Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer. Ludwig Ganghofer

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Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer - Ludwig  Ganghofer


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Mit strahlenden Augen sah Gustl an Ettingen hinauf. »Ich hab's doch neulich schon gemerkt, viel früher als Lo. Der hab's doch ich erst sagen müssen!« Da sah er die Schwester mit der Mutter kommen und rief: »Gelt, Muttl, ich hab recht gehabt! Siehst du, daß auch ein Waldbrand nichts Böses ist? Gelt, jetzt glaubst du mir's!«

      Lo mußte der Mutter schon von ihrem Glück gesagt haben. In tiefer Bewegung, scheu und verlegen, mit Freude und doch auch mit Angst in den feuchten Augen kam Frau Petri dem Mann entgegen, dem sie ihr Kind fürs Leben anvertrauen sollte.

      »Das ist meine Mutter, Heinz!«

      »Herr Fürst –« Die alte Frau vermochte kaum zu sprechen und streckte die zitternden Hände. »Sie haben mir mein Kind gebracht –«

      »Ja, Frau Petri.« Ettingen küßte ihr die Hände. »Aber ich will Ihnen die Lo wieder nehmen. Und ich weiß, ich nehme Ihnen viel.«

      »Die Hälfte von allem, was ich noch habe.« Zwei Tränen fielen über die furchigen Wangen der alten Frau, und dennoch lächelte sie und atmete auf. »Das ist das Los der Mütter: wenn ihre Schmerzen und Sorgen vorüber sind, werden sie einsam. Das kann für mich nicht anders sein, als es für alle ist. Wenn Lo das Glück findet, das ich ihr wünsche, bin ich mit allem zufrieden. Ach ja!« Sie hielt die Hände des Sohnes fest, den ihr diese Stunde gegeben, und während sie ihn ansah, sprachen aus ihrem forschenden Blick die stummen Fragen: Hast du sie lieb? Wirst du sie glücklich machen? – Und als hätte sie aus diesen klaren, leuchtenden Mannesaugen allen Trost für ihre Sorge gelesen, mit so tiefer Freude faßte sie die Hand ihres Kindes. »Lo! Ach Lo! Warum konnte dein Vater das nicht erleben! Das Glück seines Kindes hätte ihn entschädigt für alles andere.«

      Wieder rasselten zwei Wagen mit dampfenden Gäulen aus dem Wald heraus. Die Männer sprangen ab unter wirrem Geschrei und eilten mit ihren Äxten und Seilen hinaus zum Sebensee. –

      Da draußen beim Waldbrand standen schon am Nachmittag über zweihundert Leute bei der Arbeit. Nicht nur von Leutasch waren sie gekommen, auch von Ehrwald herauf, von Biberwier und Lermoos von allen Almen her. Die Sennleute und Holzknechte, die den Weg über den Paß genommen, waren zurückgekehrt: der dichte Rauch, der die hohen Felsen umwogte, hatte ihnen den Zutritt in das brennende Sebenkar verwehrt. Da war auch nichts mehr zu helfen, dort oben – alles Jungvieh mußte schon längst erstickt sein.

      Auch im Tal war andere Hilfe nicht möglich, als nur der Versuch, das rückwärts fressende Feuer einzudämmen. Graf Sternfeldt, der Förster und Praxmaler hatten die Führung der Arbeit übernommen. Man schlug eine breite Gasse durch den Wald, um die Flammen zu hindern, gegen die tieferen Wälder hinunterzugreifen. Was schon brannte, mußte seinem Schicksal überlassen bleiben.

      Bevor es noch dämmerte, begannen schwere Tropfen zu fallen, und dann rauschte es aus den Wolken nieder mit grauen Strömen.

      Die Leute suchten Schutz unter den Bäumen. Jetzt wußten sie, daß sie die Arbeit sparen konnten, die der Himmel übernommen hatte.

      Weiße Dampfwolken fluteten über den brennenden Wald. Es währte keine Stunde, und die Bäche des Regens hatten den Brand gelöscht. Während bei sinkender Nacht der weiße Dunst noch die weite Brandstatt überwirbelte, wagte sich schon ein erster hinein in diesen Wald von schwarzen Kohlensäulen, unter deren nasser Kruste der Kern der halb verbrannten Stämme noch glühte. Es war der alte Hüter von der Sebenalm. Als ihn die anderen hindern wollten, die Brandstatt zu betreten, sagte er mit seinem hohen Kichern: »So was is gut, so gleich nach'm Fuierl!« Er watete durch die Asche. »So schön warm hab ich schon lang net ghabt in die Füß! Hihihihi!«

      Als jede weitere Arbeit nutzlos war und die Dunkelheit anbrach, trat Graf Sternfeldt mit Praxmaler den Heimweg an.

      Es war gegen Mitternacht, und sie hatten das Jagdhaus noch nicht erreicht, als der Förster sie einholte und die Nachricht brachte: »Mazegger ist gefunden.«

      »Lebend?«

      Der Förster schüttelte den Kopf.

