Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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      »So! Jetzt komm!« Den Mantel und die Büchse vergessend, schritt er in den Wald hinein. Hinter ihm erlosch die Feuerhelle im Nebel. Je tiefer er in den Wald kam, desto finsterer wurde es um ihn her. Schritt für Schritt mußte er den Weg suchen, sich forttasten von Baum zu Baum.

      Im Dunkel verlor er den Pfad und wußte nicht mehr, wohin seine stolpernden Schritte ihn führten. Plötzlich wich der Grund unter seinen Füßen. Er kollerte über eine steile Lehne hinunter. Stöhnend richtete er sich auf und kletterte wieder über den Hang empor. Als er den Grat erreichte, wehte ihm dicker Rauch entgegen. Und jählings war es im Nebel, als käme die Sonne, rot, blutig rot, wie sie am letzten Morgen aufgegangen war. Dazu ein Knistern und Geprassel, ein Rauschen und Krachen, als wäre Sturmwind über den Wald gefallen. Wie brennende Bäche schlängelte sich das Feuer über den Waldboden, faßte das dürre Zeug, das in Haufen umherlag, und geschürt im Winde, klomm es mit Geflacker an den hundertjährigen Stämmen hinauf und entzündete das Harz der blutenden Baumwunden. Die morschen Äste brannten mit weißer Flamme, die dürren Nadeln gingen glitzernd in Feuer auf und warfen im Winde den Brand mit Funkensprühen von Stamm zu Stamm.

      Ein keuchender Laut rang sich aus Mazeggers Kehle. Aus allem hoffenden Wahn seiner Leidenschaft ernüchtert und von Entsetzen erfaßt, stand er wie gelähmt und starrte mit glasigen Augen in das Brennen und Glosten, in das Gewirbel von schwarzem Rauch und leuchtenden Dämpfen. Statt der Richtung gegen den See zu folgen, war er im Kreis gegangen, die äffende Finsternis hatte ihn zurückgeführt an den Ausgang seines Weges. Beim Anblick des grauenvollen Flammenbildes, zu dem die Tat seiner Eifersucht sich ausgewachsen, erlosch ihm alles Denken und Verlangen. Es war nur noch ein einziges in ihm: die Angst um das eigene Leben!

      Mit erwürgtem Schrei begann er zu rennen, immer am Rande des Feuers hin, verfolgt von den züngelnden Flammen, überschüttet vom Regen der Funken. Er kam bis zur kahlen Felswand und sah das Feuer hinaufschlagen über die Steinmauer, turmhoch, halb verschleiert von Rauch und Nebel. Keuchend rannte er zurück, quer durch das ganze Tal, bis wieder die Felsen vor ihm aufstiegen. Feuer, Feuer, überall Feuer. Nirgends ein Ausweg mehr, das ganze Tal verriegelt von Rauch und Flammen.

      Schreiend rannte er zurück in den finsteren Wald, rannte wie sinnlos, strauchelte und fiel, schlug mit der Stirn gegen die Bäume und schrie vor Entsetzen, wenn flüchtendes Hochwild an ihm vorüberjagte. Schon sah er, daß der Wals dich lichtete. Seine Kräfte begannen zu schwinden, sein Atem erlosch. Taumelnd brach er in die Knie, mit keuchendem Schrei, der im Nebel zerschwamm und nur wie ein matter Ruf hinauftönte zum See.

      Dort oben, am Ufer, klangen in Unruh die Glocken der Almtiere, als hätte das Vieh sich erhoben aus der Ruh und zu weiden begonnen, mitten in der Nacht.

      Dieses wirre Läuten tönte hinauf zum kleinen Seehaus, dessen Fenster noch erleuchtet waren. Die Tür stand offen, und trüb zerfloß die ins Freie fallende Lampenhelle in Nebel und Nacht.

      In der Stube war Lo damit beschäftigt, alles Grün von den Wänden zu nehmen und das kleine Haus für die lange Zeit in Ordnung zu bringen, in der es unbewohnt und verschlossen stehen sollte. Ruhig tat sie diese Arbeit.

      Manchmal wurden ihr die Arme müd, und dann stand sie eine Weile unbeweglich und blickte unter schmerzvollem Lächeln ziellos vor sich hin. Wenn sie mit stockendem Atemzug aus solcher Versunkenheit erwachte, streifte ihr Blick alles Gerät der Stube, das ihr lieb und durch Erinnerung heilig war. Aus ihren Augen redete eine Wehmut, als wäre in ihr die Ahnung, daß sie die Waldstube, in der sie so viel schöne Stunden und Tage verlebt hatte, nie wiedersehen würde.

      Da blickte sie lauschend auf. Was sie gehört hatte, draußen in Nacht und Nebel? War das ein Ruf?

      Sie trat vor die Tür. Nur den Nebel sah sie, der in der Dunkelheit das Haus umlagerte. Horchend stand sie eine Weile und rief dann mit lauter Stimme in die Nacht hinaus: »Ist jemand hier?«

      Keine Antwort kam. Mit fauchenden Stößen fuhr der immer stärker werdende Wind über das Dach der Hütte hin, es rauschte in den Zweigen des Harfenbaumes, und ruhelos tönten in seinen Wipfeln die kleinen Glocken.

