Die bedeutendsten Staatsmänner. Isabella Ackerl

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Die bedeutendsten Staatsmänner - Isabella  Ackerl


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der bayerischen CSU einen Stimmenanteil von 31 Prozent erringen konnte. Adenauer, ein strikter Gegner der SPD und einer egalitären Massengesellschaft, formte eine Koalitionsregierung aus CDU/CSU sowie FDP und DP, die nur eine geringe Mehrheit besaß. Um seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ er sich von Ärzten bescheinigen, dass er, immerhin 73 Jahre alt, das Amt eines Bundeskanzlers durchaus zwei Jahre ausüben werde können. Tatsächlich blieb er Kanzler der Bundesrepublik Deutschland bis 1963.

      Adenauers Kanzlerschaft war die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, jener Phase, in der Deutschland wieder seinen Platz in der Gemeinschaft der Staaten einnahm, die Zeit, in der es auch seine außenpolitischen Präferenzen und Ziele klar formulierte. In tagespolitischen Fragen agierte Adenauer pragmatisch und kompromissfähig, vor allem wenn es um die Verteidigung der Einheit der Bundesrepublik ging. In seiner Ära schaffte das Land immerhin die Eingliederung von fast zehn Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen.

      Sein Hauptinteresse, seine Liebe und seine Grundsatztreue galten der Außenpolitik, die er nach rigorosen Vorgaben lenkte, an denen er nicht rütteln ließ. Er sah die große Gefahr und Bedrohung für die Mitte Europas und ihren Frieden in der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa. Er konnte und wollte nicht an eine friedliche Koexistenz mit der Sowjetunion glauben, woraus seine strikte Partnerschaft mit den Westmächten und mit der NATO resultierte. Dazu gehörten auch die atomare Abschreckung und die damit verbundene Stationierung von Atomwaffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Eines seiner großen Vorhaben war die Bildung einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die sich nicht verwirklichen sollte.

      Um diesem Gesamtziel zu dienen, führte er Deutschland 1950 in den Europarat, Deutschland wurde Gründungsmitglied der Europäischen Kohle- und Stahl-Union und stand damit am Anfang der heutigen Europäischen Union. 1955, nach dem Scheitern der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, wurde das Land souverän und damit Vollmitglied der NATO. In den nächsten Jahren erfolgte die deutsche Wiederbewaffnung.

      Diese Politik Adenauers erfuhr in den Wahlen 1953 und 1957 ihre Honorierung, die CDU gewann beachtlich an Stimmen. Eine wichtige Ursache dieses Wahlerfolgs lag sicherlich auch in Adenauers Wahl seines Wirtschaftsministers: Ludwig Erhard und seine soziale Marktwirtschaft führten das Land in nur wenigen Jahren zu einem nie gekannten Wohlstand aller Bürger. Eine breite Palette von sozialstaatlichen Maßnahmen sicherte den innenpolitischen Frieden. Allerdings wollte Adenauer nie zulassen, dass Erhard mehr als das Amt des Wirtschaftsministers erreichen könnte. Immer wieder erklärte er ihn als ungeeignet für das Amt des Kanzlers, was zu schweren Differenzen zwischen den beiden führte. Letztlich erwies sich aber die Richtigkeit seines Urteils – Erhards Kanzlerschaft war ein Misserfolg.

      Erst die Wahlen von 1961 zeigten Abnutzungserscheinungen der regierenden CDU und ihres greisen Kanzlers. Weltpolitisch stand es ebenfalls nicht zum Besten, im August 1961 begann das DDR-Regime mit dem Bau der Berliner Mauer. Adenauer musste eine Koalitionsregierung mit der FDP bilden. Vor seinem Rücktritt schloss er noch den seine Karriere als Außenpolitiker krönenden Vertrag, der zugleich der bedeutendste dieser Nachkriegszeit war: 1963 unterzeichnete er mit Charles de Gaulle den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, der das gute Verhältnis der beiden altgedienten Politiker auf Dauer auf die beiden Staaten ausdehnen sollte.

      Nach seinem Rücktritt 1963 blieb Adenauer noch drei Jahre Vorsitzender der CDU. In diesen Jahren kam es öfter zu Angriffen auf ihn – er hätte sich zu wenig der Frage der deutschen Wiedervereinigung gewidmet. Er jedoch hatte dies als eine Aufgabe der Westalliierten erachtet. Die Bundesrepublik Deutschland war unter Adenauers Führung strikt nach der Hallstein-Doktrin vorgegangen, die besagte, dass nur der Westen Deutschlands den Alleinvertretungsanspruch für Deutschland wahrnehmen könne. Versuche der in der Opposition agierenden SPD, Deutschland auf eine neutrale oder bündnisfreie Politik einzuschwören, scheiterten am unerbittlichen Nein des Kanzlers.

