Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

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Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman - Christine von Bergen


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dem aufregenden Abend. Mit dem Zettel in der einen Hand, in der anderen seine Tasche, sah er sich noch einmal im Zimmer um.

      Der Abschied fiel ihm schwer. Am Himmel hingen noch ein paar Sterne, Reste des großen Wagens. Er sah genau hin, und es kam ihm so vor, als tanzten sie ein letztes Mal für ihn, bevor sie sich im ersten Licht des Morgens auflösen würden.

      Als Leon Ruhweiler hinter sich ließ, zündelte im Osten schon ein schwaches Frührot. Bald schon begann es, über den Tannenhöhen immer stärker zu flammen. Im Wald wachte der Wildtauber auf und rief sein Gruh-Gurruh in den Morgen. Die Höfe lagen noch im blauen Schatten, und der Tau auf den Grashalmen funkelte wie ein Meer aus Tränen, als die Sonne ihre ersten hellen Strahlen über die Berghänge schickte. Die Welt war hier so friedlich, eine einzige Idylle. Leon wusste, dass er wiederkommen würde. Und das so schnell wie möglich.

      Nur eines wusste er nicht, nämlich, dass das Schicksal andere Pläne hatte.

      *

      Julia hielt den Zettel in der Hand, den Leon ihr zu früher Morgenstunde unter ihre Zimmertür geschoben hatte. Eine unendliche Enttäuschung machte sich in ihr breit. Mehrmals las sie seine kurzen Zeilen, und mit jedem neuen Mal schoben sich für sie dunklere Wolken vor die Sonne, die an diesem Morgen durch ihr Fenster schien.

      Warum hatte er es so eilig gehabt, warum war er mitten in der Nacht losgefahren? Sein Vater befand sich im Krankenhaus, in ärztlicher Obhut. Es bestand keine akute Lebensgefahr, wie sie lesen konnte. Hätte er nicht bis sechs Uhr warten können, um sich wenigstens noch von ihr zu verabschieden?

      Seine jähe Abreise hinterließ in ihr ein seltsames Gefühl. Sie konnte diese Empfindung noch nicht greifen, schon einmal gar nicht beschreiben. War es das Gefühl von Verlassenwerden? Von Angst? Zweifel an Leons Liebe? Fast kam ihr sein Verhalten vor wie eine Flucht. Eine Flucht vor ihr?

      Ich rufe Dich an, stand unter seinem Ich liebe Dich.

      An diesen beiden Versprechungen hielt sich Julia fest, während sie die Kühe molk, den Stall ausmistete und danach duschte. Auch Oma Winter zeigte sich erstaunt.

      »Dann hat er ja gar nicht geschlafen«, sagte sie mit besorgter Miene. »Schwebt sein Vater denn in Lebensgefahr?«

      »Ein Herzinfarkt. Der Notarzt hat ihn ins Krankenhaus gebracht.«

      Hilde schwieg und bereitete das Frühstück für Ludger Pfeifer, während Julia in der Stube den Tisch für den nunmehr einzigen Gast deckte. Sie faltete gerade die Serviette, als sich die Stubentür öffnete und Herr Pfeifer im Rahmen stand. Blass, unrasiert, sichtlich unausgeschlafen. Sein Unterarm lag in einer Schlinge, die er aus einem signalroten Schal gedreht hatte.

      »Guten Morgen«, begrüßte Julia ihn freundlich. »Wie geht es Ihnen?«

      »Ich habe Schmerzen«, erhielt sie die knappe Antwort.

      Ludger Pfeifer blieb vor ihr stehen. Seine Augen schienen sie durchbohren zu wollen. »Ich muss mit Ihnen reden«, begann er in einem so eiskalten Ton, der sie frieren ließ. »Machen Sie mir die Rechnung fertig. Die Arztrechnung und etwaige Folgezahlungen werde ich an Sie weiterleiten.«

      Sie schluckte. »Sind Sie denn nicht krankenversichert?«, fragte sie erstaunt.

      »Ich sehe nicht ein, die Kasse zu belasten, wenn mein Unfall eindeutig durch Ihre Missstände hier verursacht worden ist«, schnappte er zurück.

      Sie griff sich an die Stirn, als könnte sie durch diese Geste die vielen Gedanken festhalten, die ihr durch den Kopf schossen.

      »Verzeihen Sie«, fuhr sie dann fort. »Was wollten Sie überhaupt bei uns im Keller? Sie hatten wieder Ihre Kamera bei sich.« Ihre Stimme schraubte sich vor Erregung höher. »Kann es sein, dass Sie hier herumspionieren? Wenn ja, wüsste ich gern den Grund dafür.«

      »Den kann ich Ihnen sagen, meine Gnädigste«, gab die Pfeife mit ironischem Lächeln zurück. »Mein Chef hat mich zu Ihnen geschickt. Sagt Ihnen der Reiseveranstalter Brandt und Söhne aus Düsseldorf etwas? Sie haben Ihre Pension dort angeboten. Die ›Oase der Ruhe‹.« Ludger Pfeifer drehte seinen Zeigefinger an der Stirn. »Klingelt da was bei Ihnen?«

      Seine Worte machten Julia einen Moment sprachlos. Dann schoss die Wut wie eine Stichflamme in ihr hoch.

