G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон


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Sekunde lang stand das alles – wie Reiterstandbilder. Oder equestrische lebende Bilder …

      Und eine Sekunde oder zwei – oder drei – oder vier – schienen Himmel und Erde gleicherweise erstarrt und ohne einen Laut. Dann aber vernahmen sie mit all ihren Ohren – und wie in einer Agonie des Aufhorchens – die Straße herab jenes unbeschreibliche Tripptrapp und trippeltrappel, das einzig von – – Pferden herrühren konnte!

      Und der Colonel war jäh verwandelt. Als wie vom Blitz gerührt. Tat aber dennoch ganz harmlos.

      »Da haben wirs«, sprach er kurz militärisch ironisch. »Achtung – Kavallerie kommt!«

      »Wo mögen die bloß die Gäule herhaben?« fragte Syme und spornte sein Streitroß zu einem leichten Galopp.

      Der Colonel war stumm für einen Augenblick. Dann sprach er – gezwungen:

      »Ich bemerkte ausdrücklich – ›Soleil d’Or‹ sei der einzige Platz auf zwanzig Meilen Umkreis, wo’s Pferde gäbe.«

      »Nein nein nein nein!« fuhr Syme ungestüm auf. »Das glaub ich nicht und glaub ich nicht. Ich glaube nie und nimmer, daß er uns das angetan hat! Mit all seinem weißen Haar…!«

      »Vielleicht – eh – haben sie ihn dazu gezwungen«, sprach der Colonel vornehm. »Sie waren mindestens hundertfach überlegen … darum sehen wir uns nun sofort nach meinem Freund um, der einen Motorwagen sein eigen nennt.«

      Und kaum gesagt, warf er sein Roß um eine Straßenecke herum und donnerte die Straße so spornstreichs hindann, daß die übrigen, obgleich auch immer im Galopp, die größte Mühe hatten, dem wehenden Schweif seiner Mähre zu folgen. Dr. Renard bewohnte ein hohes und komfortables Haus am höchsten Ende einer steilanstrebenden Straße, so daß die Reiter, wie sie vorm Haustor absaßen, auf ein neues den massiven, grünen Hügelrücken, mit der weißen Straße darüber, sehen konnten. Standen sie doch so hoch über allen Dächern der Stadt… Und atmeten auf, wie sie sahen, daß die Straße noch leer war, und läuteten und schlugen Lärm.

      Dr. Renard, das war ein famoser, braunbärtiger Mann, ein gelungenes Exemplar jener schweigsamen, aber geschäftigen Männer vom Fach, wie sie sich Frankreich ungleich mehr als England zu konservieren wußte. Als ihm die Sache auseinandergesetzt war, tat er die Panik des Ex-Marquis mit kaum drei Worten wirksam ab. Sagte, mit all seiner soliden französischen Skepsis, an einen General-Anarchistenaufstand sei überhaupt nicht zu denken. Und setzte achselzuckend hinzu: »Anarchismus? Kinderei!«

      »Et ça«, rief der Colonel plötzlich aus und deutete über des andern Schulter hin. »Ist das Kinderei – hä? – oder ist das am Ende doch keine Kinderei?«

      Da riß es sämtliche herum. Und: über die Spitze des Hügels dort oben fegte eine schwarze Reiterei mit der Sturmeseile eines Attila daher! So schnell sie indes auch ritten, ritten sie doch wie in Reih und Glied, und die schwarzen Masken der Eskadronfront sahen sich ganz und gar uniformmäßig an. Aber obgleich der schwarze Klecks sich obenhin ganz wie früher ansah (nur daß er sich jetzt natürlich ungleich reißender fortbewegte auf der abschüssigen Hügelfläche da oben, die wie eine schiefgestellte Landkarte aussah), war ein ganz auffälliger Unterschied gegen früher zu merken. Die Reiter kamen wohl in einem Karree daher, – aber einer sprengte weit voran als Tête und der spornte mit Faust und Ferse seinen Gaul so sehr toll und immer noch toller an, daß man gerade hätte meinen können, er wär nicht ein Verfolger, sondern der Verfolgte. Und selbst auf die große, große Entfernung tat der Mann so fanatisch und war seiner ganzen Gestalt nach so unstreitig, daß alle wußten – das ist der Sekretär.

