Die bedeutendsten Staatsmänner. Isabella Ackerl

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Die bedeutendsten Staatsmänner - Isabella  Ackerl


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Act«, eines Gesetzes, das die Verwaltung der Pflichtschulen völlig reorganisierte. Im folgenden Jahr wurde der »Wyndham Land Purchase Act« beschlossen, eine Regelung, die den Kauf von Land durch Pächter in Irland begünstigte. Mit dem »Committee of Imperial Defense« etablierte er eine weltweit einsetzbare Verteidigungsstrategie für das Empire. Doch keines dieser Gesetze konnte die Zustimmung der Wähler finden. Außerdem gestattete er die Einwanderung von Chinesen als Minenarbeiter in Südafrika, als es dort einen erheblichen Arbeitskräftemangel gab. Auch dies führte zu Protesten von Menschenrechtskämpfern und der Labour Party.

      Einen echten Prestigeerfolg errang Balfour mit dem Abschluss der Entente Cordiale mit Frankreich, welche die englische Isolationspolitik beendete und den Kern eines europäischen Bündnissystems bildete. Zugleich wurden die Interessenssphären der beiden Großmächte abgesteckt – Großbritannien wahrte die Vorherrschaft in Ägypten und damit die Kontrolle über den Suezkanal, Frankreich behielt Marokko als sein Einflussgebiet.

      1905 trat Balfour wegen parteiinterner Zwiste über den Freihandel zurück, blieb aber bis 1911 offizieller Parteiführer. Den Riss wegen Joseph Chamberlains Schutzzollpolitik konnte er aber nicht zusammenschweißen, was zu Wahlniederlagen der Konservativen 1906 und 1910 führte.

      Erst 1915 übernahm Balfour wieder ein offizielles Amt: Im Kriegskabinett von Lord Herbert Henry Asquith wurde er als Nachfolger Winston Churchills Erster Lord der Admiralität, ein Jahr später wechselte er in das Auswärtige Amt. In diesen Kriegsjahren zeigte er sich bereit, Regierungsverantwortung in den beiden liberalen Koalitionskabinetten von Asquith und David Lloyd George zu übernehmen.

      Seine herausragende Leistung war die Erkenntnis, dass Großbritannien in Palästina dem Zionismus Raum geben müsste. Von den jüdischen zionistischen Vertretern Chaim Weizmann und Nahum Sokolow gedrängt, erklärte er im November 1917 in einem Brief an Lionel Walter de Rothschild, dem Oberhaupt des britischen Familienzweiges der Rothschilds, dass Großbritannien bereit wäre, den Zionismus zu unterstützen. Damit legte er die Basis für die 30 Jahre später erfolgte Gründung des Staates Israel.

      Nach dem Ersten Weltkrieg lastete er sich kein Regierungsamt mehr auf, blieb aber immer politisch aktiv und interessiert. 1926 zeichnete er für den »Balfour-Report« verantwortlich, der das Verhältnis zwischen dem britischen Mutterland und den Dominions neu regelte und die Grundlage für das 1931 erlassene Westminster-Statut wurde, das den Dominions – zum damaligen Zeitpunkt waren dies Australien, Irland, Kanada, Neufundland, Neuseeland und Südafrika – innere Autonomie verlieh.

      Zuletzt arbeitete der schon 80-jährige Politiker an der Niederschrift seiner Memoiren, die 1930 unter dem Titel »Chapters of Autobiography« erschienen.

      DAVID BEN GURION

      Dem aus dem russischen Ostpolen stammenden David Grün – den Namen Ben Gurion nahm er erst in Palästina an – war die Idee des Zionismus schon seit frühester Jugend vertraut: Sein Vater Avigdor Grün, ein Hebräischlehrer, war begeistertes Mitglied von »Chovevei Zion«, seine Mutter verlor er schon im Alter von elf Jahren. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich mit seinem Jugendfreund Isaak Ben Zwi nach der russischen Revolution von 1905, die auch den Antisemitismus wieder an die Oberfläche geschwemmt hatte, der »Poale Zion«, die von den Ideen Theodor Herzls beeinflusst war, anschloss. Schon als 14-Jähriger hatte er die Ezra Jugendbewegung gegründet, die Hebräisch als Umgangssprache propagierte.

      1906 wanderte David Grün nach Palästina aus, wo er als Landarbeiter in Orangenplantagen und Weingärten sein Fortkommen fand. Wie viele seiner Altersgenossen war er oftmals arbeitslos, bittere Armut und Malaria waren die ständigen Begleiter seiner Jugend. In diesen Zeiten wuchs in ihm die Überzeugung, dass die Besiedlung des Landes das Hauptziel des Zionismus sein müsse.

      Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Ben Zwi und dessen späterer Ehefrau Rachel Yanait schrieb er für die zionistische Zeitschrift »Ahdut«, wobei er erstmals den Namen Ben Gurion verwendete. In der jüdischen Arbeiterbewegung erreichte er bald eine führende Position.

