Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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öffnete – ein Skizzenbuch – und den Bleistift nahm.

      »Was heißt das?«

      »Ich will Sie zeichnen«, sagte sie ernst, »dabei lernt man sehen. Und das hilft. Ich habe das schon als Kind erfahren.«

      Ratlos an seinem Bart zausend, ließ er sich auf die Bank nieder – und dann hielt er sich ruhig. Seine Augen brannten.

      »So, ja, sehen Sie mich nur immer an!«

      Er ließ keinen Blick von ihr. Aber wenn sie ihn ansah, so ruhig prüfend, ging aus ihren Augen etwas über auf ihn, daß er aufatmete, wenn sie das Gesicht wieder senkte, um ein paar rasche, kräftige Striche in das Buch zu zeichnen. Ein paarmal zuckte es durch seine Glieder, als wollte er aufspringen. Doch er blieb ruhig. Ein andermal bewegte er die Lippen, wie um zu sprechen. Doch er schwieg.

      Die Sonne war hinuntergegangen, das ganze Seetal lag vom Abendschatten überwoben, und die Dämmerung begann.

      Mit der langen schwankenden Angelgerte über der Schulter kam Gustl vom See herauf.

      »Hast du was gefangen, Bubi?«

      »Nein, Lo, heut bin ich Schneider geworden. Morgen scheint es wieder das wunderbarste Wetter zu geben, denn heute beißen sie nicht an.« Freundlich nickte Gustl dem Jäger, den er nicht kannte, einen guten Abend zu, stellte die Gerte an die Hüttenwand, kam zum Tisch und wollte neugierig über die Schulter der Schwester in das Buch blicken.

      Sie schob ihn fort, als wäre das ein Bild, das er nicht sehen sollte. »Räum deine Bücher zusammen und trag sie in die Hütte. Wir bekommen Tau. Dann kannst du auch in der Stube gleich die Lampe anzünden und Feuer machen zum Tee.«

      Sie sah dem Knaben nach, bis er in der Hütte verschwunden war. Dann verglich sie mit einem letzten prüfenden Blick ihre Zeichnung und das Modell, nickte ruhig vor sich hin und erhob sich. »So, ich danke Ihnen!« Sie löste das Blatt aus dem Buch.

      Mazegger fragte unsicher: »Darf ich das Bildl sehen?«

      »Gewiß!« Sie legte das Blatt auf den Tisch. »Ich schenk es Ihnen.«

      Zögernd, als wäre ihm die Sache nicht ganz geheuer, griff Mazegger nach dem Blatt. Kaum hatte er einen Blick auf das Bild geworfen, da schoß ihm das Blut ins Gesicht. » Das bin ich? Und solche Augen hab ich?«

      »Ja, Mazegger! Jetzt kenn ich Sie und fürchte mich nicht mehr!« Sie ging zur Hütte.

      Er zerknüllte das Blatt in seiner Faust und schleuderte den Knäuel mit einem Fluch unter die Büsche des Gartenzaunes. Wie sie nach ihrer hilflosen Angst diese stolze, sichere Ruhe gefunden hatte, das verstand er nicht. Aber er fühlte, daß alles für ihn verloren war und daß sie ihn fortschickte wie einen geprügelten Hund. Mit dem unsicheren Schritt eines Betrunkenen nahm er seine Büchse. Als er den Garten verlassen hatte und über das Latschenfeld hinunterstieg, erkannte er auf der feuchten Erde die Trittspuren zweier Männer. Die plumpe breite Sohle mit dem schweren Eisenbeschlag und dem Nagelkreuz in der Mitte – das war die Fährte Praxmalers. Aber die andere Spur? Dieser schlanke, schmale Fuß?

      »Ach so?« Mit galligem Lachen nickte Mazegger vor sich hin. Und während der Zorn in seinen Augen funkelte, zerstörte er mit einem Fußtritt die Fährte.

      Hastig schritt er über das Latschenfeld und trat in den Wald. Im Dunkel der Bäume blieb er stehen. Und als er das Mädchen aus der Hütte treten sah, lachte er, hob die Büchse, spannte den Hahn und legte das Gewehr an die Wange.

      Man konnte hören, wie Lo mit dem Bruder plauderte, während sie an einem Fenster die Läden schloß.

      Zielend, den Finger am Drücker, folgte Mazegger mit dem Lauf der Büchse jedem Schritt des Mädchen, in seiner Eifersucht mit grausamer Freude den Gedanken genießend: Ein leiser Druck nur, und auch der andere wird sie nicht haben! Keiner!

