G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

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G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон


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den Wagen, Nun sagen Sie selber, hatte ich nicht recht, wie ich sagte, daß der Dr. Renard eine Bekanntschaft wert wäre?«

      »Und ob!« versetzte Syme sehr ernsthaft, und hing die schwere Laterne entsprechend auf. Es war ein Sinnbild ihrer ganzen Situation – das moderne Automobil und diese seltsame geistliche Lampe.

      Bis jetzt hatten sie den stillsten Teil der Stadt passiert und waren höchstens zwei oder drei Fußgängern begegnet, aus denen sie absolut keine Schlüsse über Friedfertigkeit oder Feindseligkeit des Ortes ziehen konnten. Nun erst begannen die Fenster in den Häusern eins nach dem andern aufzuleuchten, so daß man einen Eindruck von Bewohntheit und von Menschen bekam. Dr. Bull wandte sich dem neuen Detektiv zu, der ihre Flucht angeführt hatte, und gönnte ihm sein natürliches freundliches Lächeln.

      »Diese Lichter können einen wieder heiterer stimmen.«

      Inspektor Ratcliffe faltete die Brauen.

      »Es gibt nur eine Art Lichter, die mich heiterer stimmen können«, sprach er – »und das sind die Leuchten der Polizeistation, – sehen Sie? da unten in der Stadt … Wollte Gott, daß wir in zehn Minuten dort unten wären.«

      Da aber wallte Bulls gesunder Menschenverstand und Optimismus jäh und kochend auf.

      »Ach! Das ist doch alles blühender Unsinn!« schrie er. »Wenn Sie allen Ernstes glauben, daß ganz gewöhnliche Leute in ganz gewöhnlichen Häusern nichts wie Anarchisten wären, dann müssen Sie, ich kann mir nicht helfen, noch hirnverbrannter sein wie so’n Anarchiste selber. Kehren wir doch um und fallen wir jene Burschen an – ich wette, die ganze Stadt steht uns bei!«

      »Nein«, sprach der andere unerschütterlich, »die ganze Stadt würde jenen Burschen beistehn. Aber … na, wir werden ja sehn …«

      Während sie so sprachen, hatte sich der Professor jäh und voller Erregung weit nach vorn gebeugt.

      »Was ist das für ein Geräusch?« fragte er.

      »Hm. Vermutlich die Pferde hinter uns«, gab der Colonel zur Antwort. »Ich dachte allerdings, wir hätten sie schön weit hinter uns gelassen –« »Pferde hinter uns? Nein!« fing der Professor wieder an. »Erstens sind das nicht Pferde hinter uns – und zweitens ist das überhaupt nicht hinter uns –«

      Und kaum sprach er das aus, schossen da vorne am Ende der Straße zwei schimmernde, rasselnde Dinger vorbei. Schossen vorbei fast als wie der Blitz. Aber noch immer nicht schnell genug, daß nicht ein jeder hätte merken können, daß es zwei Automobile waren. Und den Professor triebs in die Höh, und der Professor schwur, blaß bis in die Zähne, daß das die andern zwei Automobile aus Dr. Renards Garage gewesen seien.

      »Ich sage Ihnen, sie warens!« wiederholte er mit wildsprühenden Augen, »und sie waren vollbesetzt von Männern mit Masken!«

      »Wahnsinn!« versetzte der Colonel bedrohlich. »Dr. Renard und denen seine Wagen geben …!«

      »Vielleicht hat man ihn dazu gezwungen«, bemerkte Ratcliffe gelassen. »Die ganze Stadt ist auf ihrer Seite.«

      »Das glauben Sie immer noch?« fragte der Colonel und konnte es nicht glauben. »Daran werden Sie bald glauben müssen!« erwiderte der andere und erhoffte nichts anderes mehr.

      War ein verlegenes Schweigen eine kleine Weile. Bis der Colonel mit einemmal von neuem anfing: »Nein nein nein nein nein – und ich kann es nicht glauben! Gott, o Gott, o Gott, es ist ja Unsinn! So kleine Leute einer friedlichen französischen Stadt – –«

      Da unterbrach ihn ein Knall und ein Blitzen, das augenschließend war. Und der Wagen ließ zu seiner Linken eine wehende Wolke weißen Dampfes hinter sich – und Syme hatte etwas an seinem Ohr vorbeipfeifen gehört.

