Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin

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Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter  Benjamin


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      “Ihr seid brave Kinderchen”, sagte der Alte und verzog seinen Mund zu einem breiten Lachen, daß die beiden einzigen Zähne in seinem Unterkiefer sichtbar wurden. “Ich werde es leider nicht mehr erleben. Ihr habt aber einen wackeren Entschluß gefaßt. Gott helfe euch.”

      “Mag man mit uns machen, was man will”, rief Sonja, “wir tun es doch!”

      “Wir tun es doch”, sagte auch Petja.

      “Das ist recht, das ist recht”, sprach der Alte lächelnd und hustete wieder. “Und ich werde mich dort oben über euch freuen”, sprach er, nachdem der Husten vorbei war. “Seht nur zu, daß ihr’s nicht vergesst.”

      “Nein, wir vergessen es nicht!” riefen die Kinder aus.

      “Recht so, das wäre also abgemacht.”

      Der Kutscher kam mit der Nachricht, daß das Rad ausgebessert sei, und die Kinder verließen die Stube.

      Was aber weiter sein wird, werden wir ja sehen.

      Christuslegenden

      (Selma Lagerlöf)

       Inhaltsverzeichnis

       Das Rotkehlchen

       Unser Heiland und Sankt Peter

       Die Lichtflamme

       1

       2

       3

       4

       5

       Die heilige Nacht

       Des Kaisers Vision

       Der Brunnen der weisen Männer

       Das Kindlein von Bethlehem

       Die Flucht nach Aegypten

       Zu Nazareth

       Im Tempel

       Das Schweißtuch der heiligen Veronika

       1

       2

       3

       4

       5

       6

       7

       8

       9

      Das Rotkehlchen

       Inhaltsverzeichnis

      Es war zur Zeit, als Gott der Herr die Welt erschuf, und nicht nur Himmel und Erde, sondern auch alle Tiere und Pflanzen, denen er zugleich ihre Namen gab.

      Aus jener Zeit ließen sich viele Geschichten erzählen, und wenn man sie alle kennen würde, so hätte man auch eine Erklärung für alles in der Welt, was man jetzt nicht begreifen kann.

      Damals geschah es eines Tages, als der Herrgott im Paradiese saß und die Vögel anmalte, daß die Farben in seinen Farbentöpfen ein Ende nahmen, so daß der Stieglitz farblos geblieben wäre, wenn der liebe Gott nicht alle seine Pinsel an seinen Federn abgewischt hätte.

      Und damals geschah es auch, daß der Esel seine langen Ohren bekam, weil er sich seinen Namen nicht merken konnte. Er vergaß ihn, sobald er einige Schritte auf den paradiesischen Fluren gemacht hatte, und dreimal kam er zurück und fragte nach seinem Namen, so daß der liebe Gott schließlich etwas ungeduldig wurde, ihn an beiden Ohren faßte und zu ihm sprach: »Dein Name ist: Esel, Esel, Esel.«

      Und während er also redete, zog er des Esels Ohren lang und länger, auf daß er ein besseres Gehör bekäme und sich dessen erinnerte, was man ihm sagte.

      An demselben Tage fand auch die Bestrafung der Bienen statt. Denn als die Biene erschaffen war, begann sie sogleich Honig zu sammeln. Und Mensch und Tier, die den lieblichen Duft einatmeten, kamen herbei, um ihn zu kosten. Aber die Biene wollte alles für sich selber behalten und verjagte durch ihre giftigen Stiche alle, die sich der Honigwabe näherten. Das sah der liebe Gott, und flugs rief er die Biene herbei, um ihr eine Strafe aufzuerlegen: »Ich verlieh Dir die Gabe Honig zu sammeln, der das allersüßeste in der Schöpfung ist, aber damit gab ich Dir nicht das Recht, gegen Deine Nächsten hart zu sein. Nun denke daran daß jede Biene, die jemanden sticht, der ihren Honig kosten will, den Stich mit dem Tode zu büßen hat!«

      Ach ja, das war damals, als die Grille blind wurde und die Ameise ihre Flüglein einbüßte; es geschah so viel Seltsames an jenem Tage.

      Gott der Herr saß den ganzen Tag über erhaben und mild auf seinem Thron und erschuf und hauchte Odem ein, und gegen Abend verfiel er darauf, noch einen kleinen grauen Vogel zu erschaffen.

      »Denke daran, daß Du Rotkehlchen heißen sollst!« sagte der liebe Gott zu dem Vogel, als er fertig geworden war. Und er setzte ihn auf seine Handfläche und ließ ihn fliegen.

      Und als das Vöglein eine Weile umhergeflogen war und die schöne Erde betrachtet hatte, auf der es nun leben sollte, spürte es auch Lust, sich selber zu beschauen. Da merkte es, daß es ganz grau war, und daß seine Brust ebenso grau wie alles andere aussah. Das Rotkehlchen drehte und wendete sich hin und her und spiegelte sich im Wasser, aber es vermochte kein einziges rotes Federchen an sich zu entdecken.

      Da flog das Vöglein zum lieben Herrgott zurück.

      Unser lieber Herrgott saß gütig und mild auf seinem Thron, aus seinen Händen lösten sich Schmetterlinge, die sein Haupt umflatterten, Tauben gurrten auf seinen Schultern und rings um ihn her entsproßten der Erde Rosen, Lilien und Tausendschönchen.

      Das Herz des Vögleins pochte vor Angst heftig in seiner kleinen Brust, aber in leichten Bogen flog es näher und näher auf den lieben Herrgott zu und setzte sich schließlich auf seine Hand.

      Da fragte der himmlische Vater, was es von ihm wünsche, und das Vöglein antwortete:


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