      »Es tut mir leid, daß uns zu einer etwas kultivierteren Diskussion aber auch gar keine Zeit bleibt«, sprach der Colonel, »also: können Sie mir – jetzt in zwei Minuten – Ihren Motorwagen zur Verfügung stellen?«

      »Ich habe nur den einen Verdacht, daß Sie allzusammen total übergeschnappt sind«, sprach Dr. Renard und lächelte fein gemütlich. »Aber Gott behüte, daß Uebergeschnapptheit irgendwie unserer Freundschaft schaden könnte. Wollen wir also, bitte, nach der Garage hinüber.«

      Dr. Renard war ein freundlicher Herr von enormer Wohlhabenheit. Seine Räumlichkeiten schienen das Musée de Cluny, und er besaß drei Automobile. All die drei schien er indes aus jener simplen Neigung, die der ganzen französischen Mittelstandsklasse anhaftet, sehr selten zu gebrauchen, und als seine ungeduldigen Freunde die Dinger nun untersuchten und prüften, nahms immerhin einige Zeit, bis sie sich vergewissert hatten, ob das eine von den dreien überhaupt funktionieren würde. Dann bugsierten sie das Auserwählte mit einiger Schwierigkeit um die Ecke bis auf die Straße vor des Doktors Hause. Wie sie aber aus der dunklen Garage herauskamen, waren sie starr darüber, wie die Dämmerung mit einer geradezu tropischen Schnelligkeit hereingebrochen war. Entweder hatten sie ihre Zeit schlimmer vertrödelt als sie dachten, oder aber irgendein Wolkendach hatte sich dreist über die Stadt gestülpt. Sie blickten die steilen Wege hinab … ein leichter Nebel schien von der See her aufzusteigen.

      »Jetzt oder nie«, sprach Dr. Bull, »hör ich Pferde!«

      »Pferde? Falsch!« korrigierte der Professor. »Ein Pferd!«

      Und wie sie alle aufhorchten, wurde es evident : was da laut und eilends auf den hallenden Steinen daherkam, konnte keine ganze Kavalkade – konnte nur ein einschichtiger Reitersmann, allen andern weit, weit, weit voraus, sein – nämlich der tolle, verrückte Sekretär.

      Symes Familie hatte einst, wie so viele Familien, die bescheiden enden, einen Motor besessen, er mußte also genau Bescheid wissen. Und da schwang er sich auch schon auf den Cheuffeursitz und riß und zerrte an der höchlichst verwunderten Maschinerie herum. Vergeudete besonders viel Kraft an einen einzigen Handgriff und registrierte sodann mit der größten Seelenruhe – »Tut mir leid. Aber es will nicht.«

      Kaum hatte er dies gesagt, da flitzte ein Mann zu Pferd um die Ecke, so flitzend wie ein Pfeil. Mit einem Lächeln, daß sein Kinn auslud, als ob es aus allen Angeln wär. Flitzte bis neben den Wagen heran, der vor lauter Insassen zu platzen schien, und legte seine Hand auf die Brüstung. Und der das tat, das war richtiggehend der Sekretär, und sein Mund war ausnahmsweise durchaus in der Ordnung – vor lauter Siegerfeierlichkeit.

      Syme preßte seinen ganzen Oberkörper schwer gegen die Steuerung – und du vernahmst nichts als das Dröhnen, unter dem die übrige Verfolgerschar in die Stadt einritt. Dann aber lachte mit einem Male alle Karosserie kreischend auf – und der Wagen sprang an. Und der Sekretär schoß rein aus seinem Sattel als wie ein Messer aus seiner Scheide, und es wirbelte ihn zwanzig Yards weit furchtbarlich mit und legte ihn endlich platt auf den Weg hin – vor sein scheu gewordenes Pferd. «Wie der Wagen dann mit einer brillanten Kurve die Straßenecke nahm, konnten die Ausreißer gerade noch sehen, wie die übrigen Anarchisten die ganze Straße erfüllten und ihrem gefallenen Anführer wieder auf die Beine halfen.

      «»Ich kann partout nicht verstehen, wieso’s nur auf einmal so dunkel geworden sein mag«, sprach dann der Professor leise.

      »Wird wohl Sturm geben, denk ich«, sprach Dr. Bull. »Nur das eine ist jammerschade, daß wir so gar kein Licht auf diesem Wagen haben, um sehen zu können.«

      »Haben wir!« sprach der Colonel. Und praktizierte aus dem Boden des Wagens eine schwere, altmodische, schmiedeeiserne Laterne mit einem Licht heraus. Und die war augenscheinlich ein Altertum, und sah gerade so aus, als ob sie dereinst halb und halb in religiösen Diensten gestanden hätte, denn es befand sich an einer Seite ein kunstloses Ornament und das stellte ein Kruzifix dar.

      »Woher in aller Welt mögen Sie das nun wieder haben?« fragte der Professor. »Von daher, wo ich den Wagen herhabe«, antwortete der Colonel und kicherte. »Von meinem besten Freund. Während unser Chauffeur mit unserer Steuerung parlamentierte, rannte ich die Vordertreppe zum Haus hinauf und sprach mit Renard, der, wie Sie sich vielleicht erinnern mögen, auf seiner Diele stand. »Ich vermute«, sprach ich, daß keine Zeit mehr bleiben wird, um eine Laterne herbeizuschaffen.« Er sah aber empor und liebäugelte mit der wundervoll geschwungenen Decke seiner Vorhalle. Von dieser hing, an Ketten aus exquisitestem Eisenwerk, diese Laterne herab –


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