      Nach seiner Teilnahme am Zionistischen Weltkongress in Wien ging David Ben Gurion nach Istanbul, um Jura zu studieren, warb aber auch für ein jüdisches autonomes Gebiet auf dem Territorium des Osmanischen Reiches. Doch als Aktivist der jüdischen Bewegung wurde er verhaftet und des Landes verwiesen. Er ging in die Vereinigten Staaten, wo er nach der Balfour-Deklaration, in der die Briten in einer Kompromisserklärung zustimmten, dass das jüdische Volk in Palästina eine Heimstätte haben sollte, mit Ben Zwi eine Freiwilligenbewegung mit dem Namen »Jüdische Legion« gründete. 1917 heiratete er die aus Russland stammende Paula Munweis, die bis zu seinem Tod seine politischen Aktivitäten teilte.

      Erst 1918 durfte er wieder nach Palästina zurückkehren. Er betätigte sich wieder in der Arbeiterbewegung. 1920 gründete er mit Mitstreitern die jüdische Gewerkschaftsbewegung »Histradut«, die Landkauf und Besiedlung durch jüdische Einwanderer forderte. In wenigen Jahren gelang es Ben Gurion, die verschiedenen sozialistischen Gruppen in der zionistischen Arbeiterpartei Mapai zu vereinen.

      In konsequenter Verfolgung seiner Ideen organisierte und leitete er die Selbstverwaltung der Jewish Agency, welche die illegale Einwanderung von Juden, vor allem aus Deutschland, organisierte. Im Machtkalkül zwischen der britischen Mandatsmacht, die nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Einwanderung nach Palästina empfindlich einschränkte, und den arabischen Einwohnern Palästinas versuchte Ben Gurion eine ausgleichende, maßvolle Rolle, die zwischen politischer Vision und der Situation angepasstem Pragmatismus oszillierte, zu spielen. Konsequent in seinen Standpunkten, aber flexibel in der Taktik erreichte er damit ein Maximum, vor allem für die von Nazi-Deutschland verfolgten Juden. Ab 1942 galt daher sein Hauptaugenmerk dem sogenannten Biltmore-Programm, das eine jüdische Masseneinwanderung für die Verfolgten forderte. Zu diesem Zeitpunkt wurde erstmals auch die Gründung eines eigenen jüdischen Staates als Programm öffentlich formuliert.

      Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging die illegale Masseneinwanderung weiter, die Überlebenden des Holocausts wollten sicher im eigenen Land leben. Wie dramatisch die damalige Situation war, schildert Leon Uris in seinem (auch verfilmten) Buch »Exodus«. In diesen Jahren leitete Ben Gurion im Rahmen der Jewish Agency den Bereich Verteidigung; er kämpfte gegen die britische Mandatsmacht und für die Gründung eines unabhängigen Staates.

      Angesichts dieser Lage sahen sich die Briten gezwungen, die Sache den Vereinten Nationen zur Entscheidung vorzulegen, die im November 1947 die Aufteilung Palästinas zwischen Juden und Arabern festlegten.

      Am 14. Mai 1948 verkündete Ben Gurion die Unabhängigkeit des Staates Israel. Wenige Stunden später marschierten vier arabische Staaten in Israel ein – Gebot der Stunde war nun die Überleitung der bisher illegalen Verteidigungskräfte in eine reguläre Armee. Der Erhalt des Staates in dieser schwierigen Gründungsphase war sicherlich das Verdienst Ben Gurions. Treffend charakterisiert der Schriftsteller Amos Oz die damalige Rolle des Staatsgründers: »Ben Gurions eiserner Führungswille in diesen eineinhalb schicksalhaften Jahren des Unabhängigkeitskrieges verwandelte ihn vom ›Ersten unter Gleichen‹ in der zionistischen Führung in einen modernen König David.«

      Siebenmal übernahm er in den folgenden Jahren die Ministerpräsidentschaft, fünfmal auch das Verteidigungsressort. Ben Gurion ist vor allem die militärische Verteidigungsbereitschaft Israels zu verdanken, die in den lokalen Kämpfen der folgenden Jahre das Überleben des Staates sicherte. Seine konsequent verfolgte Einwanderungspolitik machte es möglich, dass sich die Bevölkerung Israels innerhalb von fünf Jahren ab der Staatsgründung verdoppeln konnte.

      Grundsätzlich versöhnungsbereit, schloss Ben Gurion 1952 mit der Bundesrepublik Deutschland ein Wiedergutmachungsabkommen. 1963 trat er als Ministerpräsident zurück, bis 1970 gehörte er dem jüdischen Parlament, der Knesset, an. Im Alter von 84 Jahren zog er sich aus der Politik zurück und lebte im Kibbuz Sde Boker in der Negev-Wüste, wo er seine Memoiren schrieb.


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