August Bebel - Die Frau und der Sozialismus. Bebel August
Читать онлайн книгу.ein adliger Industrieritter in Kalifornien sich als Eheagent in deutschen und österreichischen Zeitungen empfohlen. Die Anerbietungen, die er erhielt, zeigten zur Genüge, welche Auffassung über die »Heiligkeit« der Ehe und ihre »ethische« Seite in den betreffenden Kreisen herrschen. Zwei preußische Gardeoffiziere, dem ältesten preußischen Adel angehörend, waren bereit, auf die Heiratsanerbietungen einzugehen, weil sie, wie sie offenherzig erklärten, zusammen über 60.000 Mark Schulden hätten. In ihrem Schreiben an den Kuppler sagten sie wörtlich: »Es ist selbstverständlich, daß wir kein Geld im voraus bezahlen. Ihre Remuneration erhalten Sie nach der Hochzeitsreise. Empfehlen Sie uns nur Damen, gegen deren Familien kein Anstand erhoben werden kann. Ebenso wäre es sehr erwünscht, mit Damen von möglichst einnehmendem Äußern bekannt gemacht zu werden. Wenn verlangt, übergeben wir Ihrem Agenten, der uns die näheren Umstände erklären und Photographien usw. zeigen wird, unsere Photographien für diskretionäre Zwecke. Wir betrachten die ganze Angelegenheit im vollsten Vertrauen als eine Sache der Ehre (!) und verlangen natürlich dasselbe von Ihnen. Wir erwarten baldigst Antwort durch Ihren hiesigen Agenten, falls Sie einen solchen haben.
Berlin, Friedrichstraße 107, | Baron v. M............. |
15. Dezember 1889. | Artur v. W......................... |
Ein junger deutscher Adliger, Hans v. H., schrieb aus London, er sei 5 Fuß 10 Zoll groß, von altadliger Familie und im diplomatischen Dienst beschäftigt. Er machte das Geständnis, daß sein Vermögen durch unglückliche Wetten bei Pferderennen sehr zusammengeschmolzen sei, und er sich deshalb in die Notwendigkeit versetzt sehe, Ausschau nach einer reichen Braut zu halten, um das Defizit decken zu können. Auch sei er bereit, sofort eine Reise nach den Vereinigten Staaten zu unternehmen.
Der erwähnte Industrieritter behauptete, außer vielen Grafen, Baronen usw. hätten sich drei Prinzen und sechzehn Herzoge als Heiratskandidaten gemeldet. Aber nicht nur Adlige, auch Bürgerliche gelüstet es nach reichen Amerikanerinnen. So verlangte ein Architekt Max W. aus Leipzig eine Braut, die nicht nur Geld, sondern auch Schönheit und Bildung besitzen müsse. Aus Kehl am Rhein schrieb ein junger Fabrikbesitzer, Robert D., daß er sich mit einer Braut, die bloß 400.000 Mark habe, zufrieden gebe und versprach im voraus, sie glücklich zu machen. Doch wozu in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nahe. Man werfe nur einen Blick in die zahlreichen Heiratsannoncen der größeren bürgerlichen Zeitungen, und man findet oft Ehegesuche, die nur einer total verlotterten Gesinnung entsprungen sein können. Die Straßendirne, die aus bitterer Not ihr Gewerbe betreibt, ist zuweilen ein Ausbund von Anstand und Tugend gegen diese Ehesucher. Ein sozialdemokratischer Expedient, der einer solchen Annonce Aufnahme in sein Blatt gewährte, würde aus seiner Partei ausgestoßen. Die bürgerliche Presse genieren aber solche Annoncen nicht, sie bringen Geld ein, und sie denkt wie Kaiser Vespasian: non olet (es riecht nicht). Das verhindert aber diese Presse nicht, gegen die ehezerstörerischen Tendenzen der Sozialdemokratie zu eifern. Ein heuchlerischeres Zeitalter als das unsere hat es nie gegeben.
Werbebureaus für Heiraten sind heute die Annoncenblätter der meisten unserer Zeitungen. Wer immer, sei es Männlein oder Weiblein, unter der Hand nichts Passendes zur Heirat findet, vertraut sein Herzensbedürfnis frommen konservativen oder moralisch liberalen Zeitungen an, die für Geld und ohne gute Worte sorgen, daß die gleichgesinnten Seelen sich finden. Mit der Ausbeute eines einzigen Tages aus einer Anzahl der größeren Zeitungen ließen sich ganze Seiten füllen. Auch kommt ab und zu die interessante Tatsache zum Vorschein, daß man auf dem Wege der Annonce sogar Geistliche als Ehemänner zu erobern sucht und umgekehrt Geistliche nach einer Ehefrau angeln. Manchmal erbieten sich auch die Bewerber unter der Bedingung, daß die gesuchte Frau reich sei, einen Fehltritt zu übersehen. Kurz, die moralische Verkommenheit gewisser Kreise unserer Gesellschaft kann nicht besser als durch diese Art von Heiratsbewerbung an den Pranger gestellt werden.
72. Die Ehe aus Politik in den höchsten Kreisen sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. In diesen Ehen hat auch in der Regel, und zwar für den Mann wieder in höherem Grade als für die Frau, stillschweigend das Privilegium bestanden, sich nach Laune und Bedürfnis schadlos zu halten. Es gab Zeiten, in denen es für einen Fürsten zum guten Ton gehörte, wenigstens Mätresse zu unterhalten; das gehörte sozusagen zu den fürstlichen Attributen. So unterhielt, nach Scherr, der sonst als solid bekannte Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1713 bis 1740) wenigstens zum Schein ein Verhältnis mit einer Generalin. Dagegen ist allgemein bekannt, daß zum Beispiel August der Starke, König von Polen und Sachsen, an 300 unehelichen Kindern das Leben gab und König Viktor Emanuel von Italien, der rè galantuomo, 32 uneheliche Kinder hinterließ. Vor nicht langer Zeit existierte noch eine romantisch gelegene kleine deutsche Residenz, in der sich ungefähr ein Dutzend der reizendsten Villen befinden, die der betreffende »Landesvater« als Ruhesitze seinen abgedankten Mätressen erbauen ließ. Über dieses Kapitel ließen sich dicke Bücher schreiben, wie auch bekanntlich eine umfängliche Bibliothek über diese pikanten Vorkommnisse vorhanden ist. Die interne Geschichte der meisten europäischen Fürstenhöfe und Adelsfamilien ist für jeden Wissenden eine fast europäische Chronique scandaleuse. Gegenüber solchen Tatsachen ist es allerdings recht nötig, daß Geschichte malende Sykophanten die »Legitimität« der verschiedenen sich folgenden »Landesväter und Landesmütter« nicht nur unbezweifelt lassen, sondern sich auch bemühen, alle als Muster häuslicher Tugenden, als treue Ehemänner oder gute Mütter darzustellen. Die Auguren sind noch nicht ausgestorben, und sie leben, wie die römischen, noch heute von der Unwissenheit der Massen.
73. Siehe: »Fürst Bismarck und seine Leute«, von Busch.
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