Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer
Читать онлайн книгу.»Kommet, Leut, nur schnell! Ich weiß eine Botschaft, die will flinke Fuß zum Kloster haben!« Er eilte den Knechten voran über den Weg hinunten, daß seine Kutte flatterte wie ein Weiberrock.
Ruglind war den Sennleuten entgegengelaufen, und als die Männer zur Hütte kamen, wußten sie schon, was geschehen war. Mit Stöcken und Äxten drohend, schalten sie hinter den Fronboten her, umringten ihren Hauswirt und bestürmten ihn mit Fragen.
»Haltet Ruh, Leut!« sagte der Gotteslechner. »Meine Arm sind frei, und ich hab mein Leben. Aber mit der Waldhut hat’s ein End. Wir treiben heim, noch vor Abend. Scharet derweil das Vieh! Ich hab noch einen Weg zum Hilpot hinüber. Ein Stündl, und ich bin wieder da. Dann treiben wir heim, der Wald ist nimmer sicher. Gotts Gruß, meine Leut!«
»Gotts Dank, Hauswirt!« sagten die Männer und kehrten unter erregtem Schwatzen in den Wald zurück.
Greimold ging auf den Jäger zu und streckte ihm die beiden Hände hin. »Bub! Du hast mir einen Dienst getan, den ich dir danken muß mein Leben lang. Aber du? Ich fürcht, du hast dir um meinetwillen bei deinem Herrn eine böse Schüssel eingekocht. Da wirst du ein hartes Essen haben.«
Irimbert schüttelte dem Bauer die Hände. »Weil du nur heil und frei bist! Um mich hab keine Sorg! Wernherus hat große Macht im Kloster. Aber bei Herrn Friedrich steh ich in Gunst.«
Forschend sah ihm Greimold ins Gesicht. »Das sagst du mit Lachen. Aber deine Augen schauen ernst. Sagst du es bloß, daß ich deinetwegen ruhig bin?«
»Ich hab dir gesagt, was wahr ist. Aber es ist an der Zeit, daß ich heimkehre. Leb wohl, Greimold!« Der Jäger umschloß mit festem Druck die Hand des Bauern. »Grüß mir dein liebes Kind! Und gib mir einen Buben, der mich führen soll.«
»Ist dir’s recht, so geh ich selber mit dir.«
»Komm!«
Sie schritten in den leuchtenden Wald hinein. Ein müder Windhauch lispelte um die Bäume, die welken Blätter fielen und raschelten.
Da wandte sich Greimold, der vorangegangen. »Schau, Bub, jetzt ist mein Leben ans deinig festgebunden, und ich weiß noch gar nit, wie du heißt?«
Der Jäger lächelte. »Irmi heiß ich.«
»Irmi! Dein Nam ist jetzt in mir wie das Mark im Baum, wie die Wurzel im Grund. Das kannst du glauben!«
Sie schritten weiter.
5
Nach kurzer Wanderung durch ungebahnten Wald erreichten Greimold und Irimbert einen Weg, auf dem sie Seite an Seite gehen konnten. Da brach der Jäger das Schweigen. »Sag mir, Greimold, ich verstand wohl die Falschheit des Medardus und seinen Anschlag gegen dich, aber ich verstehe nicht, was ihr geredt habt von Steuer und Holdenzins. Was soll das bedeuten, daß du ein Dienstmann des Himmels bist? Und daß dein Heimwesen den Namen Gotteslehen trägt?«
»Das weißt du nit? Und stehst doch im Dienst des Klosters?«
»Nicht lange noch.«
»Seit wann bist du in unserem Tal?« – »Seit dem Sommer.« »Da kannst du freilich noch nit Bescheid von allem haben. Deine Herren werden auch in der Jägerstub nit aushaspeln, was sie spinnen im Kapitelsaal.« Mit herbem Lachen betrachtete Greimold seine Handgelenke, die ihn noch schmerzten vom Druck der Stricke. »Schau, Irmi, das alles ist so: Es hat das ganze Berchtesgadener Land vor hundert Jahren und darüber den Grafen von Sulzbach zugehört. Aber bloß der Forst und Wildbann ist ihr Eigen gewesen. Die paar hundert Leut, die im Tal und auf den Alben gehaust haben, sind auf ihren Heimwesen gesessen als freie Bauern von alters her. Aber die Herren meinen, sie müssen Knechte haben. Und wie’s in der Ebnet draußen angefangen hat, daß die Burgherren dem Bauer sein freies Mannsgut nimmer vergunnt haben, schau, da hat’s auch der Sulzbacher Graf so gemacht und hat einen Burgmann übers Gadnische Land gesetzt, der die Bauren schinden hätt sollen und Zins und Steuer von ihnen heben, als wären die Gadener seine hörigen Leut. Aber selm, da sind die Bauren noch andere Kerle gewesen als wir heutigentags. Die haben sich wie richtige Mannsleut um ihr freies Recht gewehrt. Und wie der Graf gemerkt hat, daß er wenig ausrichtet, hat er einen Zwingvogt in unser Tal geschickt. Der hat Watzmann geheißen. Wie die Leut erzählen, ist