      »Mein Gott!« kams aus dem Colonel, »da hat wer auf uns geschossen!«

      »Unnötig, unsere Konversation zu unterbrechen«, meinte Ratcliffe trübsinnig. »Wo sind Sie, bitte, stehen geblieben, Colonel? Sie sprachen gerad eben, denk ich, von kleinen Leuten einer friedlichen französischen Stadt – –«

      Der entsetzte Colonel aber, der reagierte längst auf keinen Spott mehr. Rollte nur noch die Augen allerwärts – und stammelte: »Außerordentlich. Höchst – höchst außerordentlich …«

      »Ein Verwöhnter, ein Mäkelnder«, sprach Syme, »möchte das sogar unangenehm nennen. Immerhin … jene Lichter dort unten im Feld am Ende der Straße, das wird wohl die Gendarmerie sein. Werden gleich da sein.«

      »Nein«, sprach da der Inspektor Ratcliffe, »werden niemals da sein.«

      Er war aufgestanden und lugte scharf aus. Dann saß er wieder nieder und glättete sein glattes Haar mit einer müden Geste.

      »Was sagen Sie?« forschte Bull.

      »Ich sagte, daß wir niemals hingelangen werden«, erklärte der Pessimist gelassen. »Da haben allbereits zwei Reihen Bewaffneter quer übern Weg Aufstellung genommen. Ich kanns von hier aus sehen. Die Stadt ist in Waffen; genau wie ich sagte, daß sie wäre. Ich kann mich nur noch auf den Lorbeeren meiner Prophetengabe suhlen…« Und Ratcliffe setzte sich auf das bequemste im Wagen zurecht und zündete sich eine Zigarette an. Die andern aber sprangen alle miteinander erregt auf und starrten die Straße hinab. Syme hatte die Geschwindigkeit verlangsamt, wie alles mählich zweifelhaft wurde; nun brachte er den Wagen gänzlich zum Stillstehn – und das just an der Ecke einer Seitenstraße, die ungemein steil zum Meer hinabführte.

      Die Stadt lag zum größten Teil im Schatten. Aber die Sonne war noch nicht untergegangen. Und wo immer ihr Licht durchbrechen konnte, übermalte sie jedes Ding mit feurigem Gold. In die Seitenstraße aber fiel die scheidende Sonne in einem so dünnen, nadeldünnen Strahl ein, als wärs künstliches Licht im Theater. Und fiel unter anderm auf den Wagen der fünf Freunde, daß es aussah, als stünde die ganze Kutsche in hellem Brand. Das übrige der Straße aber und besonders ihre beiden Enden war in tiefstes Zwielicht getaucht, daß die fünf für Augenblicke überhaupt nichts zu unterscheiden vermochten. Dann ließ Syme, dessen Augen noch die scharfsichtigsten waren, einen leisen, bitteren Pfiff vernehmen und sprach:

      »Tatsächlich! Da ist ein Haufen oder ein Schwarm oder sonstwas, das sich quer übern Weg am Ende der Straße da aufgestellt hat –«

      »Gut, gut! Wenn dem so ist«, fuhr Bull ungeduldig dazwischen, »dann ist es eben – hm – eine abendliche Übung oder der Geburtstag des Majors oder sonstwas. Aber ich kann es nicht und mag es nun einmal nicht glauben, daß so einfache, nette Leute von einem solchen Ort – mit Dynamit in den Hosentaschen herumspazieren. Nee …! Machen Sie ein bißchen vorwärts, Syme; wollen sie uns mal ein bißchen näher ansehen.« Das Gefährt rollte etwa hundert Yards weiter. Und dann waren sie alle baff, wie Dr. Bull plötzlich in ein krähendes Gelächter ausbrach.

      »Was seid ihr doch für Quatschköppe!« schrie er. »Was hab ich euch gesagt? Die sind so fromm wie eine Kuh – und wenn sie’s nicht mehr wären, lägs rein bei uns –«

      »Woher wissen Sie das?« fragte der Professor, der dadurch noch baffer wurde.

      »Stockblind seid ihr«, schrie Bull weiter. »Könnt ihr denn nicht sehen, wer da bloß ihren Anführer macht?«

      Und alle guckten aufs neue aus – und dann mußte der Colonel erst einmal schlucken, eh er rufen konnte:

      »Aber das ist ja Renard!«

      Und wirklich – liefen da eine ganze Masse dunkle Gestalten hinüber und herüber, nur waren sie nicht so genau zu erkennen. Aber in hellster Abendsonne schritt allen weit voran unverkennbar Dr. Renard mit großen Schritten auf und ab, einen weißen Hut auf dem Kopf, und mit einem Revolver in seiner linken Hand.

      »Himmel, war ich ein Narr!« jammerte nun der Colonel drauflos. »Aber selbstverständlich doch – der liebe alte Junge ist uns zu unserem Beistand vorausgeeilt!«

      Dr. Bull gurgelte nur so vor Lachen. Schwang sein Schwert so leichtsinnig wie einen Spazierstock. Sprang aus dem Wagen und rannte los und schrie nur immer:


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