich sein Kopf einem Totenschädel. Er erinnerte sie an eine lebendige Mumie.
Sun erschauderte, ihr Magen ballte sich hart zusammen. Sie mochte sich nicht ausmalen, wie es sich anfühlte, als einziger Überlebender tief unter der Erde gefangen zu sein, fast zwei Jahre lang in ewiger Finsternis, allein mit den Gedanken an all die grauenvollen Taten, die man im Blutrausch begangen hatte, und nicht zu wissen, ob man jemals wieder das Tageslicht erblicken würde. Es grenzte an ein Wunder, dass Fox nicht völlig den Verstand verloren hatte. Laut seiner Akte hatte er sich von Konserven und … den Leichen der Menschen ernährt, die er im Wahnsinn während seines kalten Entzugs getötet hatte. Sie konnte sehr gut nachvollziehen, warum er nicht über all das reden wollte, was ihm widerfahren war. Doch es zu verdrängen, machte es nicht besser. Irgendwann würde ihn alles auf einen Schlag einholen – und dann könnte ihn niemand mehr retten.
Sun musste ihm irgendwie klarmachen, dass er nicht wirklich die Verantwortung für seine Taten trug. Er war nur deshalb so brutal gewesen, weil die Ärzte ihn zu einem Biest gemacht und ihn unter Drogen gesetzt hatten. Er hatte nicht freiwillig getötet, sondern im Blutrausch, den die Medikamente hervorgerufen hatten. Fox litt sehr darunter, das sah sie ihm an, doch lieber fraß er alles in sich hinein.
Ihre übliche Methode, eine solche Abwehrhaltung zu umgehen, war es, sich selbst zu öffnen, ehrlich zu erzählen, was ihr zugestoßen war und so Vertrauen zu zeigen und aufzubauen. Das half vielen Patienten, doch bei Fox schaffte es Sun einfach nicht, über ihre eigene Vergangenheit zu reden …
Anstatt sich ihre Stichpunkte anzusehen, klickte sie den Video-Ordner über Fox Manning an. Drei Monate Therapie und jede ihrer Sitzungen waren ordentlich aufgezeichnet. Sie sah sich selbst in dem üblichen kleinen Raum, von Fox durch eine dicke Glaswand getrennt. Unterhalten konnten sie sich über eine Freisprecheinrichtung.