er ein Ries gewesen, doppelt so groß wie andere Menschen, und sieben Buben hat er gehabt, jeder ein Ries wie der Vater, und die haben gehaust im Land als wie die Werwölf. Kein Weib und Mädel ist sicher gewesen vor ihnen. Jeden Mann, der sich gewehrt hat um sein Gut, haben sie niedergeschlagen. Heut noch erzählen die Leut, es wär selbigsmal oft ein Morden gewesen, daß der Seebach vor lauter Blut völlig rot gelaufen ist. Von selm her, meinen die Leut, haben die Bachferchen die blutroten Tupfen am Leib. Aber wie die gadnischen Bauern im ärgsten Jammer gelegen sind, hat sich der Himmel ihrer Not erbarmet und hat ihnen zur Hilf einen frommen Mann ins Tal geschickt.«
Der Jäger lächelte. »Hieß er nicht Eberwein?«
»So hat er geheißen. Und weil er das Grausen gesehen hat, das der Zwingries und seine Buben anrichten im Land, hat er mit starkem Gebet zum Himmel gerufen. Da ist ein Wunder geschehen, Jäger! Mit der Faust hat Gott herausgelangt aus dem blauen Himmelsdach und hat von allen Bergen den höchsten in Scherben geschlagen und hat den Riesen und seine Buben in Stein verwandelt für ewige Zeiten. Ob’s so gewesen ist, das weiß ich nit. So erzählen sie’s in der Klosterkirch am Eberweinstag von der Kanzel runter. Und das ist wahr, daß selbigmal ein Berg gefallen ist, daß heut noch die hausgroßen Steintrümmer überall im Tal umeinanderliegen und daß die endsmächtigen Felszinken auf dem gebrochenen Berg der Steinries Watzmann und die Watzmannkinder heißen! Und derselbig fromme Mann, der Eberwein, der hat das Kloster gebaut, zumittelst in einem finsteren Wald, wo ein Priesterstein aus der Heidenzeit gestanden hat, und dreißig Jahr lang hat er im Gadnischen Land als frommer und guter Herr gewaltet. Ist ein Gottesmann gewesen, ein Heilbringer fürs ganze Tal und seine Leut. Recht und Ordnung hat er aufgerichtet, überall hat er den Klosterwald roden lassen, hat urbaren Boden draus gemacht und hat ihn aufgeteilt an die Bauren, hat ihnen gewiesen, wie man den Lein baut und das Wintertraid, wie man das Holzwerk schichten und schrägen muß für gute und feste Häuser. Den ersten Salzberg hat er aufgetan, daß tief aus der Erd heraus der Wohlstand in unser Tal geronnen ist wie ein dicker Bach. Und Schnitzerleut hat er kommen lassen von weit her aus dem Partnachgau, und da hat er Schul gehalten im Winter, und so haben’s die Gadnischen gelernt, wie man Hausrat macht und schönen Kram für die Stuben schnitzt. Selbigsmal ist gute Zeit im Tal gewesen, jeder Bauer hat sicher hausen können in seinem Recht und Eigen. Ist einer in Not gefallen, so hat er nur brauchen zum Kloster laufen, und da hat er Hilf und Trost gefunden. Das ist anders heut!«
Der Gotteslechner sah dem Jäger ins Gesicht. Seine Stimme klang heiß erregt.
»Das Kloster hat Macht gewonnen und ist reicher worden mit jedem Jahr. Wie im Traid das Unkraut, so wachsen die Neider im Glück. Drum hat das Kloster bald einen schiechen Handel mit dem Salzburger Bischof und bald mit den Brüdern zu Reichenhall. Das kostet Geld. Drum brauchen sie Bauren, die fleißig steuern. Und Händel kosten Blut. Drum brauchen sie hörige Leut, die ihre Buben fürs Kloster erschlagen lassen. Das sind nimmer Gottesleut, die da drunten im Kloster sitzen, das sind Kriegsmänner und Weltherren. Und was dem Sulzbacher Grafen vor hundert Jahr mit Burgmannen und Zwingriesen nit geraten ist, das hat das Kloster fertiggebracht. Im ganzen Tal umeinander hauset kein freier Bauer nimmer. Ich bin der letzt! Dem einen haben sie in der Sterbstunde die brennende Höll unter dem Kreister angezunden, daß er aus Todesangst seiner Kinder Gut ans Kloster gegeben hat. Dem andern haben sie das Weib über den Hals geschickt, bis er dem Hausfrieden zulieb seine Hand hat binden lassen. Den einen haben sie mit Gut und Lachen rumgebracht, den anderen mit ihrem Zorn. Der einzig von allen, bei dem kein Mittel geholfen hat, das ist mein Ahnl gewesen. Der ist zäh geblieben. Doch wie mein Vater unser freies Heimwesen übernommen hat, da ist ihnen was Neues eingefallen.«
Der Bauer lachte rauh.
»Mein Vater war ein guter und fester Mann. Hätt ihm einer bloß mit dem Finger an sein freies Gut gerührt, er