      Gustl war in der Tür erschienen, hemdsärmelig, mit den Händen in den Taschen des Lederhöschens. »Und wann, Lo, wann gehen wir morgen?«

      »Um sechs Uhr früh.«

      »Ach Gott!«

      »Ja, Bubi, wir müssen bis Mittag zu Hause sein.«

      »Freilich, ja, und ich freu mich doch selber heim! Aber weißt du, in der Früh, da beißen sie so gern. Vielleicht hätt ich noch eine bekommen, eine recht schöne, oder zwei. Die hätten wir dem Muttl bringen können.«

      »Dann steh nur um vier Uhr auf! Da hast du zwei Stunden Zeit, bis ich gepackt und die Hütte geräumt habe.« Lo war zur Tür zurückgekommen. Den Arm um die Schulter des Bruders legend, wollte sie in die Hütte treten.

      In dem bleichen Gesicht des Jägers spannte sich jeder Zug. Die Pein, die in ihm wühlte, redete aus seinem brennenden Blick. »Tu ich es? Nein oder ja?« Fester, als wäre der Entschluß zur Tat in ihm aufgestiegen, preßte er das Gewehr an die Wange.

      Da hörte er hinter sich das Brechen eines dürren Reises und ein Geräusch wie von einem leichten Schritt. Erschrocken ließ er die Büchse sinken und spähte scheu um sich her. Der Wald war öde – aber da fiel ein Tannenzapfen aus einem Wipfel herunter, und schnalzend, mit weitem Sprung, schwang sich ein Eichhörnchen von dem Baum hinüber zum nächsten.

      Einen Fluch murmelnd, hob Mazegger die Büchse wieder.

      An der Hütte droben hatte sich schon die Tür geschlossen. Der Garten war leer. Im Abendwinde tönten leis die Glocken des Harfenbaumes.

      Gallig lachte Mazegger vor sich hin, warf die Büchse über die Schulter und schritt durch den Wald hinunter.

      Es wurde finstere Nacht, bis er zu den ersten Häusern von Ehrwald kam. Lange mußte er am Haus des Jägers an die Tür trommeln, bis ihm geöffnet wurde. »Was is denn?« fragte Beinößl aus dem schwarzen Hausflur.

      »Ich bin's!«

      »Der Toni! Was willst?«

      »Treibjagd is morgen. Um drei müssen wir droben sein beim Sebener Almzaun.«

      »So? Da können wir allweil noch schlafen a paar Stündln. Aber Bett hab ich keins für dich, mußt dich halt aufs Ofenbankl legen, wir schlafen eh schon z'viert in zwei Trücherln.« Er mit dem Buben in einem Bett, die Frau mit dem Mädel im anderen.

      Als sie in die finstere, von schwülem Dunst erfüllte Stube traten, fragte das Weib, was es gäbe. »Nix! Drah dich nur wieder um, Alte! Der Mazegger is da.« Die Bettstelle krachte. Beinößl schob seinen Gast im Dunkel zur Ofenbank und nahm ihm die Büchse ab, um sie an den Rechen zu hängen.

      »Na hörst, Toni, du hast ja den Hahn gspannt! So was, du mit deim Leichtsinn, du richtest heilig noch amal an Unglück an!«

      Mazegger schwieg.

      Drei Stunden vergingen. Der Hausherr schnarchte wie ein Bär, sein Weib sang die Oberstimme dazu, und ein paarmal seufzten die beiden Kinder, wenn sie die harte Bettkante spürten und sich umdrehten.

      Um ein Uhr rasselte der Wecker. Mazegger hatte noch kein Auge geschlossen. Eine Viertelstunde später traten die beiden Jäger in die Nacht hinaus. »Gut wird's heut«, sagte Beinößl, »droben liegt der Seenebel.« Sie stiegen bergwärts in der Nacht, und Beinößl kürze den mühsamen Weg mit heiterem Geschwatz – er war einer von jenen »Gscheiten«, die den Zwirnsfaden des Lebens lustig um die Finger wickeln, so kurz und dünn er auch geraten ist.

      Als sie die Ehrwalder Alm überstiegen hatten und die Höhe des Sebenwaldes erreichten, sahen sie im dünnen Morgennebel den Schein des Feuers, das die beim Almzaun wartenden Treiber auf der Lichtung angezündet hatten, um »Glut für die Pfeifen« zu haben. In dem Augenblick, als die beiden Jäger zum Feuer kamen, gab's einen Schreck. Einer der Treiber hatte an einem brennenden Reis seinen Stummel angepafft, das Flämmchen ausgeblasen und das glühende Holz über die Schulter geworfen. In der Luft flammte das Reis wieder auf und fiel in einen Haufen dürren Zeuges. Das brannte wie Zunder. Nach allen Seiten lief und züngelte die Flamme und erreichte den Almzaun, aus dem eine knisternde Lohe aufschlug. Zu Tod erschrocken arbeiteten die Leute aus Leibeskräften, um das Feuer zu ersticken. Ein Glück war


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