      »Herr, gib ihm die ewige Ruh!« Praxmaler bekreuzte das Gesicht.

      Eine Weile standen sie schweigend im Regen, und dann erzählte der Förster: es wäre der alte Hüter von der Sebenalm gewesen, der den Erstickten fand, im Seebach, bis an den Hals im Wasser sitzend und umringt von den Leichen halbverkohlter Rinder.

      Sie durchschritten in der Finsternis den letzten Waldstreif und erreichten das Almfeld.

      »Hören Sie, Herr Förster, und Sie, Praxmaler!« sagte Sternfeldt. »Der Fürst und Fräulein Petri sollen das nicht erfahren. Wir sollen die erste Freude ihres Glückes nicht stören durch die Nachricht, daß Mazegger die Warnung, die das Fräulein rettete, mit dem Leben bezahlen mußte. Der arme Bursch!«

      Der Förster nickte. »So? Gwarnt hat er dös Fräuln? No ja, was man glaubt, is wahr!«

      Sie stiegen zum Jagdhaus hinauf, an dem alle Fenster mit hellem Schein hinausleuchteten in die Nacht und in den strömenden Regen.

      Die Tropfen, die durch die Helle fielen, blitzten mit farbigem Licht.

      Die ganze Nacht und zwei Tage noch währte das Rauschen und Gießen, als hätte der Himmel seine Berge reinspülen wollen vom Ruß und von der Asche des Brandes. Dann fegte ein Sturmtag alles Gewölk von den Höhen und schüttelte die in der Sonne glitzernden Wasserperlen von allem Gezweig. Wie mit neuer Keimkraft erwachte es bei dieser linden Wärme im getränkten Erdreich. Das Heidekraut hatte eine üppige Herbstblüte; alle Waldlichtungen und Gehänge waren von rotem Schimmer überhaucht.

      Ein stiller Sonnenmonat. Und ein Glück, das lächelnd im Schweigen des Waldes blühte, menschenfern und weltvergessen.

      * * *

      Ende September fiel der erste Schnee, und es wurde einsam auf der Tillfußer Alm. Am Jagdhaus waren schon seit drei Wochen die Läden geschlossen. Nun stand auch die Sennhütte verödet.

      Nur das Försterhäuschen war bewohnt. Hier braute Pepperl täglich seinen Sehnsuchtsschmarren, und wenn die Pfanne leer war, ging er in die Sennhütte hinunter, zündete auf dem Herd ein Feuer an, ließ sich das Herz und den Buckel wärmen und schmauchte sein Pfeiflein dazu. Am Morgen und Abend der Pirschgang über die verschneiten Almen. Er hatten den Schutzdienst im Geißtal ganz allein zu versehen, denn der neue Jäger sollte erst mit dem 15. Oktober in Dienst traten. Aber dann – ja, dann bekam der Praxmaler-Pepperl acht Tage »Hochzeits-Urlaub«. Und wenn er beim Feuer in der Sennhütte an diese kommende Zeit dachte, blies er in langem Faden den Rauch vor sich hin und schmunzelte: »Teufi, Teufi, Teufi! Die acht Täg will ich mir aber schmecken lassen!«

      Trotz seiner sehnsüchtigen Ungeduld verging ihm die Zeit sehr flink. Im Bergwald und auf den Almen röhrten an jedem Morgen und Abend die Hirsche, daß der Orgelton ihrer Stimmen von den Wänden widerhallte. Wenn Pepperl am Waldsaum einer Alpe saß und einen Kronenhirsch auf hundert Schritte vorüberziehen sah, machte er seiner Aufregung mit einem heißen Seufzer Luft: »Teufi, Teufi, Teufi! Wann nur der Herr Fürst jetzt da wär! Söllene Prügelhirschen haben und net jagen! Da hört sich doch alles auf!« Nach solchem Ärger kam ihm aber gleich die Einsicht wieder: »Freilich, der weiß sich was Besseres jetzt!« Und schmunzelnd dachte er an seinen fernen Herrn und an das »Malerfräuln«, das jetzt Frau Fürstin wurde. – –

      Schon in den ersten Septembertagen war Ettingen mit Frau Petri und ihren Kindern nach dem Allgäu abgereist. Über München, wo sie eine Woche blieben, ging die Reise an die Donau und dann zu Schiff stromabwärts nach Bernegg, wo Graf Sternfeldt den Freund und seine Gäste erwartete.

      Das waren wundersame Tage für Lo, dieses erste Einleben in die neue Heimat, das Wandern durch alle Räume des Schlosses, der Besuch der Felder und Arbeiterhäuser, die Begegnung mit den hundert neuen Menschen, deren Herrin sie wurde, die Fahrten durch die stundenweiten Buchenwälder, und die Plauderstunden im Park, dessen welkendes Laub in der Herbstsonne leuchtete wie Gold. Jede schöne Stunde empfing sie dankbar als köstliches Geschenk aus der Hand des geliebten Mannes – und er bot ihr, glücklich und stolz, jede neue Freude wie eine Ehre, die ihr gebührte.

      Zu Anfang Oktober mußte


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