      »Sie haben sich hier eingeschlichen als Hoteltester? Als ein Spion? Das ist ja eine Unverschämtheit.« Sie schnappte nach Luft, konnte nicht mehr weiterreden.

      »So geht das in dieser Branche«, erwiderte die Pfeife mit aufreizender Gelassenheit. »Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, wie die Beurteilung ausgefallen ist, oder?« Mit wölfischem Lächeln sah er sie an. »Mein Bericht liegt meinem Chef bereits vor. In den nächsten Tagen werden Sie natürlich eine Absage erhalten. Abgesehen davon ist mir völlig unverständlich, wie man sich derart überschätzen und glauben kann, eine solche Unterkunft würde in unser Programm passen.«

      Sie schluckte, zwang sich, ruhig zu bleiben.

      Nun gut, sie konnte es nicht mehr ändern. Dennoch würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Das nahm sie sich in diesem Moment fest vor, während sich ihr Blick mit dem der Pfeife duellierte.

      »Was ist denn hier los?« Die energisch klingende Stimme ihrer Großmutter ließ Julia zusammenzucken.

      Hilde stand mit dem Frühstückstablett in der Stubentür. Ihr aufmerksamer Blick wanderte zwischen ihrer Enkelin und Ludger Pfeifer hin und her.

      »Ich glaube, ich habe Ihrer Enkelin gerade einen Schock versetzt«, sagte der junge Mann mit hintersinnigem Lächeln. »Ich war hier, um Ihre Pension zu testen.«

      »Unsere Pension testen?« Hilde sah ihre Enkelin verständnislos an.

      Julia straffte sich, umfasste die Stuhllehne so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.

      »Ich werde dir alles erklären, Oma. Herr Pfeifer möchte jetzt abreisen.« Sie schenkte dem Genannten ein selbstsicheres Lächeln, das sie viel Kraft kostete. »Ich danke Ihnen, Herr Pfeifer. Jetzt weiß ich wenigstens, woran ich bin. Unsere Pension ist Schrott, nicht vermietbar. Aber wir werden es überleben.«

      Ludger Pfeifer stand auf. »Die Rechnung schicken Sie bitte an Brandt und Söhne.« Er zog eine Visitenkarte aus seiner Fleecejacke, legte sie auf den Tisch. »Und was die Arztrechnung angeht, verfahren Sie vielleicht besser genauso.« Er warf Julia einen unsicheren Blick zu, Hilde ein verzerrtes Lächeln und meinte dann: »Ich glaube, mein Besuch war für alle Beteiligten ziemlich unangenehm.«

      Dann verließ er die Stube. Hilde sah ihm mit großen Augen nach. Die Haustür fiel zu, der Düsseldorfer Wagen fuhr vom Hof.

      »Kannst du mir das erklären, Kind?«

      »Es ist ganz einfach, Oma«, begann Julia, räusperte sich und fuhr dann fort: »Herr Pfeifer arbeitet für einen Reiseveranstalter, den ich angeschrieben habe. Ich wollte unsere Pension anbieten. Um meine Angaben zu überprüfen, hat man ihn geschickt, was ja auch Sinn macht.« Kurz und hart lachte sie auf. »Da er zu viele Mängel festgestellt hat, werden wir natürlich nicht in den Katalog aufgenommen. Ich gehe davon aus, dass wahrscheinlich auch alle anderen Reiseunternehmen uns eine Absage erteilen werden. Wenn wir Glück haben, schicken sie uns ebenfalls vorher ein paar Spione vorbei, sodass wir noch ein paar Cent an diesen Tests verdienen«, sprach sie mit Häme weiter.

      »Also, das ist doch …« Hildes Gesicht rötete sich.

      »Reg dich bitte nicht auf, Oma«, beruhigte Julia sie. »Es war mein Fehler. Ich war zu naiv. Ich dachte, ich könnte durch unsere wunderschöne Lage und unsere familiäre Atmosphäre punkten. Wir sind jedoch zu wenig komfortabel für eine zeitgemäße Pension und zu wenig urig für eine Berghütte.« Sie tippte sich an die Stirn. »Völlig naiv von mir«, murmelte sie vor sich hin. »Aber eines weiß ich jetzt: Ohne Investitionen geht’s nicht.«

      »Lass uns das Haus verkaufen, wir ziehen in die Stadt, und du arbeitest wieder im Hotel. Ich komme schon zurecht«, meinte Hilde müde. »Für ein kleines Zimmer mit Kochnische und Dusche reicht meine Rente. Ansonsten brauche ich ja nicht viel.«

      Der


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