      Und was nur die Almtiere haben mochten? Jetzt, in der Nacht? Drunten am See, auf den höheren Latschenfeldern, überall klangen ihre Schellen. Ein Rind begann zu brüllen, ein anderes gab Antwort, kurz und dumpf – wie Jungvieh brüllt, wenn es sich in den Felsen verstiegen hat und hilflos auf den Sennen wartet. Und die Tiere befanden sich doch auf gefahrlosem Weidegrund! Oder hatten sie das Vorgefühl eines bösen Wettertages, den dieser Nebel bringen würde? Wohl schien der Wind, der über den See heraufblies, noch unbedenklich. Aber dort unten, im tieferen Tal, da schien er stärker zu wehen, fast wie Sturm.

      Ein Krachen und Rauchen tönte verworren mit dem Winde über den Wald herauf. Und dieser Nebel? Wie seltsam! Er hatte einen Geruch wie Rauch. Oder war's der Herdrauch, den der Wind herauftrieb von der Sebenalpe? Sollten sie dort unten so spät noch beim Feuer wachen? Oder waren Holzknechte im Sebenwald bei der Arbeit gewesen? Hatten sie das Gezweig und die Rinden der Windbrüche auf einer Blöße verbrannt? Und rauchten diese Feuerstätten so?

      Schon wollte Lo in die Stube zurückkehren. Da hörte sie ein Gepolter, das Krachen von Ästen und den Sprung eines Tieres, das den Gartenzaun durchbrochen hatte.

      »Hansi!«

      Durch die Blumenbeete kam der Esel zur Tür gestürmt. Schnaubend und zitternd blieb er neben dem Mädchen stehen und windete mit vorgestrecktem Halse gegen den Wald hinunter.

      Was hatte das Tier? War es durch Raubwild erschreckt worden? Durch einen Steinschlag unter den Wänden?

      »Hansi? Was hast du denn?«

      Beruhigend wollte sie ihm den Rücken streicheln und fühlte, daß seine Haare gesträubt waren wie Stacheln. Das Tier mußte eine ernste Gefahr überstanden haben. Oder sah es eine Gefahr, welche kam?

      »Hansi?«

      In grober Zärtlichkeit fuhr der Esel mit der Schnauze an ihr hinauf. Schnaubend schüttelte er das Fell und machte, den Hals immer länger streckend, ein paar zögernde Schritte. Plötzlich setzte er mit tollem Sprung über den Zaun, und ein schmetterndes Gewieher ausstoßend, verschwand er im Dunkel.

      Im gleichen Augenblick jagte eine dicke Rauchwolke an der Hütte vorüber. Ein Schein durchglomm den wirbelnden Nebel. Überall im Tal begannen die Glocken der Almtiere zu läuten, überall dröhnte und röhrte ihr Gebrüll, überall hörte man das Rollen der Steine, die der Schritt der Rinder auf den steilen Gehängen löste. Jäh war das ganze Tal erfüllt von unheimlichem Leben. Und da erkannte Lo, was die Herde flüchten machte. »Feuer im Wald! Die armen Tiere!« Daß auch ihr eigenes Leben bedroht sein könnte, daran schien sie nicht zu denken. Ohne Erregung, wenn auch mit fliegender Hast, eilte sie in die Stube und holte eine schon halb verbrauchte Pechfackel. Damals, als diese Fackel gebrannt hatte, das war auch eine ernste Nacht gewesen. Eine Nebelnacht im Juni. Lo hatte die Rufe eines verstiegenen Touristen gehört und hatte den Verirrten aus der Tejawand heruntergeholt und zur Sebener Almhütte geführt.

      Die brennende Fackel senkend, damit das Harz sich heller entzünden möge, trat sie aus der Hütte. Was den Nebel so hell durchleuchtete? War es die Flamme der Fackel oder das wachsende Feuer dort unten, das man rauschen hörte wie heranziehenden Sturm?

      Sie wollte zur Gartentür. Da taumelte ihr ein Mensch entgegen. Erst als er vor ihr stand, erkannte sie ihn.

      »Mazegger!«

      Lallend stürzte er vor ihr nieder und klammerte sich an ihr Kleid. Auch ihr Anblick konnte in ihm nicht mehr erwecken, was ihn zum Wahnsinn dieser Tat getrieben hatte. Seine Eifersucht und seine Liebe, alles, was er erwartet hatte von dem Gewaltstreich dieser Nacht, alles war erloschen in ihm. In ratloser Angst und in der Verstörtheit seiner Stimme umklammerte er das Mädchen und keuchte: »Im Sebenwald ist alles ein Feuer! Wir müssen verbrennen, du und ich, ersticken im Rauch!« Er drückte zitternd das Gesicht in die Falten ihres Kleides.

      Lo war bleich geworden. Aber sie wich nicht zurück vor ihm. Was zwischen ihr und diesem Menschen lag, das war vergessen beim Anblick der lallenden Angst, die sich zu ihren Füßen krümmte. »Mazegger! Sind Sie denn ein Mann? Wie können Sie sich vom


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