      Adenauer überzeugte die Menschen durch die Einfachheit und die Klarheit seiner Sprache, er war unprätentiös, bescheiden und diszipliniert. Zweimal verheiratet, blieb er beide Male als Witwer zurück. 1904 hatte er Emma Weyer, eine Tochter aus einer wohlhabenden Kölner Familie, geheiratet, die ihm politisch und gesellschaftlich so manche Wege ebnete. Sie starb 1916, aus dieser Ehe stammten drei Kinder. Aus seiner Ehe mit Auguste Zinsser gingen fünf Kinder hervor.

      Im Gedächtnis der Deutschen ist Adenauer der Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der »Größte« der Nachkriegszeit, der für Parlamentarismus und Grundgesetz stand. Politisch hatte er zu seiner Zeit keinen Widerpart – Kurt Schumacher, in diesen Jahren SPD-Chef, war für Adenauer kein ernsthafter Gegner. Schumachers Sozialismus war ideologisch aufgeladen und aufdringlich, während die Menschen in der Nachkriegszeit Sicherheit, Klarheit und Würde suchten. Sicherlich war Adenauer ein Mann mit Fortune, der in der Politik vernünftige und moralisch vertretbare Lösungen fand. Integration war für ihn ein wichtiger Grundsatz, an dem er auf europäischer Ebene, im Verhältnis zu Frankreich und in der Stellungnahme zur NATO konsequent festhielt. Die Alternative dazu wäre die Neutralität gewesen, doch Adenauers politische Erfahrungen in der »Welt von gestern«, beginnend vom Bündnissystem Bismarcks über die Weimarer Republik und die beiden Weltkriege, lehrten ihn, dass Neutralität nichts oder zu wenig wert sein könnte.

      Adenauer kam nicht aus einer mit dem Geschäft der Res publica schon lange verbundenen Familie, vielmehr war er ein Homo novus, ein Newcomer, der durch diese Tatsache anderen Menschen Mut machte, dass man als Einzelner in der Politik etwas zu bewegen vermag. Dass er in seiner politischen Arbeit nicht an Traditionen gebunden war, war auch seine Stärke. Nach seinem Rücktritt widmete er sich nicht nur der Rosenzucht, sondern verfasste auch seine »Erinnerungen«.

       Werke

      Erinnerungen (1965-1968) in 4 Bänden

      ARTHUR JAMES BALFOUR

      Arthur James Balfour, über ein halbes Jahrhundert der mächtigste Mann der britischen Konservativen, wuchs in einer reichen britischen Adelsfamilie heran. Sein Umfeld war intellektuell geprägt, sein tägliches Leben mit Politik durchsetzt. Seine Karriere war schon durch die Tatsache vorgezeichnet, dass bereits sein Onkel Robert Cecil Marquess of Salisbury britischer Premier war. Den Traditionen der Familie entsprechend, absolvierte er Eton und studierte am Trinity College in Cambridge. Nach Abschluss seiner Studien übernahm er ein konservatives Mandat im Parlament für den Wahlbezirk Hartford.

      Balfours lebenslanges Interesse galt aber auch der Wissenschaft. Schon 1879 hatte er die Abhandlung »Defence of Philosophic Doubt« veröffentlicht, in der er zu beweisen suchte, dass auch Wissenschaft auf einem Glaubensakt beruhe. Er nahm im philosophischen Diskurs der Viktorianischen Zeit, der sich zwischen Wissenschaft und Religion bewegte, den Standpunkt der Religion ein.

      1885 übernahm Balfour unter der Regierung Salisbury sein erstes offizielles Amt als Präsident des Local Government Board, ein Jahr später wurde er Schottland-Minister, anschließend Erster Sekretär für Irland. Als unbedingter Gegner des Irish Home Rule erhielt er den Beinamen »Bloody Balfour«, weil er mitleidlose Unterdrückungsmaßnahmen anordnete. Gleichzeitig befand er sich in offenem Gegensatz zu den englischen Großgrundbesitzern in Irland, die in Abwesenheit, als »absentees«, die Bevölkerung unterdrückten. Balfours Politik bzw. Strategie lautete hingegen »killing home rule by kindness«.

      1891 übernahm er die Funktion des Sprechers der Konservativen im House of Commons und wurde zum First Lord of the Treasury bestellt.

      Ein Jahr darauf verloren die Konservativen die Mehrheit, das liberale Ministerium von William Gladstone folgte nach. In dieser Phase führte Balfour die Opposition im britischen Parlament.

      Ab 1895 bildete Balfours Onkel, der Marquess of Salisbury, zum dritten Mal eine Regierung, der Neffe übernahm das Amt des Lord-Schatzkanzlers. Er war zwar ein Gegner des Burenkrieges, vertrat aber die Ansicht, dass, wenn die Briten schon einen Krieg in Südafrika führten, sie ihn auch entscheidend gewinnen müssten. In diesen Jahren erlangte Balfour immer mehr Macht – parallel zur immer weiter fortschreitenden Krankheit seines Onkels. Daher schien es nur logisch, dass er nach dem


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